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Mozart, Leopold: Versuch einer gründlichen Violinschule. Augsburg, 1756.

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Der Einleitung erster Abschnitt.
wider die Regel laufenden Auflösungen, gar oft eine widrige Harmonie hervor-
bringen. Diese Ueberschreitung der Oberstimme mit der Unterstimme ist in der
musikalischen Setzkunst bey Halbcomponisten ein ganz gemeiner Fehler.

Die siebente Art heißt das Bassel oder Bassete, welches man, nach
dem italiänischen Violoncello, das Violoncell nennet. Vor Zeiten hatte es
5. Seyten; itzt geigt man es nur mit vieren. Es ist das gemeinste Jnstru-
ment den Baß damit zu spielen: und obwohl es einige etwas grössere, andere
etwas kleinere giebt; so sind sie doch nur der Beseytung nach, folglich nur in
der Stärke des Klanges, ein wenig von einander unterschieden.

Der grosse Baß, oder Violon von dem italiänischen Violone ist die achte
Gattung der Geiginstrumente. Dieser Violon wird ebenfalls von verschiedener
Grösse verfertiget: allein es bleibt allezeit die nämliche Stimmung; nur daß man
bey der Beseytung den nöthigen Unterscheid beobachtet. Weil der Violon viel
grösser als das Violoncell ist; so ist auch dessen Stimmung um eine ganze Octav
tiefer. Er wird am gewöhnlichsten mit 4, der grössere aber auch mit 5. Sey-
ten bezogen.

Die neunte Art ist die Gamba. Sie wird zwischen die Beine gehalten;
daher es auch den Name hat: denn die Jtaliäner nennen es Viola di Gamba,
das ist: Beingeige. Heut zu Tage wird auch das Violoncell zwischen die Bei-
ne genommen, und man kann es mit allem Rechte auch eine Beingeige nennen.
Jm übrigen ist die Viola di Gamba von dem Violoncell in vielem unter-
schieden. Es hat 6, auch 7. Seyten; da das Bassel nur 4. hat. Es hat auch
eine ganz andere Stimmung, einen angenehmern Ton, und dienet meistentheils
zu einer Oberstimme.

Die zehnte Gattung ist der Bordon, nach dem gemeinen Sprechen der
Barydon, von dem italiänischen Viola di Bordone, (a). Dieses Jnstru-
ment hat, gleich der Gamba, 6 bis 7 Seyten. Der Hals ist sehr breit und
dessen hinterer Theil hohl und offen, wo 9 oder auch 10 messingene und stählerne
Seyten hinunter gehen, die mit dem Daumen berühret, und geknippet werden;
also zwar, daß zu gleicher Zeit, als man mit dem Geigebogen auf den oben ge-

spannten
(a) Einige sprechen und schreiben Viola di Bardone. Allein Bardone ist meines
Wissens kein italiänisch Wort; wohl aber Bordone: denn dieses heißt ei-
ne Tenorstimme; bedeutet auch eine grobe Seyte, eine Hummel, und das
leise Brummen der Bienen. Wer dieses Jnstrument kennet, wird auch ein-
sehen, daß durch das Wort Bordone, der Ton desselben recht sehr gut er-
kläret sey.
A 2

Der Einleitung erſter Abſchnitt.
wider die Regel laufenden Aufloͤſungen, gar oft eine widrige Harmonie hervor-
bringen. Dieſe Ueberſchreitung der Oberſtimme mit der Unterſtimme iſt in der
muſikaliſchen Setzkunſt bey Halbcomponiſten ein ganz gemeiner Fehler.

Die ſiebente Art heißt das Baſſel oder Baſſete, welches man, nach
dem italiaͤniſchen Violoncello, das Violoncell nennet. Vor Zeiten hatte es
5. Seyten; itzt geigt man es nur mit vieren. Es iſt das gemeinſte Jnſtru-
ment den Baß damit zu ſpielen: und obwohl es einige etwas groͤſſere, andere
etwas kleinere giebt; ſo ſind ſie doch nur der Beſeytung nach, folglich nur in
der Staͤrke des Klanges, ein wenig von einander unterſchieden.

Der groſſe Baß, oder Violon von dem italiaͤniſchen Violone iſt die achte
Gattung der Geiginſtrumente. Dieſer Violon wird ebenfalls von verſchiedener
Groͤſſe verfertiget: allein es bleibt allezeit die naͤmliche Stimmung; nur daß man
bey der Beſeytung den noͤthigen Unterſcheid beobachtet. Weil der Violon viel
groͤſſer als das Violoncell iſt; ſo iſt auch deſſen Stimmung um eine ganze Octav
tiefer. Er wird am gewoͤhnlichſten mit 4, der groͤſſere aber auch mit 5. Sey-
ten bezogen.

Die neunte Art iſt die Gamba. Sie wird zwiſchen die Beine gehalten;
daher es auch den Name hat: denn die Jtaliaͤner nennen es Viola di Gamba,
das iſt: Beingeige. Heut zu Tage wird auch das Violoncell zwiſchen die Bei-
ne genommen, und man kann es mit allem Rechte auch eine Beingeige nennen.
Jm uͤbrigen iſt die Viola di Gamba von dem Violoncell in vielem unter-
ſchieden. Es hat 6, auch 7. Seyten; da das Baſſel nur 4. hat. Es hat auch
eine ganz andere Stimmung, einen angenehmern Ton, und dienet meiſtentheils
zu einer Oberſtimme.

Die zehnte Gattung iſt der Bordon, nach dem gemeinen Sprechen der
Barydon, von dem italiaͤniſchen Viola di Bordone, (a). Dieſes Jnſtru-
ment hat, gleich der Gamba, 6 bis 7 Seyten. Der Hals iſt ſehr breit und
deſſen hinterer Theil hohl und offen, wo 9 oder auch 10 meſſingene und ſtaͤhlerne
Seyten hinunter gehen, die mit dem Daumen beruͤhret, und geknippet werden;
alſo zwar, daß zu gleicher Zeit, als man mit dem Geigebogen auf den oben ge-

ſpannten
(a) Einige ſprechen und ſchreiben Viola di Bardone. Allein Bardone iſt meines
Wiſſens kein italiaͤniſch Wort; wohl aber Bordone: denn dieſes heißt ei-
ne Tenorſtimme; bedeutet auch eine grobe Seyte, eine Hummel, und das
leiſe Brummen der Bienen. Wer dieſes Jnſtrument kennet, wird auch ein-
ſehen, daß durch das Wort Bordone, der Ton deſſelben recht ſehr gut er-
klaͤret ſey.
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[3/0025] Der Einleitung erſter Abſchnitt. wider die Regel laufenden Aufloͤſungen, gar oft eine widrige Harmonie hervor- bringen. Dieſe Ueberſchreitung der Oberſtimme mit der Unterſtimme iſt in der muſikaliſchen Setzkunſt bey Halbcomponiſten ein ganz gemeiner Fehler. Die ſiebente Art heißt das Baſſel oder Baſſete, welches man, nach dem italiaͤniſchen Violoncello, das Violoncell nennet. Vor Zeiten hatte es 5. Seyten; itzt geigt man es nur mit vieren. Es iſt das gemeinſte Jnſtru- ment den Baß damit zu ſpielen: und obwohl es einige etwas groͤſſere, andere etwas kleinere giebt; ſo ſind ſie doch nur der Beſeytung nach, folglich nur in der Staͤrke des Klanges, ein wenig von einander unterſchieden. Der groſſe Baß, oder Violon von dem italiaͤniſchen Violone iſt die achte Gattung der Geiginſtrumente. Dieſer Violon wird ebenfalls von verſchiedener Groͤſſe verfertiget: allein es bleibt allezeit die naͤmliche Stimmung; nur daß man bey der Beſeytung den noͤthigen Unterſcheid beobachtet. Weil der Violon viel groͤſſer als das Violoncell iſt; ſo iſt auch deſſen Stimmung um eine ganze Octav tiefer. Er wird am gewoͤhnlichſten mit 4, der groͤſſere aber auch mit 5. Sey- ten bezogen. Die neunte Art iſt die Gamba. Sie wird zwiſchen die Beine gehalten; daher es auch den Name hat: denn die Jtaliaͤner nennen es Viola di Gamba, das iſt: Beingeige. Heut zu Tage wird auch das Violoncell zwiſchen die Bei- ne genommen, und man kann es mit allem Rechte auch eine Beingeige nennen. Jm uͤbrigen iſt die Viola di Gamba von dem Violoncell in vielem unter- ſchieden. Es hat 6, auch 7. Seyten; da das Baſſel nur 4. hat. Es hat auch eine ganz andere Stimmung, einen angenehmern Ton, und dienet meiſtentheils zu einer Oberſtimme. Die zehnte Gattung iſt der Bordon, nach dem gemeinen Sprechen der Barydon, von dem italiaͤniſchen Viola di Bordone, (a). Dieſes Jnſtru- ment hat, gleich der Gamba, 6 bis 7 Seyten. Der Hals iſt ſehr breit und deſſen hinterer Theil hohl und offen, wo 9 oder auch 10 meſſingene und ſtaͤhlerne Seyten hinunter gehen, die mit dem Daumen beruͤhret, und geknippet werden; alſo zwar, daß zu gleicher Zeit, als man mit dem Geigebogen auf den oben ge- ſpannten (a) Einige ſprechen und ſchreiben Viola di Bardone. Allein Bardone iſt meines Wiſſens kein italiaͤniſch Wort; wohl aber Bordone: denn dieſes heißt ei- ne Tenorſtimme; bedeutet auch eine grobe Seyte, eine Hummel, und das leiſe Brummen der Bienen. Wer dieſes Jnſtrument kennet, wird auch ein- ſehen, daß durch das Wort Bordone, der Ton deſſelben recht ſehr gut er- klaͤret ſey. A 2

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Zitationshilfe: Mozart, Leopold: Versuch einer gründlichen Violinschule. Augsburg, 1756, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mozart_violinschule_1756/25>, abgerufen am 30.04.2024.