Mügge, Theodor: Am Malanger Fjord. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–176. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.stand diese auf der Höhe, und dicht zu ihren Füßen lag der Grund, in welchem Olaf's Haus erbaut war. Der Landrichter merkte, daß ihn seine Führerin wohl nicht ganz absichtslos mittelst eines Umweges hierher' gebracht hatte. Wir sollen also durchaus dem Hexenmeister einen Besuch machen? sagte er. Ich will Sie zu Olaf führen, erwiderte sie, damit Sie selbst sehen, welch Lügner und Verleumder dieser Colonist ist. Ich glaube dem kleinen Kerl auch nichts, sagte Stureson, aber immer bleibt es merkwürdig, daß dieser tugendhafte Schulmeister, der, wie Sie sagen, Allen Gutes und Liebes erweis't, bei seinen eigenen Landsleuten so vielen Haß und Widerwillen erregen kann. Der arme Olaf! rief Mary. Bei den Normännern hilft es ihm nichts, sanft, gut und verständig zu sein, denn er ist ein Lappe; bei den Lappen aber gelten seine Kenntnisse und sein besseres Wesen nichts, denn er hat sich von ihnen getrennt, ist ein Knecht der Herren des Landes geworden und hat das Kleid der Freiheit ausgezogen. Stureson betrachtete scharf ihr Gesicht, das mit Mitleid erfüllt war. -- Bei alledem, sagte er nach einem Augenblick, ist es doch möglich, daß dieser Bursche, wenn er halb toll in die hohen Fjelder läuft, an den Opfersteinen der alten Götter seines Volkes stand diese auf der Höhe, und dicht zu ihren Füßen lag der Grund, in welchem Olaf's Haus erbaut war. Der Landrichter merkte, daß ihn seine Führerin wohl nicht ganz absichtslos mittelst eines Umweges hierher' gebracht hatte. Wir sollen also durchaus dem Hexenmeister einen Besuch machen? sagte er. Ich will Sie zu Olaf führen, erwiderte sie, damit Sie selbst sehen, welch Lügner und Verleumder dieser Colonist ist. Ich glaube dem kleinen Kerl auch nichts, sagte Stureson, aber immer bleibt es merkwürdig, daß dieser tugendhafte Schulmeister, der, wie Sie sagen, Allen Gutes und Liebes erweis't, bei seinen eigenen Landsleuten so vielen Haß und Widerwillen erregen kann. Der arme Olaf! rief Mary. Bei den Normännern hilft es ihm nichts, sanft, gut und verständig zu sein, denn er ist ein Lappe; bei den Lappen aber gelten seine Kenntnisse und sein besseres Wesen nichts, denn er hat sich von ihnen getrennt, ist ein Knecht der Herren des Landes geworden und hat das Kleid der Freiheit ausgezogen. Stureson betrachtete scharf ihr Gesicht, das mit Mitleid erfüllt war. — Bei alledem, sagte er nach einem Augenblick, ist es doch möglich, daß dieser Bursche, wenn er halb toll in die hohen Fjelder läuft, an den Opfersteinen der alten Götter seines Volkes <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0061"/> stand diese auf der Höhe, und dicht zu ihren Füßen lag der Grund, in welchem Olaf's Haus erbaut war.</p><lb/> <p> Der Landrichter merkte, daß ihn seine Führerin wohl nicht ganz absichtslos mittelst eines Umweges hierher' gebracht hatte.</p><lb/> <p> Wir sollen also durchaus dem Hexenmeister einen Besuch machen? sagte er.</p><lb/> <p> Ich will Sie zu Olaf führen, erwiderte sie, damit Sie selbst sehen, welch Lügner und Verleumder dieser Colonist ist.</p><lb/> <p> Ich glaube dem kleinen Kerl auch nichts, sagte Stureson, aber immer bleibt es merkwürdig, daß dieser tugendhafte Schulmeister, der, wie Sie sagen, Allen Gutes und Liebes erweis't, bei seinen eigenen Landsleuten so vielen Haß und Widerwillen erregen kann.</p><lb/> <p> Der arme Olaf! rief Mary. Bei den Normännern hilft es ihm nichts, sanft, gut und verständig zu sein, denn er ist ein Lappe; bei den Lappen aber gelten seine Kenntnisse und sein besseres Wesen nichts, denn er hat sich von ihnen getrennt, ist ein Knecht der Herren des Landes geworden und hat das Kleid der Freiheit ausgezogen.</p><lb/> <p> Stureson betrachtete scharf ihr Gesicht, das mit Mitleid erfüllt war. — Bei alledem, sagte er nach einem Augenblick, ist es doch möglich, daß dieser Bursche, wenn er halb toll in die hohen Fjelder läuft, an den Opfersteinen der alten Götter seines Volkes<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0061]
stand diese auf der Höhe, und dicht zu ihren Füßen lag der Grund, in welchem Olaf's Haus erbaut war.
Der Landrichter merkte, daß ihn seine Führerin wohl nicht ganz absichtslos mittelst eines Umweges hierher' gebracht hatte.
Wir sollen also durchaus dem Hexenmeister einen Besuch machen? sagte er.
Ich will Sie zu Olaf führen, erwiderte sie, damit Sie selbst sehen, welch Lügner und Verleumder dieser Colonist ist.
Ich glaube dem kleinen Kerl auch nichts, sagte Stureson, aber immer bleibt es merkwürdig, daß dieser tugendhafte Schulmeister, der, wie Sie sagen, Allen Gutes und Liebes erweis't, bei seinen eigenen Landsleuten so vielen Haß und Widerwillen erregen kann.
Der arme Olaf! rief Mary. Bei den Normännern hilft es ihm nichts, sanft, gut und verständig zu sein, denn er ist ein Lappe; bei den Lappen aber gelten seine Kenntnisse und sein besseres Wesen nichts, denn er hat sich von ihnen getrennt, ist ein Knecht der Herren des Landes geworden und hat das Kleid der Freiheit ausgezogen.
Stureson betrachtete scharf ihr Gesicht, das mit Mitleid erfüllt war. — Bei alledem, sagte er nach einem Augenblick, ist es doch möglich, daß dieser Bursche, wenn er halb toll in die hohen Fjelder läuft, an den Opfersteinen der alten Götter seines Volkes
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Zitationshilfe: | Mügge, Theodor: Am Malanger Fjord. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–176. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muegge_fjord_1910/61>, abgerufen am 26.06.2024. |