Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Man muß nur mit Gedult vermischen Leid und SehnenWer wil/ wenn GOtt uns rufft denn widerspenstig seyn? Und was zum Troste dient/ die hier gesät mit Thränen/ Die erndtet dort vergnügt die Freuden-Garben ein. Ja seufftzet mehr/ Herr Knorr/ daß ihm so viel entgangen/ Und daß sie allzu früh gesegnet diese Welt? So denck er/ daß es GOtt so über ihn verhangen/ Daß ohne ihn kein Haar von unser Scheitel fällt. Vermißt der Kinder-Schaar das treue Mutter-Hertze? Scheint ihre Pflege noch beynöthig stets zu seyn? Getrost/ bey dieser Noth und heiß entbrantem Schmertze Streut auch die lange Zeit von Linderung was ein. Last euch/ Betrübteste/ das Leid nicht überwiegen/ Es schwebt der Seel'gen Geist in GOttes Gnad und Huld: Jhr werdet über euch und über andre siegen Wenn ihr zur Richtschnur braucht mich Christliche Gedult. Trost-Zeilen BEh/ alter Vater/ zu der Ruh/Bey Beerdigung Hn. G. A. den 7. Sept. 1678. Und schleuß die müden Augen zu/ Der Menschen letzte Pflicht heist sterben; Wol dem der so von hinnen zeucht! Du hast den sichern Port erreicht/ Und kanst getrost den Himmel erben. Es konte dir das Rund der Welt/ So nichts als Jammer in sich hält/ Nur Eckel und Verdruß mehr geben. Dir war ja satt und wol bekand/ Daß bey dergleichen Jahre Stand Sey lange Qual ein langes Leben. Drumb wünscht die Seele frey zu seyn/ Legt ab die Adern und Gebein' Als Kleider seiner irrd'schen Hütten. Was Staub ist und verwesen kan/ Das wird ins schwartze Grab gethan/ Da mag es Fäul und Wurm zerrütten. Allein dein guter Leumund nicht/ Der brennt in seinem Ehren-Licht/ Und
Leichen-Gedichte. Man muß nur mit Gedult vermiſchen Leid und SehnenWer wil/ wenn GOtt uns rufft denn widerſpenſtig ſeyn? Und was zum Troſte dient/ die hier geſaͤt mit Thraͤnen/ Die erndtet dort vergnuͤgt die Freuden-Garben ein. Ja ſeufftzet mehr/ Herr Knorr/ daß ihm ſo viel entgangen/ Und daß ſie allzu fruͤh geſegnet dieſe Welt? So denck er/ daß es GOtt ſo uͤber ihn verhangen/ Daß ohne ihn kein Haar von unſer Scheitel faͤllt. Vermißt der Kinder-Schaar das treue Mutter-Hertze? Scheint ihre Pflege noch beynoͤthig ſtets zu ſeyn? Getroſt/ bey dieſer Noth und heiß entbrantem Schmertze Streut auch die lange Zeit von Linderung was ein. Laſt euch/ Betruͤbteſte/ das Leid nicht uͤberwiegen/ Es ſchwebt der Seel’gen Geiſt in GOttes Gnad und Huld: Jhr werdet uͤber euch und uͤber andre ſiegen Wenn ihr zur Richtſchnur braucht mich Chriſtliche Gedult. Troſt-Zeilen BEh/ alter Vater/ zu der Ruh/Bey Beerdigung Hn. G. A. den 7. Sept. 1678. Und ſchleuß die muͤden Augen zu/ Der Menſchen letzte Pflicht heiſt ſterben; Wol dem der ſo von hinnen zeucht! Du haſt den ſichern Port erreicht/ Und kanſt getroſt den Himmel erben. Es konte dir das Rund der Welt/ So nichts als Jammer in ſich haͤlt/ Nur Eckel und Verdruß mehr geben. Dir war ja ſatt und wol bekand/ Daß bey dergleichen Jahre Stand Sey lange Qual ein langes Leben. Drumb wuͤnſcht die Seele frey zu ſeyn/ Legt ab die Adern und Gebein’ Als Kleider ſeiner irrd’ſchen Huͤtten. Was Staub iſt und verweſen kan/ Das wird ins ſchwartze Grab gethan/ Da mag es Faͤul und Wurm zerruͤtten. Allein dein guter Leumund nicht/ Der brennt in ſeinem Ehren-Licht/ Und
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Leichen-Gedichte.
Man muß nur mit Gedult vermiſchen Leid und Sehnen
Wer wil/ wenn GOtt uns rufft denn widerſpenſtig ſeyn?
Und was zum Troſte dient/ die hier geſaͤt mit Thraͤnen/
Die erndtet dort vergnuͤgt die Freuden-Garben ein.
Ja ſeufftzet mehr/ Herr Knorr/ daß ihm ſo viel entgangen/
Und daß ſie allzu fruͤh geſegnet dieſe Welt?
So denck er/ daß es GOtt ſo uͤber ihn verhangen/
Daß ohne ihn kein Haar von unſer Scheitel faͤllt.
Vermißt der Kinder-Schaar das treue Mutter-Hertze?
Scheint ihre Pflege noch beynoͤthig ſtets zu ſeyn?
Getroſt/ bey dieſer Noth und heiß entbrantem Schmertze
Streut auch die lange Zeit von Linderung was ein.
Laſt euch/ Betruͤbteſte/ das Leid nicht uͤberwiegen/
Es ſchwebt der Seel’gen Geiſt in GOttes Gnad und Huld:
Jhr werdet uͤber euch und uͤber andre ſiegen
Wenn ihr zur Richtſchnur braucht mich Chriſtliche Gedult.
Troſt-Zeilen
Bey Beerdigung Hn. G. A. den 7. Sept. 1678.
BEh/ alter Vater/ zu der Ruh/
Und ſchleuß die muͤden Augen zu/
Der Menſchen letzte Pflicht heiſt ſterben;
Wol dem der ſo von hinnen zeucht!
Du haſt den ſichern Port erreicht/
Und kanſt getroſt den Himmel erben.
Es konte dir das Rund der Welt/
So nichts als Jammer in ſich haͤlt/
Nur Eckel und Verdruß mehr geben.
Dir war ja ſatt und wol bekand/
Daß bey dergleichen Jahre Stand
Sey lange Qual ein langes Leben.
Drumb wuͤnſcht die Seele frey zu ſeyn/
Legt ab die Adern und Gebein’
Als Kleider ſeiner irrd’ſchen Huͤtten.
Was Staub iſt und verweſen kan/
Das wird ins ſchwartze Grab gethan/
Da mag es Faͤul und Wurm zerruͤtten.
Allein dein guter Leumund nicht/
Der brennt in ſeinem Ehren-Licht/
Und
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