Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Hochzeit-Gedichte. Mit so viel Lichtern ist der Himmel nicht gemahlt/Wenn seiner Fackeln Reyh die braune Nacht bestrahlt. Es bließ der Westen-Wind auch gleichsam Biesem-Lüsste/ Den schönen Gästen zu/ und spielt' umb ihre Brust. Das Geister-reiche Blut vermahnte sie zur Lust/ Weil ja der holde May nichts als nur Freuden stiffte. Sie schertzten hocherfreut/ der Gänge Labyrinth Den sonst kein Dädalus kunst-artlicher erfindt/ Lockt' ferner ihren Fuß in eine grüne Höle/ Die oben rund gewölbt fast wie ein Tempel schien: Basille will zurück auß Furcht und Schrecken fliehn/ Und sprach: Weicht/ Schwestern weicht/ es kostet eure Seele. Denckt/ daß Proserpina vom Pluto ward geraubt/ Als sie hatt' allzuviel der Felder Lust geglaubt: Nein/ sprach der Nymfen Volck/ wir müssen weiter schauen/ Was vor Geheimnüß doch in dieser stillen Schoß/ Der Klee-durchwürckte Platz/ der lebhafft grüne Mooß/ Befehlen uns allhier ein Wohnhaus aufzubauen. Sie treten kaum hinein/ als die gefrorne. Grufft Die springende Fontain stöst in die freye Lufft/ Und ein behäglich Bad zur ersten Ankunfft schencket. Es nimmt Verwunderung die zarten Seelen ein/ Wie Fluthen in Crystall/ und in dem Marmorstein/ So ein verborgner Brunn doch müsse seyn gesencket. Bald hat ein künstlich Felß ihr schönes Aug ergetzt/ Wie umb denselben sich die Muscheln angesetzt/ Bald wie ein gläsern Meer sich in den Spiegeln zeigte/ Bald wie an einer Klipp hing ein Corallen-Ast/ Bald wie in Ritze lag zersprengt der Alabast/ Und sein gantz steinern Haupt biß in den Abgrund neigte. Je mehr der Vorwitz sie hieß diesen Ort besehn/ Jst durch Cupidens List was seltzames geschehn; Es kommt der kleine Schalck anmuthig von Geberden/ Holdselig von Gesicht/ geflügelt mit Geschoß/ Gewafnet/ wie er pflegt/ im übrigen sonst bloß/ Und rief: Läst Paphie mich so glückselig werden: Daß ihr O Schönste noch mein kaltes Hauß besucht/ Die ihr den Lieb-Reitz sonst wol tausendmal verflucht/ Be- E e 5
Hochzeit-Gedichte. Mit ſo viel Lichtern iſt der Himmel nicht gemahlt/Wenn ſeiner Fackeln Reyh die braune Nacht beſtrahlt. Es bließ der Weſten-Wind auch gleichſam Bieſem-Luͤſſte/ Den ſchoͤnen Gaͤſten zu/ und ſpielt’ umb ihre Bruſt. Das Geiſter-reiche Blut vermahnte ſie zur Luſt/ Weil ja der holde May nichts als nur Freuden ſtiffte. Sie ſchertzten hocherfreut/ der Gaͤnge Labyrinth Den ſonſt kein Daͤdalus kunſt-artlicher erfindt/ Lockt’ ferner ihren Fuß in eine gruͤne Hoͤle/ Die oben rund gewoͤlbt faſt wie ein Tempel ſchien: Baſille will zuruͤck auß Furcht und Schrecken fliehn/ Und ſprach: Weicht/ Schweſtern weicht/ es koſtet eure Seele. Denckt/ daß Proſerpina vom Pluto ward geraubt/ Als ſie hatt’ allzuviel der Felder Luſt geglaubt: Nein/ ſprach der Nymfen Volck/ wir muͤſſen weiter ſchauen/ Was vor Geheimnuͤß doch in dieſer ſtillen Schoß/ Der Klee-durchwuͤrckte Platz/ der lebhafft gruͤne Mooß/ Befehlen uns allhier ein Wohnhaus aufzubauen. Sie treten kaum hinein/ als die gefrorne. Grufft Die ſpringende Fontain ſtoͤſt in die freye Lufft/ Und ein behaͤglich Bad zur erſten Ankunfft ſchencket. Es nimmt Verwunderung die zarten Seelen ein/ Wie Fluthen in Cryſtall/ und in dem Marmorſtein/ So ein verborgner Brunn doch muͤſſe ſeyn geſencket. Bald hat ein kuͤnſtlich Felß ihr ſchoͤnes Aug ergetzt/ Wie umb denſelben ſich die Muſcheln angeſetzt/ Bald wie ein glaͤſern Meer ſich in den Spiegeln zeigte/ Bald wie an einer Klipp hing ein Corallen-Aſt/ Bald wie in Ritze lag zerſprengt der Alabaſt/ Und ſein gantz ſteinern Haupt biß in den Abgrund neigte. Je mehr der Vorwitz ſie hieß dieſen Ort beſehn/ Jſt durch Cupidens Liſt was ſeltzames geſchehn; Es kommt der kleine Schalck anmuthig von Geberden/ Holdſelig von Geſicht/ gefluͤgelt mit Geſchoß/ Gewafnet/ wie er pflegt/ im uͤbrigen ſonſt bloß/ Und rief: Laͤſt Paphie mich ſo gluͤckſelig werden: Daß ihr O Schoͤnſte noch mein kaltes Hauß beſucht/ Die ihr den Lieb-Reitz ſonſt wol tauſendmal verflucht/ Be- E e 5
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Hochzeit-Gedichte.
Mit ſo viel Lichtern iſt der Himmel nicht gemahlt/
Wenn ſeiner Fackeln Reyh die braune Nacht beſtrahlt.
Es bließ der Weſten-Wind auch gleichſam Bieſem-Luͤſſte/
Den ſchoͤnen Gaͤſten zu/ und ſpielt’ umb ihre Bruſt.
Das Geiſter-reiche Blut vermahnte ſie zur Luſt/
Weil ja der holde May nichts als nur Freuden ſtiffte.
Sie ſchertzten hocherfreut/ der Gaͤnge Labyrinth
Den ſonſt kein Daͤdalus kunſt-artlicher erfindt/
Lockt’ ferner ihren Fuß in eine gruͤne Hoͤle/
Die oben rund gewoͤlbt faſt wie ein Tempel ſchien:
Baſille will zuruͤck auß Furcht und Schrecken fliehn/
Und ſprach: Weicht/ Schweſtern weicht/ es koſtet eure Seele.
Denckt/ daß Proſerpina vom Pluto ward geraubt/
Als ſie hatt’ allzuviel der Felder Luſt geglaubt:
Nein/ ſprach der Nymfen Volck/ wir muͤſſen weiter ſchauen/
Was vor Geheimnuͤß doch in dieſer ſtillen Schoß/
Der Klee-durchwuͤrckte Platz/ der lebhafft gruͤne Mooß/
Befehlen uns allhier ein Wohnhaus aufzubauen.
Sie treten kaum hinein/ als die gefrorne. Grufft
Die ſpringende Fontain ſtoͤſt in die freye Lufft/
Und ein behaͤglich Bad zur erſten Ankunfft ſchencket.
Es nimmt Verwunderung die zarten Seelen ein/
Wie Fluthen in Cryſtall/ und in dem Marmorſtein/
So ein verborgner Brunn doch muͤſſe ſeyn geſencket.
Bald hat ein kuͤnſtlich Felß ihr ſchoͤnes Aug ergetzt/
Wie umb denſelben ſich die Muſcheln angeſetzt/
Bald wie ein glaͤſern Meer ſich in den Spiegeln zeigte/
Bald wie an einer Klipp hing ein Corallen-Aſt/
Bald wie in Ritze lag zerſprengt der Alabaſt/
Und ſein gantz ſteinern Haupt biß in den Abgrund neigte.
Je mehr der Vorwitz ſie hieß dieſen Ort beſehn/
Jſt durch Cupidens Liſt was ſeltzames geſchehn;
Es kommt der kleine Schalck anmuthig von Geberden/
Holdſelig von Geſicht/ gefluͤgelt mit Geſchoß/
Gewafnet/ wie er pflegt/ im uͤbrigen ſonſt bloß/
Und rief: Laͤſt Paphie mich ſo gluͤckſelig werden:
Daß ihr O Schoͤnſte noch mein kaltes Hauß beſucht/
Die ihr den Lieb-Reitz ſonſt wol tauſendmal verflucht/
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Zitationshilfe: | Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/147>, abgerufen am 24.07.2024. |