Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Die Engel locken sie zu neuen Sieges-Liedern;Daß ihr beflammter Mund ein Halleluja singt. Was traurt ihr Eltern denn/ daß ihr den Rest von Gliedern Der alten Mutter-Schoß der Erden wiederbringt? Auch diß verweste Fleisch wird dermaleinsten grünen/ Und der Unsterbligkeit verklärtes Bildnüß seyn. Ehrt jetzt der Tochter Grab mit Nelcken und Jeßminen/ Und stört durch Klagen nicht die ruhigen Gebein. Es stehn die Gratien bemüht den Sarck zu schmücken/ Jedwede trägt ein Kraut zum Angedencken bey. Euphrosyne wil ihr den Ehren-Preiß abpflücken/ Weil ihrer Tugend-Ruhm zu preisen würdig sey. Thalia suchet ihr das Tausendschön zu schencken/ Nun sie für allem Schmuck des Himmels Schönheit ziert. Aglaja/ ihrer noch unendlich zugedencken/ Hat den Vergiß mein nicht mit in die Reyh geführt. Das andre Nymfen-Volck bricht frische Roßmarinen/ Und was an Vorrath noch der Sommer übrig hat/ Aus treuer Lieb und Pflicht das Grab-Mahl zu bedienen/ Der freyen Freyerin gewünschte Ruhestatt. Wol dem! der zeitlich kan der Dienstbarkeit entrinnen/ Und aus dem Dränger-Stall und Marter-Hause fliehn. Last/ Eltern/ weiter nicht die bittern Zähren rinnen/ Den allgemeinen Weg muß jedes von uns ziehn. Jch weiß/ wenn sich der Zug der Regungen wird legen/ Daß euer Zunge spricht: Dem Kind ist wol geschehn. Man kan des Höchsten Rath durch grübeln nicht erwegen/ Die sind am seeligsten/ die glauben und nicht sehn. Die biß in Tod treu-beständige Liebe/ ALs Seneca das Licht und Wunder kluger Sinnen/Bey Beerdigung Fr. R. v. A. g. B. entworf- fen den 13. Septembr. 1676. Der Weißheit Jnbegrieff/ der Wissenschafften Ziel/ Nachdem der Blut-Tyrann nicht ärger wüten können/ Auch in sein' Ungenad und Halsgerichte fiel/ Und must auffs Käisers Wort die Adern ihm zerschneiden/ Ließ die Paulina da ein herrlich Beyspiel schaun. Ach! R r r 4
Leichen-Gedichte. Die Engel locken ſie zu neuen Sieges-Liedern;Daß ihr beflammter Mund ein Halleluja ſingt. Was traurt ihr Eltern denn/ daß ihr den Reſt von Gliedern Der alten Mutter-Schoß der Erden wiederbringt? Auch diß verweſte Fleiſch wird dermaleinſten gruͤnen/ Und der Unſterbligkeit verklaͤrtes Bildnuͤß ſeyn. Ehrt jetzt der Tochter Grab mit Nelcken und Jeßminen/ Und ſtoͤrt durch Klagen nicht die ruhigen Gebein. Es ſtehn die Gratien bemuͤht den Sarck zu ſchmuͤcken/ Jedwede traͤgt ein Kraut zum Angedencken bey. Euphroſyne wil ihr den Ehren-Preiß abpfluͤcken/ Weil ihrer Tugend-Ruhm zu preiſen wuͤrdig ſey. Thalia ſuchet ihr das Tauſendſchoͤn zu ſchencken/ Nun ſie fuͤr allem Schmuck des Himmels Schoͤnheit ziert. Aglaja/ ihrer noch unendlich zugedencken/ Hat den Vergiß mein nicht mit in die Reyh gefuͤhrt. Das andre Nymfen-Volck bricht friſche Roßmarinen/ Und was an Vorrath noch der Sommer uͤbrig hat/ Aus treuer Lieb und Pflicht das Grab-Mahl zu bedienen/ Der freyen Freyerin gewuͤnſchte Ruheſtatt. Wol dem! der zeitlich kan der Dienſtbarkeit entrinnen/ Und aus dem Draͤnger-Stall und Marter-Hauſe fliehn. Laſt/ Eltern/ weiter nicht die bittern Zaͤhren rinnen/ Den allgemeinen Weg muß jedes von uns ziehn. Jch weiß/ wenn ſich der Zug der Regungen wird legen/ Daß euer Zunge ſpricht: Dem Kind iſt wol geſchehn. Man kan des Hoͤchſten Rath durch gruͤbeln nicht erwegen/ Die ſind am ſeeligſten/ die glauben und nicht ſehn. Die biß in Tod treu-beſtaͤndige Liebe/ ALs Seneca das Licht und Wunder kluger Sinnen/Bey Beerdigung Fr. R. v. A. g. B. entworf- fen den 13. Septembr. 1676. Der Weißheit Jnbegrieff/ der Wiſſenſchafften Ziel/ Nachdem der Blut-Tyrann nicht aͤrger wuͤten koͤnnen/ Auch in ſein’ Ungenad und Halsgerichte fiel/ Und muſt auffs Kaͤiſers Wort die Adern ihm zerſchneiden/ Ließ die Paulina da ein herrlich Beyſpiel ſchaun. Ach! R r r 4
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Leichen-Gedichte.
Die Engel locken ſie zu neuen Sieges-Liedern;
Daß ihr beflammter Mund ein Halleluja ſingt.
Was traurt ihr Eltern denn/ daß ihr den Reſt von Gliedern
Der alten Mutter-Schoß der Erden wiederbringt?
Auch diß verweſte Fleiſch wird dermaleinſten gruͤnen/
Und der Unſterbligkeit verklaͤrtes Bildnuͤß ſeyn.
Ehrt jetzt der Tochter Grab mit Nelcken und Jeßminen/
Und ſtoͤrt durch Klagen nicht die ruhigen Gebein.
Es ſtehn die Gratien bemuͤht den Sarck zu ſchmuͤcken/
Jedwede traͤgt ein Kraut zum Angedencken bey.
Euphroſyne wil ihr den Ehren-Preiß abpfluͤcken/
Weil ihrer Tugend-Ruhm zu preiſen wuͤrdig ſey.
Thalia ſuchet ihr das Tauſendſchoͤn zu ſchencken/
Nun ſie fuͤr allem Schmuck des Himmels Schoͤnheit ziert.
Aglaja/ ihrer noch unendlich zugedencken/
Hat den Vergiß mein nicht mit in die Reyh gefuͤhrt.
Das andre Nymfen-Volck bricht friſche Roßmarinen/
Und was an Vorrath noch der Sommer uͤbrig hat/
Aus treuer Lieb und Pflicht das Grab-Mahl zu bedienen/
Der freyen Freyerin gewuͤnſchte Ruheſtatt.
Wol dem! der zeitlich kan der Dienſtbarkeit entrinnen/
Und aus dem Draͤnger-Stall und Marter-Hauſe fliehn.
Laſt/ Eltern/ weiter nicht die bittern Zaͤhren rinnen/
Den allgemeinen Weg muß jedes von uns ziehn.
Jch weiß/ wenn ſich der Zug der Regungen wird legen/
Daß euer Zunge ſpricht: Dem Kind iſt wol geſchehn.
Man kan des Hoͤchſten Rath durch gruͤbeln nicht erwegen/
Die ſind am ſeeligſten/ die glauben und nicht ſehn.
Die biß in Tod treu-beſtaͤndige Liebe/
Bey Beerdigung Fr. R. v. A. g. B. entworf-
fen den 13. Septembr. 1676.
ALs Seneca das Licht und Wunder kluger Sinnen/
Der Weißheit Jnbegrieff/ der Wiſſenſchafften Ziel/
Nachdem der Blut-Tyrann nicht aͤrger wuͤten koͤnnen/
Auch in ſein’ Ungenad und Halsgerichte fiel/
Und muſt auffs Kaͤiſers Wort die Adern ihm zerſchneiden/
Ließ die Paulina da ein herrlich Beyſpiel ſchaun.
Ach!
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