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Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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schlechter sprach, in die mühseligste Unterhaltung mit einem barmherzigen Bruder verwickelt, welcher ihm ein Almosen abgefordert hatte.

Wozu soll dienen das Almosen, welches die weiße Maske mit der Kapuze vor dem Gesicht von mir verlangt? frug der Marquis schon in halber Entrüstung. Der Doctor erkundigte sich bei dem heiligen Bettler auf das Höflichste nach dem, was sein Gefährte zu erfahren wünschte, und erhielt die Antwort, daß er für Seelenmessen sammle.

Und welche Seele wollt Ihr singen und klingeln und räuchern in den Himmel hinein? frug der Marquis weiter, und der Dollmetscher übersetzte den Sinn der Frage in gemilderte Ausdrücke.

Die nächsten Messen, antwortete der Verhüllte, zu denen meine Brüderschaft in dem ganzen Kirchenstaate Almosen eintreibt, werden für die Seele eines jungen Schülers der Sapienza in Rom gelesen werden, eines geborenen Spaniers von einer edlen Familie aus Valencia, welcher vor kurzem gewürgt und ersäuft hinter dem Ghetto der Juden gefunden worden ist. Der arme Schüler ist ohne Beichte und letzte Oelung dahingefahren, daher bedarf seine Seele unsrer Fürbitte zu ihrer ewigen Begnadigung. Im Uebrigen war er ein frommer Jüngling, den gewiß die heiligste Absicht in jenen verrufenen Winkel geführt hatte. Er hat eine Ungläubige bekehren wollen, wie

schlechter sprach, in die mühseligste Unterhaltung mit einem barmherzigen Bruder verwickelt, welcher ihm ein Almosen abgefordert hatte.

Wozu soll dienen das Almosen, welches die weiße Maske mit der Kapuze vor dem Gesicht von mir verlangt? frug der Marquis schon in halber Entrüstung. Der Doctor erkundigte sich bei dem heiligen Bettler auf das Höflichste nach dem, was sein Gefährte zu erfahren wünschte, und erhielt die Antwort, daß er für Seelenmessen sammle.

Und welche Seele wollt Ihr singen und klingeln und räuchern in den Himmel hinein? frug der Marquis weiter, und der Dollmetscher übersetzte den Sinn der Frage in gemilderte Ausdrücke.

Die nächsten Messen, antwortete der Verhüllte, zu denen meine Brüderschaft in dem ganzen Kirchenstaate Almosen eintreibt, werden für die Seele eines jungen Schülers der Sapienza in Rom gelesen werden, eines geborenen Spaniers von einer edlen Familie aus Valencia, welcher vor kurzem gewürgt und ersäuft hinter dem Ghetto der Juden gefunden worden ist. Der arme Schüler ist ohne Beichte und letzte Oelung dahingefahren, daher bedarf seine Seele unsrer Fürbitte zu ihrer ewigen Begnadigung. Im Uebrigen war er ein frommer Jüngling, den gewiß die heiligste Absicht in jenen verrufenen Winkel geführt hatte. Er hat eine Ungläubige bekehren wollen, wie

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[0051] schlechter sprach, in die mühseligste Unterhaltung mit einem barmherzigen Bruder verwickelt, welcher ihm ein Almosen abgefordert hatte. Wozu soll dienen das Almosen, welches die weiße Maske mit der Kapuze vor dem Gesicht von mir verlangt? frug der Marquis schon in halber Entrüstung. Der Doctor erkundigte sich bei dem heiligen Bettler auf das Höflichste nach dem, was sein Gefährte zu erfahren wünschte, und erhielt die Antwort, daß er für Seelenmessen sammle. Und welche Seele wollt Ihr singen und klingeln und räuchern in den Himmel hinein? frug der Marquis weiter, und der Dollmetscher übersetzte den Sinn der Frage in gemilderte Ausdrücke. Die nächsten Messen, antwortete der Verhüllte, zu denen meine Brüderschaft in dem ganzen Kirchenstaate Almosen eintreibt, werden für die Seele eines jungen Schülers der Sapienza in Rom gelesen werden, eines geborenen Spaniers von einer edlen Familie aus Valencia, welcher vor kurzem gewürgt und ersäuft hinter dem Ghetto der Juden gefunden worden ist. Der arme Schüler ist ohne Beichte und letzte Oelung dahingefahren, daher bedarf seine Seele unsrer Fürbitte zu ihrer ewigen Begnadigung. Im Uebrigen war er ein frommer Jüngling, den gewiß die heiligste Absicht in jenen verrufenen Winkel geführt hatte. Er hat eine Ungläubige bekehren wollen, wie

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T15:21:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T15:21:38Z)

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Zitationshilfe: Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/51>, abgerufen am 03.05.2024.