Mügge, Theodor: Am Malanger Fjord. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–176. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Du hast mich nicht gestört, erwiderte sie. Ich wachte, weil ich immer an dich denken mußte, und als deine Geige zuerst aus den Birkenbüschen klang, stand ich hinter meinem Fenster und erwartete dich. Olaf führte sie zu der Bank, und Beide setzten sich dort. Er hielt ihre Hände in den seinen und sprach mit ihr dicht Ohr an Ohr so leise, daß Stureson lange nur Weniges und Unzusammenhängendes verstehen konnte. Zuweilen glaubte er seinen Namen zu hören, zuweilen leises Bitten und Seufzen, tröstende und widerlegende Betheuerungen. Er gab sich die größte Mühe, um aufmerksam zu lauschen, und immer wilder kochte sein Blut, immer glühender wurden die würgenden Blicke, welche er auf den verwegenen, elenden Lappen heftete. Er ballte seine Fäuste zusammen und preßte sie gewaltsam an seinen Mund, um sich zum Schweigen zu zwingen. Jetzt aber stand Olaf auf und rief im bitteren Schmerze, indem er das Haar von seiner Stirne strich: Hier steht es, hier steht es, theure Mary! Mag Nacht die Erde decken, mag Sonne und Mond scheinen, sie sehen es immer die grausamen Menschen. Was habe ich ihnen gethan? Was treibt sie dazu? Daß ich der Sohn eines verachteten Volkes bin, das sie vertrieben, beraubt und elend gemacht haben, das sie täglich mit Füßen treten, verhöhnen und mißhandeln, -- alles das ist ihnen nicht genug. Was ich thun mag, um gut zu sein, wie ich streben mag Du hast mich nicht gestört, erwiderte sie. Ich wachte, weil ich immer an dich denken mußte, und als deine Geige zuerst aus den Birkenbüschen klang, stand ich hinter meinem Fenster und erwartete dich. Olaf führte sie zu der Bank, und Beide setzten sich dort. Er hielt ihre Hände in den seinen und sprach mit ihr dicht Ohr an Ohr so leise, daß Stureson lange nur Weniges und Unzusammenhängendes verstehen konnte. Zuweilen glaubte er seinen Namen zu hören, zuweilen leises Bitten und Seufzen, tröstende und widerlegende Betheuerungen. Er gab sich die größte Mühe, um aufmerksam zu lauschen, und immer wilder kochte sein Blut, immer glühender wurden die würgenden Blicke, welche er auf den verwegenen, elenden Lappen heftete. Er ballte seine Fäuste zusammen und preßte sie gewaltsam an seinen Mund, um sich zum Schweigen zu zwingen. Jetzt aber stand Olaf auf und rief im bitteren Schmerze, indem er das Haar von seiner Stirne strich: Hier steht es, hier steht es, theure Mary! Mag Nacht die Erde decken, mag Sonne und Mond scheinen, sie sehen es immer die grausamen Menschen. Was habe ich ihnen gethan? Was treibt sie dazu? Daß ich der Sohn eines verachteten Volkes bin, das sie vertrieben, beraubt und elend gemacht haben, das sie täglich mit Füßen treten, verhöhnen und mißhandeln, — alles das ist ihnen nicht genug. Was ich thun mag, um gut zu sein, wie ich streben mag <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <pb facs="#f0088"/> <p>Du hast mich nicht gestört, erwiderte sie. Ich wachte, weil ich immer an dich denken mußte, und als deine Geige zuerst aus den Birkenbüschen klang, stand ich hinter meinem Fenster und erwartete dich. </p><lb/> <p> Olaf führte sie zu der Bank, und Beide setzten sich dort. Er hielt ihre Hände in den seinen und sprach mit ihr dicht Ohr an Ohr so leise, daß Stureson lange nur Weniges und Unzusammenhängendes verstehen konnte. Zuweilen glaubte er seinen Namen zu hören, zuweilen leises Bitten und Seufzen, tröstende und widerlegende Betheuerungen. Er gab sich die größte Mühe, um aufmerksam zu lauschen, und immer wilder kochte sein Blut, immer glühender wurden die würgenden Blicke, welche er auf den verwegenen, elenden Lappen heftete. Er ballte seine Fäuste zusammen und preßte sie gewaltsam an seinen Mund, um sich zum Schweigen zu zwingen. </p><lb/> <p> Jetzt aber stand Olaf auf und rief im bitteren Schmerze, indem er das Haar von seiner Stirne strich: Hier steht es, hier steht es, theure Mary! Mag Nacht die Erde decken, mag Sonne und Mond scheinen, sie sehen es immer die grausamen Menschen. Was habe ich ihnen gethan? Was treibt sie dazu? Daß ich der Sohn eines verachteten Volkes bin, das sie vertrieben, beraubt und elend gemacht haben, das sie täglich mit Füßen treten, verhöhnen und mißhandeln, — alles das ist ihnen nicht genug. Was ich thun mag, um gut zu sein, wie ich streben mag<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0088]
Du hast mich nicht gestört, erwiderte sie. Ich wachte, weil ich immer an dich denken mußte, und als deine Geige zuerst aus den Birkenbüschen klang, stand ich hinter meinem Fenster und erwartete dich.
Olaf führte sie zu der Bank, und Beide setzten sich dort. Er hielt ihre Hände in den seinen und sprach mit ihr dicht Ohr an Ohr so leise, daß Stureson lange nur Weniges und Unzusammenhängendes verstehen konnte. Zuweilen glaubte er seinen Namen zu hören, zuweilen leises Bitten und Seufzen, tröstende und widerlegende Betheuerungen. Er gab sich die größte Mühe, um aufmerksam zu lauschen, und immer wilder kochte sein Blut, immer glühender wurden die würgenden Blicke, welche er auf den verwegenen, elenden Lappen heftete. Er ballte seine Fäuste zusammen und preßte sie gewaltsam an seinen Mund, um sich zum Schweigen zu zwingen.
Jetzt aber stand Olaf auf und rief im bitteren Schmerze, indem er das Haar von seiner Stirne strich: Hier steht es, hier steht es, theure Mary! Mag Nacht die Erde decken, mag Sonne und Mond scheinen, sie sehen es immer die grausamen Menschen. Was habe ich ihnen gethan? Was treibt sie dazu? Daß ich der Sohn eines verachteten Volkes bin, das sie vertrieben, beraubt und elend gemacht haben, das sie täglich mit Füßen treten, verhöhnen und mißhandeln, — alles das ist ihnen nicht genug. Was ich thun mag, um gut zu sein, wie ich streben mag
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Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
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