Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.er verwundert aus und nahm das Portrait von dem Schreibpulte in die Höhe, um es näher zu betrachten. Da haben wir das Geheimniß! Eine Liebschaft im Ghetto? Nun, in Gottes Namen. Lieben Sie die schöne Debora so viel Sie wollen und können, ich mache Ihrem Geschmack mein Kompliment, aber -- hüten Sie sich vor dem Bekehren. Debora! schrie Arthur auf und stürzte sich dem Professor entgegen. Wer hat Ihnen den Namen verrathen? Mäßigen Sie sich nur, Herr Doctor, sprach abwehrend Signor Bernardino. Ich bin ja kein Nebenbuhler. Meine Frau macht zuweilen ein Geschäftchen mit dem alten Shylock und verkauft ihm abgetragene Kleider und zerbrochenes Silberzeug. Diese Handelsverbindung hat mir das Glück verschafft, die schöne Tochter des Juden ein paar Mal von Angesicht zu Angesicht zu schauen. Mir schwindeln die Sinne, unterbrach ihn Arthur. Ich bitte Sie um Alles, was Ihnen heilig ist, sprechen Sie deutlicher, oder ich werde verrückt. Das Original dieses Portraits ist todt, seit zwanzig Jahren todt. Ich fand das Bild in dem Nachlasse des Marquis, und der hat es vor zwanzig Jahren in Spanien malen lassen. Der Professor stutzte einen Augenblick, dann erwiderte er entschieden und wohlgemuth: Nun, wenn ich Ihnen das glauben soll, so glauben Sie auch mir, er verwundert aus und nahm das Portrait von dem Schreibpulte in die Höhe, um es näher zu betrachten. Da haben wir das Geheimniß! Eine Liebschaft im Ghetto? Nun, in Gottes Namen. Lieben Sie die schöne Debora so viel Sie wollen und können, ich mache Ihrem Geschmack mein Kompliment, aber — hüten Sie sich vor dem Bekehren. Debora! schrie Arthur auf und stürzte sich dem Professor entgegen. Wer hat Ihnen den Namen verrathen? Mäßigen Sie sich nur, Herr Doctor, sprach abwehrend Signor Bernardino. Ich bin ja kein Nebenbuhler. Meine Frau macht zuweilen ein Geschäftchen mit dem alten Shylock und verkauft ihm abgetragene Kleider und zerbrochenes Silberzeug. Diese Handelsverbindung hat mir das Glück verschafft, die schöne Tochter des Juden ein paar Mal von Angesicht zu Angesicht zu schauen. Mir schwindeln die Sinne, unterbrach ihn Arthur. Ich bitte Sie um Alles, was Ihnen heilig ist, sprechen Sie deutlicher, oder ich werde verrückt. Das Original dieses Portraits ist todt, seit zwanzig Jahren todt. Ich fand das Bild in dem Nachlasse des Marquis, und der hat es vor zwanzig Jahren in Spanien malen lassen. Der Professor stutzte einen Augenblick, dann erwiderte er entschieden und wohlgemuth: Nun, wenn ich Ihnen das glauben soll, so glauben Sie auch mir, <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="15"> <p><pb facs="#f0123"/> er verwundert aus und nahm das Portrait von dem Schreibpulte in die Höhe, um es näher zu betrachten. Da haben wir das Geheimniß! Eine Liebschaft im Ghetto? Nun, in Gottes Namen. Lieben Sie die schöne Debora so viel Sie wollen und können, ich mache Ihrem Geschmack mein Kompliment, aber — hüten Sie sich vor dem Bekehren.</p><lb/> <p>Debora! schrie Arthur auf und stürzte sich dem Professor entgegen. Wer hat Ihnen den Namen verrathen?</p><lb/> <p>Mäßigen Sie sich nur, Herr Doctor, sprach abwehrend Signor Bernardino. Ich bin ja kein Nebenbuhler. Meine Frau macht zuweilen ein Geschäftchen mit dem alten Shylock und verkauft ihm abgetragene Kleider und zerbrochenes Silberzeug. Diese Handelsverbindung hat mir das Glück verschafft, die schöne Tochter des Juden ein paar Mal von Angesicht zu Angesicht zu schauen.</p><lb/> <p>Mir schwindeln die Sinne, unterbrach ihn Arthur. Ich bitte Sie um Alles, was Ihnen heilig ist, sprechen Sie deutlicher, oder ich werde verrückt. Das Original dieses Portraits ist todt, seit zwanzig Jahren todt. Ich fand das Bild in dem Nachlasse des Marquis, und der hat es vor zwanzig Jahren in Spanien malen lassen.</p><lb/> <p>Der Professor stutzte einen Augenblick, dann erwiderte er entschieden und wohlgemuth: Nun, wenn ich Ihnen das glauben soll, so glauben Sie auch mir,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0123]
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Debora! schrie Arthur auf und stürzte sich dem Professor entgegen. Wer hat Ihnen den Namen verrathen?
Mäßigen Sie sich nur, Herr Doctor, sprach abwehrend Signor Bernardino. Ich bin ja kein Nebenbuhler. Meine Frau macht zuweilen ein Geschäftchen mit dem alten Shylock und verkauft ihm abgetragene Kleider und zerbrochenes Silberzeug. Diese Handelsverbindung hat mir das Glück verschafft, die schöne Tochter des Juden ein paar Mal von Angesicht zu Angesicht zu schauen.
Mir schwindeln die Sinne, unterbrach ihn Arthur. Ich bitte Sie um Alles, was Ihnen heilig ist, sprechen Sie deutlicher, oder ich werde verrückt. Das Original dieses Portraits ist todt, seit zwanzig Jahren todt. Ich fand das Bild in dem Nachlasse des Marquis, und der hat es vor zwanzig Jahren in Spanien malen lassen.
Der Professor stutzte einen Augenblick, dann erwiderte er entschieden und wohlgemuth: Nun, wenn ich Ihnen das glauben soll, so glauben Sie auch mir,
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Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
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