sen eine solche Farbe zu geben, dass man meinen muss, es thue recht. Und in dem Fall vergleiche ich sie einem Mörder. Ein Mör- der sass mit einem Wandersmann in der Her- berge, und merkte, dass der Wandersmann Geld bey sich hatte. Er war aber so verständig, dass er wohl wuste, es were unrecht, einem das seine zu nehmen, und ihn noch dazu töd- ten. So gedachte er, eine Ursache zu suchen, dass er mit Recht an den Wandersmann kommen könnte. Bringet derowegen so viel auf die Bahn, dass sie beyde mit Worten aneinander gerathen. Darauf stehet der Mörder auf und spricht: Ich will dir das gedenken, es soll dir nicht geschenket seyn. Damit gehet er davon, und wartet dem unschuldigen Wandersmann auf den Dienst, und so bald er ihn ertappet, greifft er ihn an mit solchen Worten: Weist du wohl, wie wir mit einander stehen? Ueberwäl- tiget ihn also, schlägt ihn zu Tode, und nimt ihm all das seinige. Was dünket euch, sollte das wohl nicht ein gerechter Räuber und Mör- der seyn? Er hat ja Ursach gehabt, seinen Feind anzugreiffen. Es ist kein Potentat, der den andern angreifft, und unrecht ha- ben will. Da muss ein offentliches Manifest in
sen eine solche Farbe zu geben, daſs man meinen muſs, es thue recht. Und in dem Fall vergleiche ich sie einem Mörder. Ein Mör- der saſs mit einem Wandersmann in der Her- berge, und merkte, daſs der Wandersmann Geld bey sich hatte. Er war aber so verständig, daſs er wohl wuste, es were unrecht, einem das seine zu nehmen, und ihn noch dazu töd- ten. So gedachte er, eine Ursache zu suchen, daſs er mit Recht an den Wandersmann kommen könnte. Bringet derowegen so viel auf die Bahn, daſs sie beyde mit Worten aneinander gerathen. Darauf stehet der Mörder auf und spricht: Ich will dir das gedenken, es soll dir nicht geschenket seyn. Damit gehet er davon, und wartet dem unschuldigen Wandersmann auf den Dienst, und so bald er ihn ertappet, greifft er ihn an mit solchen Worten: Weist du wohl, wie wir mit einander stehen? Ueberwäl- tiget ihn also, schlägt ihn zu Tode, und nimt ihm all das seinige. Was dünket euch, sollte das wohl nicht ein gerechter Räuber und Mör- der seyn? Er hat ja Ursach gehabt, seinen Feind anzugreiffen. Es ist kein Potentat, der den andern angreifft, und unrecht ha- ben will. Da muſs ein offentliches Manifest in
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sen eine solche Farbe zu geben, daſs man
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Fall vergleiche ich sie einem Mörder. Ein Mör-
der saſs mit einem Wandersmann in der Her-
berge, und merkte, daſs der Wandersmann Geld
bey sich hatte. Er war aber so verständig,
daſs er wohl wuste, es were unrecht, einem
das seine zu nehmen, und ihn noch dazu töd-
ten. So gedachte er, eine Ursache zu suchen,
daſs er mit Recht an den Wandersmann kommen
könnte. Bringet derowegen so viel auf die
Bahn, daſs sie beyde mit Worten aneinander
gerathen. Darauf stehet der Mörder auf und
spricht: Ich will dir das gedenken, es soll dir
nicht geschenket seyn. Damit gehet er davon,
und wartet dem unschuldigen Wandersmann
auf den Dienst, und so bald er ihn ertappet,
greifft er ihn an mit solchen Worten: Weist du
wohl, wie wir mit einander stehen? Ueberwäl-
tiget ihn also, schlägt ihn zu Tode, und nimt
ihm all das seinige. Was dünket euch, sollte
das wohl nicht ein gerechter Räuber und Mör-
der seyn? Er hat ja Ursach gehabt, seinen
Feind anzugreiffen. Es ist kein Potentat,
der den andern angreifft, und unrecht ha-
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/303>, abgerufen am 22.11.2024.
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