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Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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ersten Worten entgegenzukommen, die das Gespräch unmittelbar auf das Carneval lenkten.

Was meinen Sie, mein lieber Herr Professor, sagte der Marquis, den hingeworfenen Gegenstand sogleich aufnehmend, wie viele Zeit braucht ein gelehrter Mann, um das römische Carneval gründlich kennen zu lernen? Da ist unser Doctor, der studirt daran schon acht Tage und Nächte lang ununterbrochen, daß er davon hat gewonnen ein blasses Gesicht und trübe Augen, und ich glaube, er hat noch nicht absolvirt seinen großen Cursus im Corso.

Arthur lachte, und der Professor blinkte ihm verstohlen zu, während er dem Marquis antwortete: Lassen Sie nur unsern jungen Freund gewähren. Jugend hat nicht Tugend. Er wär' es schon überdrüßig geworden, ich steh' Ihnen dafür, mein Herr Marquis, wenn Sie nicht soviel dagegen predigten. Als ich jung war, und der Spaß noch etwas Neues für mich, da hab' ich es nicht besser gemacht. Aber mit den Jahren legt sich das. Jetzt komm' ich kaum auf ein Paar Stunden in den Corso, um doch sagen zu können, ich habe das Carneval mitgemacht. Das gehört zu den Pflichten eines guten Römers. Aber, Herr Marquis, Sie sollten sich doch auch entschließen, das Spectakel einmal anzusehen. Einmal ist keinmal, und wer es noch nicht kennt, für den ist es schon der Mühe werth, einen Gang danach zu machen. Ich sage nicht, daß Sie sich in das Gedränge des Corso

ersten Worten entgegenzukommen, die das Gespräch unmittelbar auf das Carneval lenkten.

Was meinen Sie, mein lieber Herr Professor, sagte der Marquis, den hingeworfenen Gegenstand sogleich aufnehmend, wie viele Zeit braucht ein gelehrter Mann, um das römische Carneval gründlich kennen zu lernen? Da ist unser Doctor, der studirt daran schon acht Tage und Nächte lang ununterbrochen, daß er davon hat gewonnen ein blasses Gesicht und trübe Augen, und ich glaube, er hat noch nicht absolvirt seinen großen Cursus im Corso.

Arthur lachte, und der Professor blinkte ihm verstohlen zu, während er dem Marquis antwortete: Lassen Sie nur unsern jungen Freund gewähren. Jugend hat nicht Tugend. Er wär' es schon überdrüßig geworden, ich steh' Ihnen dafür, mein Herr Marquis, wenn Sie nicht soviel dagegen predigten. Als ich jung war, und der Spaß noch etwas Neues für mich, da hab' ich es nicht besser gemacht. Aber mit den Jahren legt sich das. Jetzt komm' ich kaum auf ein Paar Stunden in den Corso, um doch sagen zu können, ich habe das Carneval mitgemacht. Das gehört zu den Pflichten eines guten Römers. Aber, Herr Marquis, Sie sollten sich doch auch entschließen, das Spectakel einmal anzusehen. Einmal ist keinmal, und wer es noch nicht kennt, für den ist es schon der Mühe werth, einen Gang danach zu machen. Ich sage nicht, daß Sie sich in das Gedränge des Corso

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[0078] ersten Worten entgegenzukommen, die das Gespräch unmittelbar auf das Carneval lenkten. Was meinen Sie, mein lieber Herr Professor, sagte der Marquis, den hingeworfenen Gegenstand sogleich aufnehmend, wie viele Zeit braucht ein gelehrter Mann, um das römische Carneval gründlich kennen zu lernen? Da ist unser Doctor, der studirt daran schon acht Tage und Nächte lang ununterbrochen, daß er davon hat gewonnen ein blasses Gesicht und trübe Augen, und ich glaube, er hat noch nicht absolvirt seinen großen Cursus im Corso. Arthur lachte, und der Professor blinkte ihm verstohlen zu, während er dem Marquis antwortete: Lassen Sie nur unsern jungen Freund gewähren. Jugend hat nicht Tugend. Er wär' es schon überdrüßig geworden, ich steh' Ihnen dafür, mein Herr Marquis, wenn Sie nicht soviel dagegen predigten. Als ich jung war, und der Spaß noch etwas Neues für mich, da hab' ich es nicht besser gemacht. Aber mit den Jahren legt sich das. Jetzt komm' ich kaum auf ein Paar Stunden in den Corso, um doch sagen zu können, ich habe das Carneval mitgemacht. Das gehört zu den Pflichten eines guten Römers. Aber, Herr Marquis, Sie sollten sich doch auch entschließen, das Spectakel einmal anzusehen. Einmal ist keinmal, und wer es noch nicht kennt, für den ist es schon der Mühe werth, einen Gang danach zu machen. Ich sage nicht, daß Sie sich in das Gedränge des Corso

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T15:21:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T15:21:38Z)

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Zitationshilfe: Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/78>, abgerufen am 06.05.2024.