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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Er war nicht unbekandt in dem gevierdten Reicht/
Worinnen die Natur sich Majestätisch weist.
Jetzt sehen wir nicht mehr als diese kalte Leiche;
Die Erde hat den Leib/ der Himmel seinen Geist.
Wiewol er Lebens Zeit gleich Mumien genützet/
Sein ehrliches Gerücht ist noch ein gut Geruch.
Ein Balsam der für Gifft und Fäulnüß ihn beschützet/
Und seinen Namen nicht lescht aus des Lebens Buch.
Er ließ den schwartzen Mohr der Jsis Bildnüß tragen/
Jhm war auff seiner Brust sein JEsus eingeprägt.
Es mag der Copter nach Osiris Zeichen fragen/
Er hat in seine Seit und Wunden sich gelegt/
Mit bittrem Thränen-Saltz offt seine Schuld gewaschen;
Dieweil ihm wol bewust/ daß Thränen Engel-Wein/
Daß wir ein schwach Gefäß voll Erde/ Staub und Aschen
Mit unsern Wercken nichts für GOttes Antlitz seyn.
So eine Mumia hieß des Herr Schöpsens Leben/
Das Tugend durch und durch auffs beste balsamirt.
Diß Ehren-Zeugnüß wird der Neid ihm selber gebene
Daß er hat seinen Lauff mit höchstem Ruhm vollführt.
Sie pflegten Mumien in Leinwand einzuhüllen/
Herr Schöps der hüllte sich in reine Tugend ein.
War seinem GOtte treu/ dem Nechsten gern zu Willen/
Erschien mit Rath und That und haßte Schmuck und Schein.
So viel Gebrechen kan die Mumie nicht heilen
Als er Artzneyen hat für Sterbende bereit;
So lieblichen Geruch auch nimmermehr ertheilen/
Als seines Namens Ruhm jetzt nach dem Tod ausstreut.
Und ziert die Mumie der Apothecker Schrancken/
So sol Herr Schöps gewiß vor eine Zierath stehn.
Es wird noch lange Zeit sein Hauß ihm ewig dancken
Und seiner Tugend Lob biß an die Stern' erhöhn.
Auch dieses Fleisch und Blut das jetzt der Tod durchbeitzet/
Und gleich wie Pech und Hartz durch Marck und Beine zeucht/
Wird zur Verneuerung und auffzustehn gereitzet/
Damit es mit der Zeit als wie die Sonne leucht.
Man laß Egypten nun die Mumien erheben/
Daß sie viel hundert Jahr für Fäul und Wurm befreyt.
Es kan die kurtze Schrifft uns mehr Vergnügung geben:
Herr Schöpsens Mumie führt Geist und Ewigkeit.
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Leichen-Gedichte.
Er war nicht unbekandt in dem gevierdten Reicht/
Worinnen die Natur ſich Majeſtaͤtiſch weiſt.
Jetzt ſehen wir nicht mehr als dieſe kalte Leiche;
Die Erde hat den Leib/ der Himmel ſeinen Geiſt.
Wiewol er Lebens Zeit gleich Mumien genuͤtzet/
Sein ehrliches Geruͤcht iſt noch ein gut Geruch.
Ein Balſam der fuͤr Gifft und Faͤulnuͤß ihn beſchuͤtzet/
Und ſeinen Namen nicht leſcht aus des Lebens Buch.
Er ließ den ſchwartzen Mohr der Jſis Bildnuͤß tragen/
Jhm war auff ſeiner Bruſt ſein JEſus eingepraͤgt.
Es mag der Copter nach Oſiris Zeichen fragen/
Er hat in ſeine Seit und Wunden ſich gelegt/
Mit bittrem Thraͤnen-Saltz offt ſeine Schuld gewaſchen;
Dieweil ihm wol bewuſt/ daß Thraͤnen Engel-Wein/
Daß wir ein ſchwach Gefaͤß voll Erde/ Staub und Aſchen
Mit unſern Wercken nichts fuͤr GOttes Antlitz ſeyn.
So eine Mumia hieß des Herr Schoͤpſens Leben/
Das Tugend durch und durch auffs beſte balſamirt.
Diß Ehren-Zeugnuͤß wird der Neid ihm ſelber gebene
Daß er hat ſeinen Lauff mit hoͤchſtem Ruhm vollfuͤhrt.
Sie pflegten Mumien in Leinwand einzuhuͤllen/
Herr Schoͤps der huͤllte ſich in reine Tugend ein.
War ſeinem GOtte treu/ dem Nechſten gern zu Willen/
Erſchien mit Rath und That und haßte Schmuck uñ Schein.
So viel Gebrechen kan die Mumie nicht heilen
Als er Artzneyen hat fuͤr Sterbende bereit;
So lieblichen Geruch auch nimmermehr ertheilen/
Als ſeines Namens Ruhm jetzt nach dem Tod ausſtreut.
Und ziert die Mumie der Apothecker Schrancken/
So ſol Herr Schoͤps gewiß vor eine Zierath ſtehn.
Es wird noch lange Zeit ſein Hauß ihm ewig dancken
Und ſeiner Tugend Lob biß an die Stern’ erhoͤhn.
Auch dieſes Fleiſch und Blut das jetzt der Tod durchbeitzet/
Und gleich wie Pech und Hartz durch Marck uñ Beine zeucht/
Wird zur Verneuerung und auffzuſtehn gereitzet/
Damit es mit der Zeit als wie die Sonne leucht.
Man laß Egypten nun die Mumien erheben/
Daß ſie viel hundert Jahr fuͤr Faͤul und Wurm befreyt.
Es kan die kurtze Schrifft uns mehr Vergnuͤgung geben:
Herr Schoͤpſens Mumie fuͤhrt Geiſt und Ewigkeit.
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[339/0571] Leichen-Gedichte. Er war nicht unbekandt in dem gevierdten Reicht/ Worinnen die Natur ſich Majeſtaͤtiſch weiſt. Jetzt ſehen wir nicht mehr als dieſe kalte Leiche; Die Erde hat den Leib/ der Himmel ſeinen Geiſt. Wiewol er Lebens Zeit gleich Mumien genuͤtzet/ Sein ehrliches Geruͤcht iſt noch ein gut Geruch. Ein Balſam der fuͤr Gifft und Faͤulnuͤß ihn beſchuͤtzet/ Und ſeinen Namen nicht leſcht aus des Lebens Buch. Er ließ den ſchwartzen Mohr der Jſis Bildnuͤß tragen/ Jhm war auff ſeiner Bruſt ſein JEſus eingepraͤgt. Es mag der Copter nach Oſiris Zeichen fragen/ Er hat in ſeine Seit und Wunden ſich gelegt/ Mit bittrem Thraͤnen-Saltz offt ſeine Schuld gewaſchen; Dieweil ihm wol bewuſt/ daß Thraͤnen Engel-Wein/ Daß wir ein ſchwach Gefaͤß voll Erde/ Staub und Aſchen Mit unſern Wercken nichts fuͤr GOttes Antlitz ſeyn. So eine Mumia hieß des Herr Schoͤpſens Leben/ Das Tugend durch und durch auffs beſte balſamirt. Diß Ehren-Zeugnuͤß wird der Neid ihm ſelber gebene Daß er hat ſeinen Lauff mit hoͤchſtem Ruhm vollfuͤhrt. Sie pflegten Mumien in Leinwand einzuhuͤllen/ Herr Schoͤps der huͤllte ſich in reine Tugend ein. War ſeinem GOtte treu/ dem Nechſten gern zu Willen/ Erſchien mit Rath und That und haßte Schmuck uñ Schein. So viel Gebrechen kan die Mumie nicht heilen Als er Artzneyen hat fuͤr Sterbende bereit; So lieblichen Geruch auch nimmermehr ertheilen/ Als ſeines Namens Ruhm jetzt nach dem Tod ausſtreut. Und ziert die Mumie der Apothecker Schrancken/ So ſol Herr Schoͤps gewiß vor eine Zierath ſtehn. Es wird noch lange Zeit ſein Hauß ihm ewig dancken Und ſeiner Tugend Lob biß an die Stern’ erhoͤhn. Auch dieſes Fleiſch und Blut das jetzt der Tod durchbeitzet/ Und gleich wie Pech und Hartz durch Marck uñ Beine zeucht/ Wird zur Verneuerung und auffzuſtehn gereitzet/ Damit es mit der Zeit als wie die Sonne leucht. Man laß Egypten nun die Mumien erheben/ Daß ſie viel hundert Jahr fuͤr Faͤul und Wurm befreyt. Es kan die kurtze Schrifft uns mehr Vergnuͤgung geben: Herr Schoͤpſens Mumie fuͤhrt Geiſt und Ewigkeit. Pin- Y y y 2

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/571>, abgerufen am 24.07.2024.