Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Willen eines andern ist also der Grund des an-
fänglichen blinden Gehorsams, den der Vater
vom Kind, der Meister von seinem Lehrling,
der Lehrer vom Schüler, der Arzt vom Patien-
ten verlangen kann, und den ihm diese, wenn
sie erzogen, belehrt, unterrichtet, geheilet,
vervollkommnet werden wollen, auch wirklich
auf Treu und Glauben so lange leisten müssen,
bis sie im Stand sind, selbst zu prüfen und zu
entscheiden: Ob sie richtig gelehrt und geführt,
oder betrogen und vernachlässigt worden?

Dahin zielet das grosse Wort (Joh. VI, v. 17.),
womit Jesus Christus seine göttliche Sendung
behauptete, da er sagt: "Meine Lehre ist nicht
mein, sondern dess, der mich gesandt hat;
so jemand will dess Willen thun, der
wird innen werden
,
ob diese Lehre von Gott
sey." Dieses ist, was Paulus und andere Apo-
stel mit dem Wort: Gehorsam des Glaubens
bezeichnet haben.

Dieses Vertrauen ist ursprünglich das grosse
Band, das jede menschliche Gesellschaft
zusammenhält
. Selbst bey den Völkern, die
wir Wilde nennen, so bald sie ein Oberhaupt
haben, ist der Gehorsam gegen dessen Anord-

Willen eines andern ist also der Grund des an-
fänglichen blinden Gehorsams, den der Vater
vom Kind, der Meister von seinem Lehrling,
der Lehrer vom Schüler, der Arzt vom Patien-
ten verlangen kann, und den ihm diese, wenn
sie erzogen, belehrt, unterrichtet, geheilet,
vervollkommnet werden wollen, auch wirklich
auf Treu und Glauben so lange leisten müssen,
bis sie im Stand sind, selbst zu prüfen und zu
entscheiden: Ob sie richtig gelehrt und geführt,
oder betrogen und vernachläſsigt worden?

Dahin zielet das groſse Wort (Joh. VI, v. 17.),
womit Jesus Christus seine göttliche Sendung
behauptete, da er sagt: „Meine Lehre ist nicht
mein, sondern deſs, der mich gesandt hat;
so jemand will deſs Willen thun, der
wird innen werden
,
ob diese Lehre von Gott
sey.„ Dieses ist, was Paulus und andere Apo-
stel mit dem Wort: Gehorsam des Glaubens
bezeichnet haben.

Dieses Vertrauen ist ursprünglich das groſse
Band, das jede menschliche Gesellschaft
zusammenhält
. Selbst bey den Völkern, die
wir Wilde nennen, so bald sie ein Oberhaupt
haben, ist der Gehorsam gegen dessen Anord-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><hi rendition="#i"><hi rendition="#g"><pb facs="#f0052" n="46"/>
Willen</hi></hi> eines andern ist also der Grund des an-<lb/>
fänglichen blinden Gehorsams, den der Vater<lb/>
vom Kind, der Meister von seinem Lehrling,<lb/>
der Lehrer vom Schüler, der Arzt vom Patien-<lb/>
ten verlangen kann, und den ihm diese, wenn<lb/>
sie erzogen, belehrt, unterrichtet, geheilet,<lb/>
vervollkommnet werden wollen, auch wirklich<lb/>
auf Treu und Glauben so lange leisten müssen,<lb/>
bis sie im Stand sind, selbst zu prüfen und zu<lb/>
entscheiden: Ob sie <choice><sic>rlchtig</sic><corr>richtig</corr></choice> gelehrt und geführt,<lb/>
oder betrogen und vernachlä&#x017F;sigt worden?</p><lb/>
          <p>Dahin zielet das gro&#x017F;se Wort (Joh. VI, v. 17.),<lb/>
womit Jesus Christus seine göttliche Sendung<lb/>
behauptete, da er sagt: &#x201E;Meine Lehre ist nicht<lb/>
mein, sondern de&#x017F;s, der mich gesandt hat;<lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#g">so jemand will de&#x017F;s Willen thun, der<lb/>
wird innen werden</hi>,</hi> ob diese Lehre von Gott<lb/>
sey.&#x201E; Dieses ist, was Paulus und andere Apo-<lb/>
stel mit dem Wort: <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Gehorsam des Glaubens</hi></hi><lb/>
bezeichnet haben.</p><lb/>
          <p>Dieses Vertrauen ist ursprünglich das gro&#x017F;se<lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Band, das jede menschliche Gesellschaft<lb/>
zusammenhält</hi></hi>. Selbst bey den Völkern, die<lb/>
wir Wilde nennen, so bald sie ein Oberhaupt<lb/>
haben, ist der Gehorsam gegen dessen Anord-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0052] Willen eines andern ist also der Grund des an- fänglichen blinden Gehorsams, den der Vater vom Kind, der Meister von seinem Lehrling, der Lehrer vom Schüler, der Arzt vom Patien- ten verlangen kann, und den ihm diese, wenn sie erzogen, belehrt, unterrichtet, geheilet, vervollkommnet werden wollen, auch wirklich auf Treu und Glauben so lange leisten müssen, bis sie im Stand sind, selbst zu prüfen und zu entscheiden: Ob sie richtig gelehrt und geführt, oder betrogen und vernachläſsigt worden? Dahin zielet das groſse Wort (Joh. VI, v. 17.), womit Jesus Christus seine göttliche Sendung behauptete, da er sagt: „Meine Lehre ist nicht mein, sondern deſs, der mich gesandt hat; so jemand will deſs Willen thun, der wird innen werden, ob diese Lehre von Gott sey.„ Dieses ist, was Paulus und andere Apo- stel mit dem Wort: Gehorsam des Glaubens bezeichnet haben. Dieses Vertrauen ist ursprünglich das groſse Band, das jede menschliche Gesellschaft zusammenhält. Selbst bey den Völkern, die wir Wilde nennen, so bald sie ein Oberhaupt haben, ist der Gehorsam gegen dessen Anord-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/52
Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/52>, abgerufen am 15.10.2024.