Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Gehorsam sind die Untergebenen denen ihnen
vom Landesherrn bekannt gemachten Vorge-
sezten allerdings schuldig; allein unumschränk-
ten
Gehorsam, der jede vernünftige Gegen-
Vorstellung ausschliesst, sollte man keiner Ge-
sellschaft im Staat ertheilen (zumuthen); und
am allerwenigsten in wissenschaftlichen Din-
gen, wo so viel auf die eigene Art zu sehen
ankommt. Man kann annehmen, dass das vor-
gesezte Ober-Schul-Collegium wahrscheinlich
nichts unternehmen werde, was den Fortschrit-
ten wahrer Aufklärung zuwiderlaufen könnte.
Aber ist es denn doch nicht ein denkbarer Fall,
dass ein einziger Mann in einem solchen Colle-
gio ein so grosses Uebergewicht erlangen kön-
ne, dass seine aus Mangel an gewissen Ein-
sichten, oder zu Beförderung gewisser Absich-
ten, abzielende Vorschläge, die dem Ganzen
nachtheilig werden könnten, zum Gesetz ge-
macht werden können? Und ist diss nicht um
so eher zu befürchten, wenn die Einsichten der
Befehlenden den Einsichten der Gehorchenden
weit nachstehen; wenn jene, eben weil sie ge-
gen diese überwichtig sind, aus einem auch dem
nicht verdorbenen menschlichen Herzen so eige-
nen Stolz, selbst ihre nicht ganz heilsam erkann-

Gehorsam sind die Untergebenen denen ihnen
vom Landesherrn bekannt gemachten Vorge-
sezten allerdings schuldig; allein unumschränk-
ten
Gehorsam, der jede vernünftige Gegen-
Vorstellung ausschlieſst, sollte man keiner Ge-
sellschaft im Staat ertheilen (zumuthen); und
am allerwenigsten in wissenschaftlichen Din-
gen, wo so viel auf die eigene Art zu sehen
ankommt. Man kann annehmen, daſs das vor-
gesezte Ober-Schul-Collegium wahrscheinlich
nichts unternehmen werde, was den Fortschrit-
ten wahrer Aufklärung zuwiderlaufen könnte.
Aber ist es denn doch nicht ein denkbarer Fall,
daſs ein einziger Mann in einem solchen Colle-
gio ein so groſses Uebergewicht erlangen kön-
ne, daſs seine aus Mangel an gewissen Ein-
sichten, oder zu Beförderung gewisser Absich-
ten, abzielende Vorschläge, die dem Ganzen
nachtheilig werden könnten, zum Gesetz ge-
macht werden können? Und ist diſs nicht um
so eher zu befürchten, wenn die Einsichten der
Befehlenden den Einsichten der Gehorchenden
weit nachstehen; wenn jene, eben weil sie ge-
gen diese überwichtig sind, aus einem auch dem
nicht verdorbenen menschlichen Herzen so eige-
nen Stolz, selbst ihre nicht ganz heilsam erkann-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0236" n="230"/>
Gehorsam sind die Untergebenen denen ihnen<lb/>
vom Landesherrn bekannt gemachten Vorge-<lb/>
sezten allerdings schuldig; allein <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">unumschränk-<lb/>
ten</hi></hi> Gehorsam, der jede vernünftige Gegen-<lb/>
Vorstellung ausschlie&#x017F;st, sollte man keiner Ge-<lb/>
sellschaft im Staat ertheilen (zumuthen); und<lb/>
am allerwenigsten in wissenschaftlichen Din-<lb/>
gen, wo so viel auf die eigene Art zu sehen<lb/>
ankommt. Man kann annehmen, da&#x017F;s das vor-<lb/>
gesezte Ober-Schul-Collegium wahrscheinlich<lb/>
nichts unternehmen werde, was den Fortschrit-<lb/>
ten wahrer Aufklärung zuwiderlaufen könnte.<lb/>
Aber ist es denn doch nicht ein denkbarer Fall,<lb/>
da&#x017F;s ein einziger Mann in einem solchen Colle-<lb/>
gio ein so gro&#x017F;ses Uebergewicht erlangen kön-<lb/>
ne, da&#x017F;s seine aus Mangel an gewissen Ein-<lb/>
sichten, oder zu Beförderung gewisser Absich-<lb/>
ten, abzielende Vorschläge, die dem Ganzen<lb/>
nachtheilig werden könnten, zum Gesetz ge-<lb/>
macht werden können? Und ist di&#x017F;s nicht um<lb/>
so eher zu befürchten, wenn die Einsichten der<lb/>
Befehlenden den Einsichten der Gehorchenden<lb/>
weit nachstehen; wenn jene, eben weil sie ge-<lb/>
gen diese überwichtig sind, aus einem auch dem<lb/>
nicht verdorbenen menschlichen Herzen so eige-<lb/>
nen Stolz, selbst ihre nicht ganz heilsam erkann-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[230/0236] Gehorsam sind die Untergebenen denen ihnen vom Landesherrn bekannt gemachten Vorge- sezten allerdings schuldig; allein unumschränk- ten Gehorsam, der jede vernünftige Gegen- Vorstellung ausschlieſst, sollte man keiner Ge- sellschaft im Staat ertheilen (zumuthen); und am allerwenigsten in wissenschaftlichen Din- gen, wo so viel auf die eigene Art zu sehen ankommt. Man kann annehmen, daſs das vor- gesezte Ober-Schul-Collegium wahrscheinlich nichts unternehmen werde, was den Fortschrit- ten wahrer Aufklärung zuwiderlaufen könnte. Aber ist es denn doch nicht ein denkbarer Fall, daſs ein einziger Mann in einem solchen Colle- gio ein so groſses Uebergewicht erlangen kön- ne, daſs seine aus Mangel an gewissen Ein- sichten, oder zu Beförderung gewisser Absich- ten, abzielende Vorschläge, die dem Ganzen nachtheilig werden könnten, zum Gesetz ge- macht werden können? Und ist diſs nicht um so eher zu befürchten, wenn die Einsichten der Befehlenden den Einsichten der Gehorchenden weit nachstehen; wenn jene, eben weil sie ge- gen diese überwichtig sind, aus einem auch dem nicht verdorbenen menschlichen Herzen so eige- nen Stolz, selbst ihre nicht ganz heilsam erkann-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/236
Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/236>, abgerufen am 23.11.2024.