an ihm rächen, sind unzählige. Der unterste und glimpflichste Grad ist wohl der, wenn sie, nebst dem stummen Tadel, ihren erheu- chelten öffentlichen Zusicherungen, Verheis- sungen und Versprechen, ihren erlogenen Be- theurungen von landesväterlicher Liebe ihrer Unterthanen, ihrer unwahren Sorge vor das ge- meine Beste, kurz allen ihren Worten nicht mehr glauben.
Halb oder ganz böse Fürsten können immer nooh von Glück sagen, wenn es nur bey diesem Nichtglauben bleibt; wie leicht ist aber der Ue- bergang vom Denken zum Reden und von die- sem zum Schreiben! Wie plötzlich, wie voll- tönigt, wie fürchterlich rächt sich oft ein ge- drücktes Volk durch Mund und Feder seiner Sprecher und Werkzeuge, an seinem Despoten und Plager, heimlich und offentlich durch blu- tende Epigrammen, durch Spott- und Strafschrif- ten jeder Gattung, durch die anschaulichste Darstellung ihres eigenen lasterhaften oder doch unrühmlichen Lebens. Ein religioser, ein wah- rer Ehren-Mann, wird sich freilich mit Beschäf- tigungen dieser Art nie abgeben, sondern der- gleichen Arbeiten den litterarischen Abdeckern überlassen, und, selbst bey gereiztestem Unwil-
an ihm rächen, sind unzählige. Der unterste und glimpflichste Grad ist wohl der, wenn sie, nebst dem stummen Tadel, ihren erheu- chelten öffentlichen Zusicherungen, Verheis- sungen und Versprechen, ihren erlogenen Be- theurungen von landesväterlicher Liebe ihrer Unterthanen, ihrer unwahren Sorge vor das ge- meine Beste, kurz allen ihren Worten nicht mehr glauben.
Halb oder ganz böse Fürsten können immer nooh von Glück sagen, wenn es nur bey diesem Nichtglauben bleibt; wie leicht ist aber der Ue- bergang vom Denken zum Reden und von die- sem zum Schreiben! Wie plötzlich, wie voll- tönigt, wie fürchterlich rächt sich oft ein ge- drücktes Volk durch Mund und Feder seiner Sprecher und Werkzeuge, an seinem Despoten und Plager, heimlich und offentlich durch blu- tende Epigrammen, durch Spott- und Strafschrif- ten jeder Gattung, durch die anschaulichste Darstellung ihres eigenen lasterhaften oder doch unrühmlichen Lebens. Ein religioser, ein wah- rer Ehren-Mann, wird sich freilich mit Beschäf- tigungen dieser Art nie abgeben, sondern der- gleichen Arbeiten den litterarischen Abdeckern überlassen, und, selbst bey gereiztestem Unwil-
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an ihm rächen, sind unzählige. Der unterste
und glimpflichste Grad ist wohl der, wenn
sie, nebst dem stummen Tadel, ihren erheu-
chelten öffentlichen Zusicherungen, Verheis-
sungen und Versprechen, ihren erlogenen Be-
theurungen von landesväterlicher Liebe ihrer
Unterthanen, ihrer unwahren Sorge vor das ge-
meine Beste, kurz allen ihren Worten nicht
mehr glauben.
Halb oder ganz böse Fürsten können immer
nooh von Glück sagen, wenn es nur bey diesem
Nichtglauben bleibt; wie leicht ist aber der Ue-
bergang vom Denken zum Reden und von die-
sem zum Schreiben! Wie plötzlich, wie voll-
tönigt, wie fürchterlich rächt sich oft ein ge-
drücktes Volk durch Mund und Feder seiner
Sprecher und Werkzeuge, an seinem Despoten
und Plager, heimlich und offentlich durch blu-
tende Epigrammen, durch Spott- und Strafschrif-
ten jeder Gattung, durch die anschaulichste
Darstellung ihres eigenen lasterhaften oder doch
unrühmlichen Lebens. Ein religioser, ein wah-
rer Ehren-Mann, wird sich freilich mit Beschäf-
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/122>, abgerufen am 22.11.2024.
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