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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Der Neid sol mir den Spruch von meinem Stein nicht reissen:
Daß ein vernünfftig Weib hoch zu beklagen ist.
Jedoch der jene Glantz/ in dem ich hier geschienen/
Hab ich als Monden nur von seiner Sonn erlangt.
Diß ist mein höchster Ruhm/ nach seinem Wunsch zu dienen/
Und in Gehorsam hat mein treues Hertz geprangt.
Sol/ Hochgeliebtester/ diß nicht sein Leiden mindern?
Ach ja! Er trage nur/ was GOtt ihm aufferlegt.
Es wird sein Vater-Hertz die heissen Schmertzen lindern/
Das Wetter wenden ab/ so auff ihn plitzt und schlägt.
Sein Hochgelahrter Geist er mahne sich in Thränen/
Sein tieff gegründter Witz behalte hier das Maß.
Was einmal schlaffen geht erweckt kein ängstlich Sehnen/
Er machet nur umbsonst umb mich die Augen naß.
Jch schicke nichts ins Grab als eine Hand-voll Knochen/
So itzt die lange Nacht mit Schimmel überwebt/
Und dennoch/ ob mir schon die Augen hier gebrochen/
So schan ich GOtt doch an/ und mein Erlöser lebt.
Trost-Schreiben/
An Hn. F. K. d. R. in D. über das Absterten
seines Sohnes Hn. J. K. den 21. Au-
gust. 1676.
WJe soll/ Woledler Herr/ mein Blat ihn nicht er-
schrecken/

Das diese Botschafft bringt: der liebste Sohn ist
tod.

Jedwede Zeile wird nach Gall und Wermuth schmecken/
Und meine gantze Schrifft erfüllt nur Ach und Noth
So schlägt der Donner nicht mit ungeheuren Krachen
Und Schwefel-lichtem Blitz bey Vieh und Menschen ein/
Als diese Post sein Hertz itzt wird zu nichte machen/
Und ihn fast ohne Geist und Seele heissen seyn.
So wirfft ein Augenblick die gantze Hoffnung nieder/
Und aller Wünsche Zweck verkehrt des Todes Macht.
So sieht er seinen Trost der Jahre nicht mehr wieder/
Und deß Geschlechtes Stern sinckt in des Grabes Nacht.
Welch Stoicus kan hier die heissen Thränen hemmen/
Das Zoll Geld der Natur bey unsrer Sterbligkeit/
Und
Leichen-Gedichte.
Der Neid ſol mir den Spruch von meinem Stein nicht reiſſen:
Daß ein vernuͤnfftig Weib hoch zu beklagen iſt.
Jedoch der jene Glantz/ in dem ich hier geſchienen/
Hab ich als Monden nur von ſeiner Sonn erlangt.
Diß iſt mein hoͤchſter Ruhm/ nach ſeinem Wunſch zu dienen/
Und in Gehorſam hat mein treues Hertz geprangt.
Sol/ Hochgeliebteſter/ diß nicht ſein Leiden mindern?
Ach ja! Er trage nur/ was GOtt ihm aufferlegt.
Es wird ſein Vater-Hertz die heiſſen Schmertzen lindern/
Das Wetter wenden ab/ ſo auff ihn plitzt und ſchlaͤgt.
Sein Hochgelahrter Geiſt er mahne ſich in Thraͤnen/
Sein tieff gegruͤndter Witz behalte hier das Maß.
Was einmal ſchlaffen geht erweckt kein aͤngſtlich Sehnen/
Er machet nur umbſonſt umb mich die Augen naß.
Jch ſchicke nichts ins Grab als eine Hand-voll Knochen/
So itzt die lange Nacht mit Schimmel uͤberwebt/
Und dennoch/ ob mir ſchon die Augen hier gebrochen/
So ſchan ich GOtt doch an/ und mein Erloͤſer lebt.
Troſt-Schreiben/
An Hn. F. K. d. R. in D. uͤber das Abſterten
ſeines Sohnes Hn. J. K. den 21. Au-
guſt. 1676.
WJe ſoll/ Woledler Herꝛ/ mein Blat ihn nicht er-
ſchrecken/

Das dieſe Botſchafft bringt: der liebſte Sohn iſt
tod.

Jedwede Zeile wird nach Gall und Wermuth ſchmecken/
Und meine gantze Schrifft erfuͤllt nur Ach und Noth
So ſchlaͤgt der Donner nicht mit ungeheuren Krachen
Und Schwefel-lichtem Blitz bey Vieh und Menſchen ein/
Als dieſe Poſt ſein Hertz itzt wird zu nichte machen/
Und ihn faſt ohne Geiſt und Seele heiſſen ſeyn.
So wirfft ein Augenblick die gantze Hoffnung nieder/
Und aller Wuͤnſche Zweck verkehrt des Todes Macht.
So ſieht er ſeinen Troſt der Jahre nicht mehr wieder/
Und deß Geſchlechtes Stern ſinckt in des Grabes Nacht.
Welch Stoicus kan hier die heiſſen Thraͤnen hemmen/
Das Zoll Geld der Natur bey unſrer Sterbligkeit/
Und
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[552[255]/0487] Leichen-Gedichte. Der Neid ſol mir den Spruch von meinem Stein nicht reiſſen: Daß ein vernuͤnfftig Weib hoch zu beklagen iſt. Jedoch der jene Glantz/ in dem ich hier geſchienen/ Hab ich als Monden nur von ſeiner Sonn erlangt. Diß iſt mein hoͤchſter Ruhm/ nach ſeinem Wunſch zu dienen/ Und in Gehorſam hat mein treues Hertz geprangt. Sol/ Hochgeliebteſter/ diß nicht ſein Leiden mindern? Ach ja! Er trage nur/ was GOtt ihm aufferlegt. Es wird ſein Vater-Hertz die heiſſen Schmertzen lindern/ Das Wetter wenden ab/ ſo auff ihn plitzt und ſchlaͤgt. Sein Hochgelahrter Geiſt er mahne ſich in Thraͤnen/ Sein tieff gegruͤndter Witz behalte hier das Maß. Was einmal ſchlaffen geht erweckt kein aͤngſtlich Sehnen/ Er machet nur umbſonſt umb mich die Augen naß. Jch ſchicke nichts ins Grab als eine Hand-voll Knochen/ So itzt die lange Nacht mit Schimmel uͤberwebt/ Und dennoch/ ob mir ſchon die Augen hier gebrochen/ So ſchan ich GOtt doch an/ und mein Erloͤſer lebt. Troſt-Schreiben/ An Hn. F. K. d. R. in D. uͤber das Abſterten ſeines Sohnes Hn. J. K. den 21. Au- guſt. 1676. WJe ſoll/ Woledler Herꝛ/ mein Blat ihn nicht er- ſchrecken/ Das dieſe Botſchafft bringt: der liebſte Sohn iſt tod. Jedwede Zeile wird nach Gall und Wermuth ſchmecken/ Und meine gantze Schrifft erfuͤllt nur Ach und Noth So ſchlaͤgt der Donner nicht mit ungeheuren Krachen Und Schwefel-lichtem Blitz bey Vieh und Menſchen ein/ Als dieſe Poſt ſein Hertz itzt wird zu nichte machen/ Und ihn faſt ohne Geiſt und Seele heiſſen ſeyn. So wirfft ein Augenblick die gantze Hoffnung nieder/ Und aller Wuͤnſche Zweck verkehrt des Todes Macht. So ſieht er ſeinen Troſt der Jahre nicht mehr wieder/ Und deß Geſchlechtes Stern ſinckt in des Grabes Nacht. Welch Stoicus kan hier die heiſſen Thraͤnen hemmen/ Das Zoll Geld der Natur bey unſrer Sterbligkeit/ Und

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 552[255]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/487>, abgerufen am 22.11.2024.