Spizfündigkeit ein theologisches Bedenken erfor- dern liess. Lütkemann hatte vorhin schon mit Zeugnissen anderer Gelehrten belegt, dass er nicht der erste noch einige sey, der jene Meynung behaupte. Zum Glück vor ihn nahm der ganze academische Senat, und insbesondere die theologi- sche Facultät, mit Ausnahme des Urhebers dieses Streits, sich ihres Collegen an; bewiesen, dass man sich bey dessen gegebenen Erklärung gar wohl beruhigen könne, und baten den Herzog, die übereilte Amts-Entsetzung aufzuheben; mit wel- cher Bitte sich auch die Gemeine, bey welcher Lütkemann Prediger war, dahin vereinigte, damit diesem ihrem treuen und geliebten Seelsorger die Canzel wieder geöfnet würde.
Der Herzog fühlte das Unrecht und die Ueber- eilung seines Verfahrens, wollte aber doch, nach Art der Fürsten, nicht gefehlt haben, und wollte also die Entsetzung von Catheder und Canzel nicht anders und eher wieder aufheben, als wenn Lütkemann einen verfänglichen Revers unter- schrieben würde. Der feste Mann weigerte sich aber dessen standhaft und erbat sich, ihm zu seiner Vertheidigung den Weg Rechtens zu eröf- nen, in welchem Gesuch ihn der academische Se- nat selbst bey dem Herzog unterstützte. Darauf
Spizfündigkeit ein theologisches Bedenken erfor- dern lieſs. Lütkemann hatte vorhin schon mit Zeugnissen anderer Gelehrten belegt, daſs er nicht der erste noch einige sey, der jene Meynung behaupte. Zum Glück vor ihn nahm der ganze academische Senat, und insbesondere die theologi- sche Facultät, mit Ausnahme des Urhebers dieses Streits, sich ihres Collegen an; bewiesen, daſs man sich bey dessen gegebenen Erklärung gar wohl beruhigen könne, und baten den Herzog, die übereilte Amts-Entsetzung aufzuheben; mit wel- cher Bitte sich auch die Gemeine, bey welcher Lütkemann Prediger war, dahin vereinigte, damit diesem ihrem treuen und geliebten Seelsorger die Canzel wieder geöfnet würde.
Der Herzog fühlte das Unrecht und die Ueber- eilung seines Verfahrens, wollte aber doch, nach Art der Fürsten, nicht gefehlt haben, und wollte also die Entsetzung von Catheder und Canzel nicht anders und eher wieder aufheben, als wenn Lütkemann einen verfänglichen Revers unter- schrieben würde. Der feste Mann weigerte sich aber dessen standhaft und erbat sich, ihm zu seiner Vertheidigung den Weg Rechtens zu eröf- nen, in welchem Gesuch ihn der academische Se- nat selbst bey dem Herzog unterstützte. Darauf
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Spizfündigkeit ein theologisches Bedenken erfor-
dern lieſs. Lütkemann hatte vorhin schon mit
Zeugnissen anderer Gelehrten belegt, daſs er nicht
der erste noch einige sey, der jene Meynung
behaupte. Zum Glück vor ihn nahm der ganze
academische Senat, und insbesondere die theologi-
sche Facultät, mit Ausnahme des Urhebers dieses
Streits, sich ihres Collegen an; bewiesen, daſs
man sich bey dessen gegebenen Erklärung gar
wohl beruhigen könne, und baten den Herzog, die
übereilte Amts-Entsetzung aufzuheben; mit wel-
cher Bitte sich auch die Gemeine, bey welcher
Lütkemann Prediger war, dahin vereinigte, damit
diesem ihrem treuen und geliebten Seelsorger die
Canzel wieder geöfnet würde.
Der Herzog fühlte das Unrecht und die Ueber-
eilung seines Verfahrens, wollte aber doch, nach
Art der Fürsten, nicht gefehlt haben, und wollte
also die Entsetzung von Catheder und Canzel
nicht anders und eher wieder aufheben, als wenn
Lütkemann einen verfänglichen Revers unter-
schrieben würde. Der feste Mann weigerte sich
aber dessen standhaft und erbat sich, ihm zu
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nen, in welchem Gesuch ihn der academische Se-
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/288>, abgerufen am 27.11.2024.
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