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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
So forsch ich weiter nach: Was hast du denn verhandelt?
Dein zugeschlossner Mund spricht! Ach mein Fleisch/ das
Weil der/ der endlich auch die Himmel selbst verwandelt (Heu/
Mir längst ins Ohr gerufft/ daß ich vergänglich sey.
Nun wunder' ich mich mehr: welch Weltling kan es leiden
Wenn über die Gebühr sich einer kleiden läst?
Und du/ dem nichts gebrach an feinsten Sammt und Seiden
Erfährest daß der Tod auch dieses stehen läst/
Und kleidet sich in Fleisch. Er hat es zwar vonnöthen
Daß er die leere Schos und magern Hüfften ziert.
Hingegen solte nicht der freche Mensch erröthen
Daß offt ein gantzer Krahm für ihn nicht Zeuge führt?
So gibst du nun dein Fleisch das schlechste von den Waaren
O kluger Handels-Mann für jenen Himmels-Schatz.
Laß Scharrer unsrer Zeit in alle Winckel fahren/
Dein Hauptgut das behält für allen Gütern Platz.
Und sinn' ich endlich aus die Gleichheit in den Dingen
Gewichte/ Maß und Zahl ist auff den Punct erfüllt.
Als in dem Paradieß wir unbekleidet giengen
Hat Evens Vorwitz sich zum ersten eingehüllt.
Und dieses Sünden-Kleid das ist uns erblich blieben.
Ob unsre Leiber sonst auch alle Schönheit mahlt;
So sind doch sie dem Tod zum Eigenthum verschrieben
Erfordert es mit Recht daß man durch Sterben zahlt.
Und was ist ähnlicher den allerbesten Zeugen
Als unser Haut und Fleisch? sie sind aus nichts gemacht.
GOtt hieß aus einem Kloß den ersten Menschen steigen/
Hier hat ein Wurm und Kunst die Formen aus gedacht.
Was ist verweßlicher als schöne Selden Waaren
Und eine schöne Haut die Perlen oft beschämt?
Denn jene darf Gebrauch und Zeit nur überfahren/
Und den geraden Leib hat Kranckheit offt gelähmt.
Wie brüstet sich der Mensch wenn er so herrlich gläntzet?
Und denckt nicht daß ein Koth den andern überdeckt.
Wird nicht mit Perl und Gold ein stoltzes Haupt bekräntzet?
Darunter weiter nichts als Wust und Eyter steckt.
Jst unser Fleisch nun Heu/ gewidmet zum Verderben
Reitzt es und wird gereitzt/ führt es und wird verführt/
So glaubt ein rechter Christ/ daß wenn auch in dem Sterben
Der Tod sein Recht vollzieht er dennoch nichts verliehrt.
Drumb
Leichen-Gedichte.
So forſch ich weiter nach: Was haſt du denn verhandelt?
Dein zugeſchloſſner Mund ſpricht! Ach mein Fleiſch/ das
Weil der/ der endlich auch die Himmel ſelbſt verwandelt (Heu/
Mir laͤngſt ins Ohr gerufft/ daß ich vergaͤnglich ſey.
Nun wunder’ ich mich mehr: welch Weltling kan es leiden
Wenn uͤber die Gebuͤhr ſich einer kleiden laͤſt?
Und du/ dem nichts gebrach an feinſten Sammt und Seiden
Erfaͤhreſt daß der Tod auch dieſes ſtehen laͤſt/
Und kleidet ſich in Fleiſch. Er hat es zwar vonnoͤthen
Daß er die leere Schos und magern Huͤfften ziert.
Hingegen ſolte nicht der freche Menſch erroͤthen
Daß offt ein gantzer Krahm fuͤr ihn nicht Zeuge fuͤhrt?
So gibſt du nun dein Fleiſch das ſchlechſte von den Waaren
O kluger Handels-Mann fuͤr jenen Himmels-Schatz.
Laß Scharrer unſrer Zeit in alle Winckel fahren/
Dein Hauptgut das behaͤlt fuͤr allen Guͤtern Platz.
Und ſinn’ ich endlich aus die Gleichheit in den Dingen
Gewichte/ Maß und Zahl iſt auff den Punct erfuͤllt.
Als in dem Paradieß wir unbekleidet giengen
Hat Evens Vorwitz ſich zum erſten eingehuͤllt.
Und dieſes Suͤnden-Kleid das iſt uns erblich blieben.
Ob unſre Leiber ſonſt auch alle Schoͤnheit mahlt;
So ſind doch ſie dem Tod zum Eigenthum verſchrieben
Erfordert es mit Recht daß man durch Sterben zahlt.
Und was iſt aͤhnlicher den allerbeſten Zeugen
Als unſer Haut und Fleiſch? ſie ſind aus nichts gemacht.
GOtt hieß aus einem Kloß den erſten Menſchen ſteigen/
Hier hat ein Wurm und Kunſt die Formen aus gedacht.
Was iſt verweßlicher als ſchoͤne Selden Waaren
Und eine ſchoͤne Haut die Perlen oft beſchaͤmt?
Denn jene darf Gebrauch und Zeit nur uͤberfahren/
Und den geraden Leib hat Kranckheit offt gelaͤhmt.
Wie bruͤſtet ſich der Menſch wenn er ſo herrlich glaͤntzet?
Und denckt nicht daß ein Koth den andern uͤberdeckt.
Wird nicht mit Perl und Gold ein ſtoltzes Haupt bekraͤntzet?
Darunter weiter nichts als Wuſt und Eyter ſteckt.
Jſt unſer Fleiſch nun Heu/ gewidmet zum Verderben
Reitzt es und wird gereitzt/ fuͤhrt es und wird verfuͤhrt/
So glaubt ein rechter Chriſt/ daß wenn auch in dem Sterben
Der Tod ſein Recht vollzieht er dennoch nichts verliehrt.
Drumb
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[434/0666] Leichen-Gedichte. So forſch ich weiter nach: Was haſt du denn verhandelt? Dein zugeſchloſſner Mund ſpricht! Ach mein Fleiſch/ das Weil der/ der endlich auch die Himmel ſelbſt verwandelt (Heu/ Mir laͤngſt ins Ohr gerufft/ daß ich vergaͤnglich ſey. Nun wunder’ ich mich mehr: welch Weltling kan es leiden Wenn uͤber die Gebuͤhr ſich einer kleiden laͤſt? Und du/ dem nichts gebrach an feinſten Sammt und Seiden Erfaͤhreſt daß der Tod auch dieſes ſtehen laͤſt/ Und kleidet ſich in Fleiſch. Er hat es zwar vonnoͤthen Daß er die leere Schos und magern Huͤfften ziert. Hingegen ſolte nicht der freche Menſch erroͤthen Daß offt ein gantzer Krahm fuͤr ihn nicht Zeuge fuͤhrt? So gibſt du nun dein Fleiſch das ſchlechſte von den Waaren O kluger Handels-Mann fuͤr jenen Himmels-Schatz. Laß Scharrer unſrer Zeit in alle Winckel fahren/ Dein Hauptgut das behaͤlt fuͤr allen Guͤtern Platz. Und ſinn’ ich endlich aus die Gleichheit in den Dingen Gewichte/ Maß und Zahl iſt auff den Punct erfuͤllt. Als in dem Paradieß wir unbekleidet giengen Hat Evens Vorwitz ſich zum erſten eingehuͤllt. Und dieſes Suͤnden-Kleid das iſt uns erblich blieben. Ob unſre Leiber ſonſt auch alle Schoͤnheit mahlt; So ſind doch ſie dem Tod zum Eigenthum verſchrieben Erfordert es mit Recht daß man durch Sterben zahlt. Und was iſt aͤhnlicher den allerbeſten Zeugen Als unſer Haut und Fleiſch? ſie ſind aus nichts gemacht. GOtt hieß aus einem Kloß den erſten Menſchen ſteigen/ Hier hat ein Wurm und Kunſt die Formen aus gedacht. Was iſt verweßlicher als ſchoͤne Selden Waaren Und eine ſchoͤne Haut die Perlen oft beſchaͤmt? Denn jene darf Gebrauch und Zeit nur uͤberfahren/ Und den geraden Leib hat Kranckheit offt gelaͤhmt. Wie bruͤſtet ſich der Menſch wenn er ſo herrlich glaͤntzet? Und denckt nicht daß ein Koth den andern uͤberdeckt. Wird nicht mit Perl und Gold ein ſtoltzes Haupt bekraͤntzet? Darunter weiter nichts als Wuſt und Eyter ſteckt. Jſt unſer Fleiſch nun Heu/ gewidmet zum Verderben Reitzt es und wird gereitzt/ fuͤhrt es und wird verfuͤhrt/ So glaubt ein rechter Chriſt/ daß wenn auch in dem Sterben Der Tod ſein Recht vollzieht er dennoch nichts verliehrt. Drumb

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/666>, abgerufen am 23.11.2024.