Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Hochzeit-Gedichte. Der gefrorne Cupido/ DEr kleine Liebes-Gott der stets gewohnt zu siegen/Bey Hn. J. W. B. u. Jungf. C. A. A. Hochzeit/ den 7. Febr. 1679. Der jede Stunde was von Raub und Beuthe zehlt/ Und dessen güldner Pfeil kein Hertze hat verfehlt/ Ließ auch den Köcher nicht im Winter müssig liegen: Er schwung sich wie er pflegt gewaffnet in die Höh/ Und lachte trotzig auß deß Himmels Frost und Schnee. Es war das albre Kind kaum durch die Lufft gedrungen/ Als voller Flocken hieng das aufgekrauste Haar. Es fuhr durch seinen Leib der grimme Februar/ So daß im Augenblick der Glieder Wachs zersprungen. Er starrt als wie Metall/ ist durch und durch beeist/ Und sincket auß der Lufft gantz ohne Seel und Geist. Er lag da in dem Schnee ein Raub der wilden Thiere. Nicht einer nahm sich mehr von Göttern seiner an. Sie sprachen/ der uns hat viel Schalckheit angethan/ Jst würdig daß er auch sein Leben so verliere. Es tödt' ihn Kält und Frost und der erboste Nord/ Vollziehe wie er sol den wolverdienten Mord. Jndeß kommt Celadon gefahren auffdem Schlitten/ Der so geraume Zeit in Einsamkeit gelebt/ Und mit bedachtem Muth den Flammen widerstrebt/ Daß sein getreues Hertz nicht irgend Glut erlitten. Er siehet recht bestürtzt den Knaben hingestreckt/ Und wie sonst nichts als Schnee die zarte Blösse deckt. Dann naht er sich herzu und zwar nicht ohn' erbarmen/ Es schien die Göttligkeit auch unterm Frost herfür. Er lobte die Gestalt und Engel-gleiche Zier/ Schloß endlich bey sich selbst. Verlaß ich nun den Armen/ So fürcht ich Venus Zorn. Der Glieder Helffen/ Bein Zeugt/ daß er muß ein Sohn der grossen Göttin seyn. Er nimmt ihn zu sich ein/ kein Leben war zufinden. Der schöne Purpur-Mund sah als wie Kreide bleich/ Das Haar hieng voller Eiß so vor wie Wolle weich/ Es weiß nicht Celadon die Ursach zuergründen/ Begehrt nur wohl zuthun und reiset ferner hin/ Biß daß er kan zu Brig nach seinem Wunsch einziehn. So
Hochzeit-Gedichte. Der gefrorne Cupido/ DEr kleine Liebes-Gott der ſtets gewohnt zu ſiegen/Bey Hn. J. W. B. u. Jungf. C. A. A. Hochzeit/ den 7. Febr. 1679. Der jede Stunde was von Raub und Beuthe zehlt/ Und deſſen guͤldner Pfeil kein Hertze hat verfehlt/ Ließ auch den Koͤcher nicht im Winter muͤſſig liegen: Er ſchwung ſich wie er pflegt gewaffnet in die Hoͤh/ Und lachte trotzig auß deß Himmels Froſt und Schnee. Es war das albre Kind kaum durch die Lufft gedrungen/ Als voller Flocken hieng das aufgekrauſte Haar. Es fuhr durch ſeinen Leib der grimme Februar/ So daß im Augenblick der Glieder Wachs zerſprungen. Er ſtarrt als wie Metall/ iſt durch und durch beeiſt/ Und ſincket auß der Lufft gantz ohne Seel und Geiſt. Er lag da in dem Schnee ein Raub der wilden Thiere. Nicht einer nahm ſich mehr von Goͤttern ſeiner an. Sie ſprachen/ der uns hat viel Schalckheit angethan/ Jſt wuͤrdig daß er auch ſein Leben ſo verliere. Es toͤdt’ ihn Kaͤlt und Froſt und der erboſte Nord/ Vollziehe wie er ſol den wolverdienten Mord. Jndeß kommt Celadon gefahren auffdem Schlitten/ Der ſo geraume Zeit in Einſamkeit gelebt/ Und mit bedachtem Muth den Flammen widerſtrebt/ Daß ſein getreues Hertz nicht irgend Glut erlitten. Er ſiehet recht beſtuͤrtzt den Knaben hingeſtreckt/ Und wie ſonſt nichts als Schnee die zarte Bloͤſſe deckt. Dann naht er ſich herzu und zwar nicht ohn’ erbarmen/ Es ſchien die Goͤttligkeit auch unterm Froſt herfuͤr. Er lobte die Geſtalt und Engel-gleiche Zier/ Schloß endlich bey ſich ſelbſt. Verlaß ich nun den Armen/ So fuͤrcht ich Venus Zorn. Der Glieder Helffen/ Bein Zeugt/ daß er muß ein Sohn der groſſen Goͤttin ſeyn. Er nimmt ihn zu ſich ein/ kein Leben war zufinden. Der ſchoͤne Purpur-Mund ſah als wie Kreide bleich/ Das Haar hieng voller Eiß ſo vor wie Wolle weich/ Es weiß nicht Celadon die Urſach zuergruͤnden/ Begehrt nur wohl zuthun und reiſet ferner hin/ Biß daß er kan zu Brig nach ſeinem Wunſch einziehn. So
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Hochzeit-Gedichte.
Der gefrorne Cupido/
Bey Hn. J. W. B. u. Jungf. C. A. A.
Hochzeit/ den 7. Febr. 1679.
DEr kleine Liebes-Gott der ſtets gewohnt zu ſiegen/
Der jede Stunde was von Raub und Beuthe zehlt/
Und deſſen guͤldner Pfeil kein Hertze hat verfehlt/
Ließ auch den Koͤcher nicht im Winter muͤſſig liegen:
Er ſchwung ſich wie er pflegt gewaffnet in die Hoͤh/
Und lachte trotzig auß deß Himmels Froſt und Schnee.
Es war das albre Kind kaum durch die Lufft gedrungen/
Als voller Flocken hieng das aufgekrauſte Haar.
Es fuhr durch ſeinen Leib der grimme Februar/
So daß im Augenblick der Glieder Wachs zerſprungen.
Er ſtarrt als wie Metall/ iſt durch und durch beeiſt/
Und ſincket auß der Lufft gantz ohne Seel und Geiſt.
Er lag da in dem Schnee ein Raub der wilden Thiere.
Nicht einer nahm ſich mehr von Goͤttern ſeiner an.
Sie ſprachen/ der uns hat viel Schalckheit angethan/
Jſt wuͤrdig daß er auch ſein Leben ſo verliere.
Es toͤdt’ ihn Kaͤlt und Froſt und der erboſte Nord/
Vollziehe wie er ſol den wolverdienten Mord.
Jndeß kommt Celadon gefahren auffdem Schlitten/
Der ſo geraume Zeit in Einſamkeit gelebt/
Und mit bedachtem Muth den Flammen widerſtrebt/
Daß ſein getreues Hertz nicht irgend Glut erlitten.
Er ſiehet recht beſtuͤrtzt den Knaben hingeſtreckt/
Und wie ſonſt nichts als Schnee die zarte Bloͤſſe deckt.
Dann naht er ſich herzu und zwar nicht ohn’ erbarmen/
Es ſchien die Goͤttligkeit auch unterm Froſt herfuͤr.
Er lobte die Geſtalt und Engel-gleiche Zier/
Schloß endlich bey ſich ſelbſt. Verlaß ich nun den Armen/
So fuͤrcht ich Venus Zorn. Der Glieder Helffen/ Bein
Zeugt/ daß er muß ein Sohn der groſſen Goͤttin ſeyn.
Er nimmt ihn zu ſich ein/ kein Leben war zufinden.
Der ſchoͤne Purpur-Mund ſah als wie Kreide bleich/
Das Haar hieng voller Eiß ſo vor wie Wolle weich/
Es weiß nicht Celadon die Urſach zuergruͤnden/
Begehrt nur wohl zuthun und reiſet ferner hin/
Biß daß er kan zu Brig nach ſeinem Wunſch einziehn.
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