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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Gleich wie ein reicher Strom sich in viel Bäche theilt/
Und mit dem Silber-Quell das Feld zu träncken eilt:
So kam von seinem Rath/ als einem reichen Bronnen/
Gemeinem Wesen Hülff und jedem Heil geronnen.
Der rühmte den Verstand/ ein ander seine Treu/
Der seine Redligkeit/ und das ohn Heucheley
Sein reines Hertze war. Wie auch sein löblich Leben
Der gantzen Bürgerschafft kont einen Spiegel geben.
Und solten Menschen auch davor nicht danckbar seyn?
So meldeten sein Lob/ Stadt/ Wälle/ Mauren/ Stein'/
Und müsten Zeugen seyn der immerwachen Sorgen.
Dem grossen Kayser selbst blieb sein Fleiß unverborgen/
Er sah ihn gnädig an/ und nannt ihn seinen Rath.
Ja wie die Tugend diß zu ihrem Lohne hat/
Daß sie der Ruhm bekröhnt: So ward von vielen Zungen
Herr Artzats weises Thun und Treffligkeit besungen
Wie die Gerechtigkeit durch ihn ihr Recht vollführt/
Wie er sein Richter-Ampt mit Ansehn hat geziert/
Mit Glimpff und Ernst vermischt/ sein Ohre nie verschlossen.
Wie in Verrichtungen der Stadt er unverdrossen
Den besten Zweg erkiest. Und ließ ja eine Ruh/
Die doch sehr selten kam/ das Cammer-Wesen zu/
Hieß seine gröste Lust ein gutes Buch zu lesen/
Ein ander Lälius/ der müssig nie gewesen/
Und dessen würdig Haupt die Bürger-Cron verdient/
Und daß sein Name stets in unsren Seelen grünt.
So viel Vollkommenheit/ so hoch- und edle Gaben/
Die können für den Tod kein frey Geleite haben.
Das Auge schläfft jetzt ein/ so für uns hat gewacht/
Der Kopff ist ohne Rath der allem nachgedacht/
Die Zunge kan nicht mehr das Recht Partheyen sprechen/
Die Ohren horen nicht der Armen ihr Gebrechen/
Die Hände schliessen nicht die Freunde ferner ein.
Kurtz/ so viel Schätze deckt der stumme Leichen-Stein.
Wiewol sein Nachruhm lebt/ der giebt der Welt zulesen/
Daß er ein Scipio bey unsrer Stadt gewesen.
Letzter
Leichen-Gedichte.
Gleich wie ein reicher Strom ſich in viel Baͤche theilt/
Und mit dem Silber-Quell das Feld zu traͤncken eilt:
So kam von ſeinem Rath/ als einem reichen Bronnen/
Gemeinem Weſen Huͤlff und jedem Heil geronnen.
Der ruͤhmte den Verſtand/ ein ander ſeine Treu/
Der ſeine Redligkeit/ und das ohn Heucheley
Sein reines Hertze war. Wie auch ſein loͤblich Leben
Der gantzen Buͤrgerſchafft kont einen Spiegel geben.
Und ſolten Menſchen auch davor nicht danckbar ſeyn?
So meldeten ſein Lob/ Stadt/ Waͤlle/ Mauren/ Stein’/
Und muͤſten Zeugen ſeyn der immerwachen Sorgen.
Dem groſſen Kayſer ſelbſt blieb ſein Fleiß unverborgen/
Er ſah ihn gnaͤdig an/ und nannt ihn ſeinen Rath.
Ja wie die Tugend diß zu ihrem Lohne hat/
Daß ſie der Ruhm bekroͤhnt: So ward von vielen Zungen
Herr Artzats weiſes Thun und Treffligkeit beſungen
Wie die Gerechtigkeit durch ihn ihr Recht vollfuͤhrt/
Wie er ſein Richter-Ampt mit Anſehn hat geziert/
Mit Glimpff und Ernſt vermiſcht/ ſein Ohre nie verſchloſſen.
Wie in Verrichtungen der Stadt er unverdroſſen
Den beſten Zweg erkieſt. Und ließ ja eine Ruh/
Die doch ſehr ſelten kam/ das Cammer-Weſen zu/
Hieß ſeine groͤſte Luſt ein gutes Buch zu leſen/
Ein ander Laͤlius/ der muͤſſig nie geweſen/
Und deſſen wuͤrdig Haupt die Buͤrger-Cron verdient/
Und daß ſein Name ſtets in unſren Seelen gruͤnt.
So viel Vollkommenheit/ ſo hoch- und edle Gaben/
Die koͤnnen fuͤr den Tod kein frey Geleite haben.
Das Auge ſchlaͤfft jetzt ein/ ſo fuͤr uns hat gewacht/
Der Kopff iſt ohne Rath der allem nachgedacht/
Die Zunge kan nicht mehr das Recht Partheyen ſprechen/
Die Ohren horen nicht der Armen ihr Gebrechen/
Die Haͤnde ſchlieſſen nicht die Freunde ferner ein.
Kurtz/ ſo viel Schaͤtze deckt der ſtumme Leichen-Stein.
Wiewol ſein Nachruhm lebt/ der giebt der Welt zuleſen/
Daß er ein Scipio bey unſrer Stadt geweſen.
Letzter
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[319/0551] Leichen-Gedichte. Gleich wie ein reicher Strom ſich in viel Baͤche theilt/ Und mit dem Silber-Quell das Feld zu traͤncken eilt: So kam von ſeinem Rath/ als einem reichen Bronnen/ Gemeinem Weſen Huͤlff und jedem Heil geronnen. Der ruͤhmte den Verſtand/ ein ander ſeine Treu/ Der ſeine Redligkeit/ und das ohn Heucheley Sein reines Hertze war. Wie auch ſein loͤblich Leben Der gantzen Buͤrgerſchafft kont einen Spiegel geben. Und ſolten Menſchen auch davor nicht danckbar ſeyn? So meldeten ſein Lob/ Stadt/ Waͤlle/ Mauren/ Stein’/ Und muͤſten Zeugen ſeyn der immerwachen Sorgen. Dem groſſen Kayſer ſelbſt blieb ſein Fleiß unverborgen/ Er ſah ihn gnaͤdig an/ und nannt ihn ſeinen Rath. Ja wie die Tugend diß zu ihrem Lohne hat/ Daß ſie der Ruhm bekroͤhnt: So ward von vielen Zungen Herr Artzats weiſes Thun und Treffligkeit beſungen Wie die Gerechtigkeit durch ihn ihr Recht vollfuͤhrt/ Wie er ſein Richter-Ampt mit Anſehn hat geziert/ Mit Glimpff und Ernſt vermiſcht/ ſein Ohre nie verſchloſſen. Wie in Verrichtungen der Stadt er unverdroſſen Den beſten Zweg erkieſt. Und ließ ja eine Ruh/ Die doch ſehr ſelten kam/ das Cammer-Weſen zu/ Hieß ſeine groͤſte Luſt ein gutes Buch zu leſen/ Ein ander Laͤlius/ der muͤſſig nie geweſen/ Und deſſen wuͤrdig Haupt die Buͤrger-Cron verdient/ Und daß ſein Name ſtets in unſren Seelen gruͤnt. So viel Vollkommenheit/ ſo hoch- und edle Gaben/ Die koͤnnen fuͤr den Tod kein frey Geleite haben. Das Auge ſchlaͤfft jetzt ein/ ſo fuͤr uns hat gewacht/ Der Kopff iſt ohne Rath der allem nachgedacht/ Die Zunge kan nicht mehr das Recht Partheyen ſprechen/ Die Ohren horen nicht der Armen ihr Gebrechen/ Die Haͤnde ſchlieſſen nicht die Freunde ferner ein. Kurtz/ ſo viel Schaͤtze deckt der ſtumme Leichen-Stein. Wiewol ſein Nachruhm lebt/ der giebt der Welt zuleſen/ Daß er ein Scipio bey unſrer Stadt geweſen. Letzter

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/551>, abgerufen am 23.11.2024.