auch wohl beleidigende Beynahmen zu erlauben; und es müsste eine drolligte Sammlung ausma- chen, wenn man auch nur die bekannten in ge- druckten Schriften zerstreuten Königlichen Tisch- reden dieser Art zusammentragen wollte.
Alle grosse Herrn von lebhaftem Verstand und Einbildungskraft haben schon einen natürlichen Hang zu Spöttereyen, die, wenn sie nicht in ihren jüngern Jahren abgewöhnt und unterdrückt, sondern von andern Spottgeistern vielmehr noch angefacht und genähret werden, ihnen selbst schädlich, ja fatal werden können. Was für Züge dieser Art hat die Französische Geschichte von ihrem lieben und jovialischen Heinrich IV. aufbewahrt! Wie haben sich in neuern Zeiten König Friedrich Wilhelm I. in Preussen und König Georg I. von Engelland wechselsweis mit den Zunahmen: Mein Schwager, der Cor- poral, und: Schwager, der Comödiant, beehret? Nannte doch Friedrich der Grosse seinen eige- nen Grossvater, Friedrich I. in Preussen, we- gen seines ausgewachsenen Rückens den Kö- niglichen Aesop. Dieser König ward, nach dem Muster seines Freunds und Lehrers Voltaire und anderer Französischen Spottvögel, so sehr in dieser Kunst geübt, dass er, ohngeachtet er
auch wohl beleidigende Beynahmen zu erlauben; und es müſste eine drolligte Sammlung ausma- chen, wenn man auch nur die bekannten in ge- druckten Schriften zerstreuten Königlichen Tisch- reden dieser Art zusammentragen wollte.
Alle groſse Herrn von lebhaftem Verstand und Einbildungskraft haben schon einen natürlichen Hang zu Spöttereyen, die, wenn sie nicht in ihren jüngern Jahren abgewöhnt und unterdrückt, sondern von andern Spottgeistern vielmehr noch angefacht und genähret werden, ihnen selbst schädlich, ja fatal werden können. Was für Züge dieser Art hat die Französische Geschichte von ihrem lieben und jovialischen Heinrich IV. aufbewahrt! Wie haben sich in neuern Zeiten König Friedrich Wilhelm I. in Preussen und König Georg I. von Engelland wechselsweis mit den Zunahmen: Mein Schwager, der Cor- poral, und: Schwager, der Comödiant, beehret? Nannte doch Friedrich der Groſse seinen eige- nen Groſsvater, Friedrich I. in Preussen, we- gen seines ausgewachsenen Rückens den Kö- niglichen Aesop. Dieser König ward, nach dem Muster seines Freunds und Lehrers Voltaire und anderer Französischen Spottvögel, so sehr in dieser Kunst geübt, daſs er, ohngeachtet er
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auch wohl beleidigende Beynahmen zu erlauben;
und es müſste eine drolligte Sammlung ausma-
chen, wenn man auch nur die bekannten in ge-
druckten Schriften zerstreuten Königlichen Tisch-
reden dieser Art zusammentragen wollte.
Alle groſse Herrn von lebhaftem Verstand und
Einbildungskraft haben schon einen natürlichen
Hang zu Spöttereyen, die, wenn sie nicht in
ihren jüngern Jahren abgewöhnt und unterdrückt,
sondern von andern Spottgeistern vielmehr noch
angefacht und genähret werden, ihnen selbst
schädlich, ja fatal werden können. Was für
Züge dieser Art hat die Französische Geschichte
von ihrem lieben und jovialischen Heinrich IV.
aufbewahrt! Wie haben sich in neuern Zeiten
König Friedrich Wilhelm I. in Preussen und
König Georg I. von Engelland wechselsweis
mit den Zunahmen: Mein Schwager, der Cor-
poral, und: Schwager, der Comödiant, beehret?
Nannte doch Friedrich der Groſse seinen eige-
nen Groſsvater, Friedrich I. in Preussen, we-
gen seines ausgewachsenen Rückens den Kö-
niglichen Aesop. Dieser König ward, nach dem
Muster seines Freunds und Lehrers Voltaire
und anderer Französischen Spottvögel, so sehr
in dieser Kunst geübt, daſs er, ohngeachtet er
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/113>, abgerufen am 22.11.2024.
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