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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Und hat das reine Kleid der Unschuld angezogen/
Das Perlen übertrifft und Lilgen trutzen kan.
Er ist nun ein Smaragd in jenen Friedens-Mauren
Wo GOttes Leuchte scheint und Sonn und Monden fliehn.
Dieweil ihm war bekand/ daß gar kein Stein kan tauren/
So wolt er seinen Glantz gar bald der Welt entziehn.
Wie letzlich der Smaragd uns zum Gedächtnüß dienet/
So wird ihr liebster Sohn auch unvergessen seyn/
Er hat/ Wohl-Edle Frau im Tugend-Blitz gegrünet/
Die legt ihm von Smaragd den schönsten Leichen-Stein.
Trost-Zeilen an die Fr. Wittib
Bey Beerdigung Hn. G. M. den 19.
Decembr. 1677.
WEnn jetzt zwey Palmen stehn mit Lieb-vereinten Zweige
Und Blüt und Liebligkeit auff allen Blättern lacht;
Und drauff des Wetters-Straal wird einen niederbeu-
gen/

Und ihm das grüne Haar versengt und dünne macht:
So fängt die andre an aus Beyleid zuerblassen/
Jhr laubicht Gipffel hängt/ die Zweige schlaffen ein/
Ja sie wird so ein Bild des Traurens blicken lassen
Daß man bekennen muß/ daß sie vermählte seyn.
So auch die Anemon' in ihrem Purpur-Kleide/
Alsbald ihr Aug und Licht die göldne Sonne sinckt/
Wirfft allen Zierath weg/ und gehet wie im Leide/
Wenn sie den Thau der Nacht als Thränen in sich trinckt.
Nicht anders/ werthste Frau/ ist ihr auch jetzt zu muthe/
Nachdem der Liebste muß den Weg des Fleisches gehn/
Jhr Auge schwimmt in Fluth/ ihr Hertz in heissem Blute
Und man sieht umb sie rumb viel nasse Zeugen stehn.
Die Turtel-Taube kan den Gatten nicht so klagen
Als sie itzt ihren Schatz und ander Hertz betraurt.
Jhr Sonnen-Schein ist hin/ sie sieht bey Winter-Tagen
Sich nur mit Einsamkeit und banger Furcht ummaurt.
Gleicht sie nicht dem Corall/ der in gesaltznen Thränen
Des Meeres wilder Fluth sein eintzig Wachsthum hat?
Mach nicht das innre Weh/ und wiederholte Sehnen
Die Leibes-Kräfft schwach/ die Lebens-Geister mat?
Gemei-
Leichen-Gedichte.
Und hat das reine Kleid der Unſchuld angezogen/
Das Perlen uͤbertrifft und Lilgen trutzen kan.
Er iſt nun ein Smaragd in jenen Friedens-Mauren
Wo GOttes Leuchte ſcheint und Sonn und Monden fliehn.
Dieweil ihm war bekand/ daß gar kein Stein kan tauren/
So wolt er ſeinen Glantz gar bald der Welt entziehn.
Wie letzlich der Smaragd uns zum Gedaͤchtnuͤß dienet/
So wird ihr liebſter Sohn auch unvergeſſen ſeyn/
Er hat/ Wohl-Edle Frau im Tugend-Blitz gegruͤnet/
Die legt ihm von Smaragd den ſchoͤnſten Leichen-Stein.
Troſt-Zeilen an die Fr. Wittib
Bey Beerdigung Hn. G. M. den 19.
Decembr. 1677.
WEnn jetzt zwey Palmen ſtehn mit Lieb-vereinten Zweigē
Und Bluͤt und Liebligkeit auff allen Blaͤttern lacht;
Und drauff des Wetters-Straal wird einen niederbeu-
gen/

Und ihm das gruͤne Haar verſengt und duͤnne macht:
So faͤngt die andre an aus Beyleid zuerblaſſen/
Jhr laubicht Gipffel haͤngt/ die Zweige ſchlaffen ein/
Ja ſie wird ſo ein Bild des Traurens blicken laſſen
Daß man bekennen muß/ daß ſie vermaͤhlte ſeyn.
So auch die Anemon’ in ihrem Purpur-Kleide/
Alsbald ihr Aug und Licht die goͤldne Sonne ſinckt/
Wirfft allen Zierath weg/ und gehet wie im Leide/
Wenn ſie den Thau der Nacht als Thraͤnen in ſich trinckt.
Nicht anders/ werthſte Frau/ iſt ihr auch jetzt zu muthe/
Nachdem der Liebſte muß den Weg des Fleiſches gehn/
Jhr Auge ſchwimmt in Fluth/ ihr Hertz in heiſſem Blute
Und man ſieht umb ſie rumb viel naſſe Zeugen ſtehn.
Die Turtel-Taube kan den Gatten nicht ſo klagen
Als ſie itzt ihren Schatz und ander Hertz betraurt.
Jhr Sonnen-Schein iſt hin/ ſie ſieht bey Winter-Tagen
Sich nur mit Einſamkeit und banger Furcht ummaurt.
Gleicht ſie nicht dem Corall/ der in geſaltznen Thraͤnen
Des Meeres wilder Fluth ſein eintzig Wachsthum hat?
Mach nicht das innre Weh/ und wiederholte Sehnen
Die Leibes-Kraͤfft ſchwach/ die Lebens-Geiſter mat?
Gemei-
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[308/0540] Leichen-Gedichte. Und hat das reine Kleid der Unſchuld angezogen/ Das Perlen uͤbertrifft und Lilgen trutzen kan. Er iſt nun ein Smaragd in jenen Friedens-Mauren Wo GOttes Leuchte ſcheint und Sonn und Monden fliehn. Dieweil ihm war bekand/ daß gar kein Stein kan tauren/ So wolt er ſeinen Glantz gar bald der Welt entziehn. Wie letzlich der Smaragd uns zum Gedaͤchtnuͤß dienet/ So wird ihr liebſter Sohn auch unvergeſſen ſeyn/ Er hat/ Wohl-Edle Frau im Tugend-Blitz gegruͤnet/ Die legt ihm von Smaragd den ſchoͤnſten Leichen-Stein. Troſt-Zeilen an die Fr. Wittib Bey Beerdigung Hn. G. M. den 19. Decembr. 1677. WEnn jetzt zwey Palmen ſtehn mit Lieb-vereinten Zweigē Und Bluͤt und Liebligkeit auff allen Blaͤttern lacht; Und drauff des Wetters-Straal wird einen niederbeu- gen/ Und ihm das gruͤne Haar verſengt und duͤnne macht: So faͤngt die andre an aus Beyleid zuerblaſſen/ Jhr laubicht Gipffel haͤngt/ die Zweige ſchlaffen ein/ Ja ſie wird ſo ein Bild des Traurens blicken laſſen Daß man bekennen muß/ daß ſie vermaͤhlte ſeyn. So auch die Anemon’ in ihrem Purpur-Kleide/ Alsbald ihr Aug und Licht die goͤldne Sonne ſinckt/ Wirfft allen Zierath weg/ und gehet wie im Leide/ Wenn ſie den Thau der Nacht als Thraͤnen in ſich trinckt. Nicht anders/ werthſte Frau/ iſt ihr auch jetzt zu muthe/ Nachdem der Liebſte muß den Weg des Fleiſches gehn/ Jhr Auge ſchwimmt in Fluth/ ihr Hertz in heiſſem Blute Und man ſieht umb ſie rumb viel naſſe Zeugen ſtehn. Die Turtel-Taube kan den Gatten nicht ſo klagen Als ſie itzt ihren Schatz und ander Hertz betraurt. Jhr Sonnen-Schein iſt hin/ ſie ſieht bey Winter-Tagen Sich nur mit Einſamkeit und banger Furcht ummaurt. Gleicht ſie nicht dem Corall/ der in geſaltznen Thraͤnen Des Meeres wilder Fluth ſein eintzig Wachsthum hat? Mach nicht das innre Weh/ und wiederholte Sehnen Die Leibes-Kraͤfft ſchwach/ die Lebens-Geiſter mat? Gemei-

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/540>, abgerufen am 22.11.2024.