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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
3.
Du folgst der Stimm und hast den Fuß entzogen
Dem Sünden Garn/ die Stricke sind entzwey.
Dich hat die Welt/ die Circe nie betrogen/
Noch eingeschläfft durch ihre Zauberey.
Du als ein Kind bist klugfür uns zu nennen/
Das zeitlich hat erkant des Lebens Traum:
Jndem wir uns bemühen/ lauffen/ rennen
Umb lauter Nichts und umb drey Ellen Raum.
4.
Wir kriechen stets wie Kinder auff der Erden/
Wenn schwingt sich wol die Seele Himmel an?
Wie ein Kind zürnt/ wenn es beraubt muß werden
Vom Puppen-Werck/ und weinet was es kan.
So auch wenn uns entnommen was ergetzet/
Und zeitlich Gut/ der Ameiß Hauff' entgeht.
Da fühlen wir so tödtlich uns verletzet/
Daß Blut umb Hertz/ im Auge Wasser steht.
5.
Wo aber hin heist dich dein Heyland fliehen/
Du kleiner Christ doch grosser Glaubens-Held?
Sollstu gleich weg/ so nah Weynachten/ ziehen/
Da er sich sonst ein zu bescheren stellt.
So kriegstu hier kein herrlich Christ-Geschencke/
Man trägt dir nicht die Gab in Bürden zu?
Ach nein! man setzt dir itzt die Leichen-Bäncke
Und legt den Rest der Glieder zu der Ruh.
6.
So gehet nun dein sehnliches Verlangen/
Nach den Gewürtz- und Freuden-Bergen hin.
Es mag dein Mund kein' Artzney mehr empfangen/
Du nennst die Flucht den schätzbarsten Gewinn.
Gleichwie ein Hirsch/ der sicher auff den Höhen
Zurücke siht/ wie man ihm nachgestellt.
So schau doch auch zurücke wie wir stehen
Wie Sünd und Tod uns noch gefangen hält.
7.
Du weidest nun in unverwelckten Rosen/
Dein Freund ist dein und du bist ewig sein.
Dein Angesicht ist schöner als Zeitlosen/
Als der Narciss' und Käiser-Kronen Schein.
Wie
Leichen-Gedichte.
3.
Du folgſt der Stimm und haſt den Fuß entzogen
Dem Suͤnden Garn/ die Stricke ſind entzwey.
Dich hat die Welt/ die Circe nie betrogen/
Noch eingeſchlaͤfft durch ihre Zauberey.
Du als ein Kind biſt klugfuͤr uns zu nennen/
Das zeitlich hat erkant des Lebens Traum:
Jndem wir uns bemuͤhen/ lauffen/ rennen
Umb lauter Nichts und umb drey Ellen Raum.
4.
Wir kriechen ſtets wie Kinder auff der Erden/
Wenn ſchwingt ſich wol die Seele Himmel an?
Wie ein Kind zuͤrnt/ wenn es beraubt muß werden
Vom Puppen-Werck/ und weinet was es kan.
So auch wenn uns entnommen was ergetzet/
Und zeitlich Gut/ der Ameiß Hauff’ entgeht.
Da fuͤhlen wir ſo toͤdtlich uns verletzet/
Daß Blut umb Hertz/ im Auge Waſſer ſteht.
5.
Wo aber hin heiſt dich dein Heyland fliehen/
Du kleiner Chriſt doch groſſer Glaubens-Held?
Sollſtu gleich weg/ ſo nah Weynachten/ ziehen/
Da er ſich ſonſt ein zu beſcheren ſtellt.
So kriegſtu hier kein herrlich Chriſt-Geſchencke/
Man traͤgt dir nicht die Gab in Buͤrden zu?
Ach nein! man ſetzt dir itzt die Leichen-Baͤncke
Und legt den Reſt der Glieder zu der Ruh.
6.
So gehet nun dein ſehnliches Verlangen/
Nach den Gewuͤrtz- und Freuden-Bergen hin.
Es mag dein Mund kein’ Artzney mehr empfangen/
Du nennſt die Flucht den ſchaͤtzbarſten Gewinn.
Gleichwie ein Hirſch/ der ſicher auff den Hoͤhen
Zuruͤcke ſiht/ wie man ihm nachgeſtellt.
So ſchau doch auch zuruͤcke wie wir ſtehen
Wie Suͤnd und Tod uns noch gefangen haͤlt.
7.
Du weideſt nun in unverwelckten Roſen/
Dein Freund iſt dein und du biſt ewig ſein.
Dein Angeſicht iſt ſchoͤner als Zeitloſen/
Als der Narciſſ’ und Kaͤiſer-Kronen Schein.
Wie
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[422/0654] Leichen-Gedichte. 3. Du folgſt der Stimm und haſt den Fuß entzogen Dem Suͤnden Garn/ die Stricke ſind entzwey. Dich hat die Welt/ die Circe nie betrogen/ Noch eingeſchlaͤfft durch ihre Zauberey. Du als ein Kind biſt klugfuͤr uns zu nennen/ Das zeitlich hat erkant des Lebens Traum: Jndem wir uns bemuͤhen/ lauffen/ rennen Umb lauter Nichts und umb drey Ellen Raum. 4. Wir kriechen ſtets wie Kinder auff der Erden/ Wenn ſchwingt ſich wol die Seele Himmel an? Wie ein Kind zuͤrnt/ wenn es beraubt muß werden Vom Puppen-Werck/ und weinet was es kan. So auch wenn uns entnommen was ergetzet/ Und zeitlich Gut/ der Ameiß Hauff’ entgeht. Da fuͤhlen wir ſo toͤdtlich uns verletzet/ Daß Blut umb Hertz/ im Auge Waſſer ſteht. 5. Wo aber hin heiſt dich dein Heyland fliehen/ Du kleiner Chriſt doch groſſer Glaubens-Held? Sollſtu gleich weg/ ſo nah Weynachten/ ziehen/ Da er ſich ſonſt ein zu beſcheren ſtellt. So kriegſtu hier kein herrlich Chriſt-Geſchencke/ Man traͤgt dir nicht die Gab in Buͤrden zu? Ach nein! man ſetzt dir itzt die Leichen-Baͤncke Und legt den Reſt der Glieder zu der Ruh. 6. So gehet nun dein ſehnliches Verlangen/ Nach den Gewuͤrtz- und Freuden-Bergen hin. Es mag dein Mund kein’ Artzney mehr empfangen/ Du nennſt die Flucht den ſchaͤtzbarſten Gewinn. Gleichwie ein Hirſch/ der ſicher auff den Hoͤhen Zuruͤcke ſiht/ wie man ihm nachgeſtellt. So ſchau doch auch zuruͤcke wie wir ſtehen Wie Suͤnd und Tod uns noch gefangen haͤlt. 7. Du weideſt nun in unverwelckten Roſen/ Dein Freund iſt dein und du biſt ewig ſein. Dein Angeſicht iſt ſchoͤner als Zeitloſen/ Als der Narciſſ’ und Kaͤiſer-Kronen Schein. Wie

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/654>, abgerufen am 23.11.2024.