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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Geistliche Gedichte und Lieder.
Unum discamus mori.
WEnn wir die gantze Welt in unsern Kopff gefast/
Des Himmels Lauff geseh'n/ der Erden Ziel gemessen/
Bey frühem Morgen-Licht und auch bey Nacht ge-
sessen/

Und alles durchgesucht; so kommt ein fremder Gast/
Weist uns das Stunden-Glaß und spricht: Mensch lerne sterbe
Wo du nicht ewig wilst an Leib und Seel verderben.
Ach Wunder-volle Kunst und unergründtes Werck!
Die Weißheit so zuvor ein gantzes Land geehret/
Wird da zum Kinderspiel. Was Plato hat gelehret/
Was Socrates gesagt/ und was der Künste Berg
Von Klugheit bey sich hat/ das wird allhier zum Thoren/
Wer nicht recht sterben lernt/ ist ewiglich verlohren.
Und weil ich denn gewiß/ daß jede Stunde mich
Aus diesem Leben rufft/ das Tag und Nacht bezeuget/
Wie nah der arme Mensch zu seinem Grabe steiget/
So mach ich mich bereit/ und trachte brünstiglich/
Jn dieser höchsten Kunst nur dieses zu begreiffen/
Wie meine Seele mag in Tods-Gedancken reiffen.
Buß-Lied.
WJe kan ich/ HErr/ die Missethat verhölen/
Und meine Sünde decken zu?
Sie läst nicht dem Gewissen Ruh/
Und ist ein schneidend Schwerdt in meiner Seelen.
Drumb fallen alle Kräfften hin/
Jch bin nicht mehr/ der ich gewesen bin.
Gleichwie ein Brunn/ so trocknet mein Gebeine/
Jch sehe schon den Todten gleich/
Mein faulend Fleisch ist eine Leich.
Die Schuld druckt mich wie grosse Felsen-Steine.
Es seufzt mein Hertz bey Tag und Nacht/
Und der zerknirschte Geist ist fast verschmacht.
Drumb will ich frey die Ubertrettung sagen.
Jch habe dein Gebot veracht/
Nicht deinen Worten nachgedacht
Den Eyffer dich zu ehren ausgeschlagen.
Nun fühl ich meiner Bürden Last/
Wormit du mich/ mein GOtt/ beleget hast.
Wer
Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Unum diſcamus mori.
WEnn wir die gantze Welt in unſern Kopff gefaſt/
Des Himmels Lauff geſeh’n/ der Erden Ziel gemeſſẽ/
Bey fruͤhem Morgen-Licht und auch bey Nacht ge-
ſeſſen/

Und alles durchgeſucht; ſo kommt ein fremder Gaſt/
Weiſt uns das Stunden-Glaß und ſpricht: Menſch lerne ſterbē
Wo du nicht ewig wilſt an Leib und Seel verderben.
Ach Wunder-volle Kunſt und unergruͤndtes Werck!
Die Weißheit ſo zuvor ein gantzes Land geehret/
Wird da zum Kinderſpiel. Was Plato hat gelehret/
Was Socrates geſagt/ und was der Kuͤnſte Berg
Von Klugheit bey ſich hat/ das wird allhier zum Thoren/
Wer nicht recht ſterben lernt/ iſt ewiglich verlohren.
Und weil ich denn gewiß/ daß jede Stunde mich
Aus dieſem Leben rufft/ das Tag und Nacht bezeuget/
Wie nah der arme Menſch zu ſeinem Grabe ſteiget/
So mach ich mich bereit/ und trachte bruͤnſtiglich/
Jn dieſer hoͤchſten Kunſt nur dieſes zu begreiffen/
Wie meine Seele mag in Tods-Gedancken reiffen.
Buß-Lied.
WJe kan ich/ HErr/ die Miſſethat verhoͤlen/
Und meine Suͤnde decken zu?
Sie laͤſt nicht dem Gewiſſen Ruh/
Und iſt ein ſchneidend Schwerdt in meiner Seelen.
Drumb fallen alle Kraͤfften hin/
Jch bin nicht mehr/ der ich geweſen bin.
Gleichwie ein Brunn/ ſo trocknet mein Gebeine/
Jch ſehe ſchon den Todten gleich/
Mein faulend Fleiſch iſt eine Leich.
Die Schuld druckt mich wie groſſe Felſen-Steine.
Es ſeufzt mein Hertz bey Tag und Nacht/
Und der zerknirſchte Geiſt iſt faſt verſchmacht.
Drumb will ich frey die Ubertrettung ſagen.
Jch habe dein Gebot veracht/
Nicht deinen Worten nachgedacht
Den Eyffer dich zu ehren ausgeſchlagen.
Nun fuͤhl ich meiner Buͤrden Laſt/
Wormit du mich/ mein GOtt/ beleget haſt.
Wer
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[36/0764] Geiſtliche Gedichte und Lieder. Unum diſcamus mori. WEnn wir die gantze Welt in unſern Kopff gefaſt/ Des Himmels Lauff geſeh’n/ der Erden Ziel gemeſſẽ/ Bey fruͤhem Morgen-Licht und auch bey Nacht ge- ſeſſen/ Und alles durchgeſucht; ſo kommt ein fremder Gaſt/ Weiſt uns das Stunden-Glaß und ſpricht: Menſch lerne ſterbē Wo du nicht ewig wilſt an Leib und Seel verderben. Ach Wunder-volle Kunſt und unergruͤndtes Werck! Die Weißheit ſo zuvor ein gantzes Land geehret/ Wird da zum Kinderſpiel. Was Plato hat gelehret/ Was Socrates geſagt/ und was der Kuͤnſte Berg Von Klugheit bey ſich hat/ das wird allhier zum Thoren/ Wer nicht recht ſterben lernt/ iſt ewiglich verlohren. Und weil ich denn gewiß/ daß jede Stunde mich Aus dieſem Leben rufft/ das Tag und Nacht bezeuget/ Wie nah der arme Menſch zu ſeinem Grabe ſteiget/ So mach ich mich bereit/ und trachte bruͤnſtiglich/ Jn dieſer hoͤchſten Kunſt nur dieſes zu begreiffen/ Wie meine Seele mag in Tods-Gedancken reiffen. Buß-Lied. WJe kan ich/ HErr/ die Miſſethat verhoͤlen/ Und meine Suͤnde decken zu? Sie laͤſt nicht dem Gewiſſen Ruh/ Und iſt ein ſchneidend Schwerdt in meiner Seelen. Drumb fallen alle Kraͤfften hin/ Jch bin nicht mehr/ der ich geweſen bin. Gleichwie ein Brunn/ ſo trocknet mein Gebeine/ Jch ſehe ſchon den Todten gleich/ Mein faulend Fleiſch iſt eine Leich. Die Schuld druckt mich wie groſſe Felſen-Steine. Es ſeufzt mein Hertz bey Tag und Nacht/ Und der zerknirſchte Geiſt iſt faſt verſchmacht. Drumb will ich frey die Ubertrettung ſagen. Jch habe dein Gebot veracht/ Nicht deinen Worten nachgedacht Den Eyffer dich zu ehren ausgeſchlagen. Nun fuͤhl ich meiner Buͤrden Laſt/ Wormit du mich/ mein GOtt/ beleget haſt. Wer

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/764>, abgerufen am 24.11.2024.