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Mozart, Leopold: Versuch einer gründlichen Violinschule. Augsburg, 1756.

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Vorbericht.
mußte die ihnen beygebrachten, oder wenigstens nachgesehe-
nen Fehler wieder abzuziehen. Jch fühlte ein grosses Bey-
leid, wenn ich schon gewachsene Violinisten, die sich manch-
mal nicht wenig auf ihre Wissenschaft einbildeten, ganz leich-
te Passagen, die etwa nur dem Striche nach von der ge-
meinen Spielart abgiengen, ganz wider die Meynung des
Componisten vortragen hörte. Ja, ich erstaunte, wenn ich
gar sehen mußte, daß sie auch bey mündlicher Erklärung
des schon angezeigten Vortrages, und bey wirklicher Vor-
spielung desselben, dennoch das Wahre und Reine kaum,
oder oft gar nicht erreichen konnten.

Es kam mir demnach in den Sinn, diese Violinschule
dem Druck zu übergeben. Jch besprach mich auch wirklich
mit dem Buchdrucker. Allein, so groß auch mein Eifer,
der musikalischen Welt, so viel an mir ist, zu dienen, im-
mer war; so zauderte ich dennoch mehr denn ein ganzes
Jahr: weil ich zu blöde war bey so aufgeklärten Zeiten mit
meiner geringen Bemühung an das Tageslicht zu tretten.

Endlich erhielt ich von ohngefähr Herrn Marpurgs
Historisch-kritische Beyträge zur Aufnahme der Musik.

Jch las seine Vorrede. Er sagt gleich anfangs: Daß man

sich

Vorbericht.
mußte die ihnen beygebrachten, oder wenigſtens nachgeſehe-
nen Fehler wieder abzuziehen. Jch fuͤhlte ein groſſes Bey-
leid, wenn ich ſchon gewachſene Violiniſten, die ſich manch-
mal nicht wenig auf ihre Wiſſenſchaft einbildeten, ganz leich-
te Paſſagen, die etwa nur dem Striche nach von der ge-
meinen Spielart abgiengen, ganz wider die Meynung des
Componiſten vortragen hoͤrte. Ja, ich erſtaunte, wenn ich
gar ſehen mußte, daß ſie auch bey muͤndlicher Erklaͤrung
des ſchon angezeigten Vortrages, und bey wirklicher Vor-
ſpielung deſſelben, dennoch das Wahre und Reine kaum,
oder oft gar nicht erreichen konnten.

Es kam mir demnach in den Sinn, dieſe Violinſchule
dem Druck zu uͤbergeben. Jch beſprach mich auch wirklich
mit dem Buchdrucker. Allein, ſo groß auch mein Eifer,
der muſikaliſchen Welt, ſo viel an mir iſt, zu dienen, im-
mer war; ſo zauderte ich dennoch mehr denn ein ganzes
Jahr: weil ich zu bloͤde war bey ſo aufgeklaͤrten Zeiten mit
meiner geringen Bemuͤhung an das Tageslicht zu tretten.

Endlich erhielt ich von ohngefaͤhr Herrn Marpurgs
Hiſtoriſch-kritiſche Beytraͤge zur Aufnahme der Muſik.

Jch las ſeine Vorrede. Er ſagt gleich anfangs: Daß man

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[0018] Vorbericht. mußte die ihnen beygebrachten, oder wenigſtens nachgeſehe- nen Fehler wieder abzuziehen. Jch fuͤhlte ein groſſes Bey- leid, wenn ich ſchon gewachſene Violiniſten, die ſich manch- mal nicht wenig auf ihre Wiſſenſchaft einbildeten, ganz leich- te Paſſagen, die etwa nur dem Striche nach von der ge- meinen Spielart abgiengen, ganz wider die Meynung des Componiſten vortragen hoͤrte. Ja, ich erſtaunte, wenn ich gar ſehen mußte, daß ſie auch bey muͤndlicher Erklaͤrung des ſchon angezeigten Vortrages, und bey wirklicher Vor- ſpielung deſſelben, dennoch das Wahre und Reine kaum, oder oft gar nicht erreichen konnten. Es kam mir demnach in den Sinn, dieſe Violinſchule dem Druck zu uͤbergeben. Jch beſprach mich auch wirklich mit dem Buchdrucker. Allein, ſo groß auch mein Eifer, der muſikaliſchen Welt, ſo viel an mir iſt, zu dienen, im- mer war; ſo zauderte ich dennoch mehr denn ein ganzes Jahr: weil ich zu bloͤde war bey ſo aufgeklaͤrten Zeiten mit meiner geringen Bemuͤhung an das Tageslicht zu tretten. Endlich erhielt ich von ohngefaͤhr Herrn Marpurgs Hiſtoriſch-kritiſche Beytraͤge zur Aufnahme der Muſik. Jch las ſeine Vorrede. Er ſagt gleich anfangs: Daß man ſich

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Zitationshilfe: Mozart, Leopold: Versuch einer gründlichen Violinschule. Augsburg, 1756, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mozart_violinschule_1756/18>, abgerufen am 01.05.2024.