einmal nicht anders, und das einige Mittel, dass man so lange ändert, biss mans entweder bes- ser trift, oder zulezt die späte Ueberzeugung erhält, dass gerade einer des andern werth seye. -- So wars, ich wiederhole es nochmals, sonst nicht. So lange die Fürsten noch selbst in den geheimen Rath giengen, so machte nicht nur, nach dem Sprüchwort, der Ton oft die Musik, sondern auch das blosse Schweigen ei- nes biedern Mannes, Ein Kopfschütteln, Ein traurender, Ein bedenklicher und wehmüthiger Blick, würkte oft mehr als alles Reden, und war wenigstens fähig, den gegenwärtigen Re- genten aufmerksam und nachdenkend zu ma- chen. Heut zu Tage heisst es bey fast allen, wie Göthe im Egmont sagt: Der König fragt nicht; er schickt (er befiehlt).
Es ist zwar im Grunde zulezt einerley: Ob ein Fürst von seinen Ministern oder von sei- nen Cabinets-Secretarien und Referendarien be- trogen werde? Und es sind Fälle, wo auch der gewissenhafteste, redlichtse Mann seines Fürsten (wie nun einmal die mehreste sind) zu seinem wahren Besten belügen und betrü- gen muss; das Vorurtheil ist aber in der Re-
einmal nicht anders, und das einige Mittel, daſs man so lange ändert, biſs mans entweder bes- ser trift, oder zulezt die späte Ueberzeugung erhält, daſs gerade einer des andern werth seye. — So wars, ich wiederhole es nochmals, sonst nicht. So lange die Fürsten noch selbst in den geheimen Rath giengen, so machte nicht nur, nach dem Sprüchwort, der Ton oft die Musik, sondern auch das bloſse Schweigen ei- nes biedern Mannes, Ein Kopfschütteln, Ein traurender, Ein bedenklicher und wehmüthiger Blick, würkte oft mehr als alles Reden, und war wenigstens fähig, den gegenwärtigen Re- genten aufmerksam und nachdenkend zu ma- chen. Heut zu Tage heiſst es bey fast allen, wie Göthe im Egmont sagt: Der König fragt nicht; er schickt (er befiehlt).
Es ist zwar im Grunde zulezt einerley: Ob ein Fürst von seinen Ministern oder von sei- nen Cabinets-Secretarien und Referendarien be- trogen werde? Und es sind Fälle, wo auch der gewissenhafteste, redlichtse Mann seines Fürsten (wie nun einmal die mehreste sind) zu seinem wahren Besten belügen und betrü- gen muſs; das Vorurtheil ist aber in der Re-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0225"n="219"/>
einmal nicht anders, und das einige Mittel, daſs<lb/>
man so lange ändert, biſs mans entweder bes-<lb/>
ser trift, oder zulezt die späte Ueberzeugung<lb/>
erhält, daſs gerade einer des andern werth<lb/>
seye. — So wars, ich wiederhole es nochmals,<lb/>
sonst nicht. So lange die Fürsten noch selbst<lb/>
in den geheimen Rath giengen, so machte nicht<lb/>
nur, nach dem Sprüchwort, der Ton oft die<lb/>
Musik, sondern auch das bloſse Schweigen ei-<lb/>
nes biedern Mannes, Ein Kopfschütteln, Ein<lb/>
traurender, Ein bedenklicher und wehmüthiger<lb/>
Blick, würkte oft mehr als alles Reden, und<lb/>
war wenigstens fähig, den gegenwärtigen Re-<lb/>
genten aufmerksam und nachdenkend zu ma-<lb/>
chen. Heut zu Tage heiſst es bey fast allen,<lb/>
wie <hirendition="#i"><hirendition="#g">Göthe</hi></hi> im Egmont sagt: Der König fragt<lb/>
nicht; er schickt (er befiehlt).</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Es ist zwar im Grunde zulezt einerley: Ob<lb/>
ein Fürst von seinen Ministern oder von sei-<lb/>
nen Cabinets-Secretarien und Referendarien be-<lb/>
trogen werde? Und es sind Fälle, wo auch<lb/>
der gewissenhafteste, redlichtse Mann seines<lb/>
Fürsten (wie nun einmal die mehreste sind)<lb/>
zu seinem <hirendition="#i"><hirendition="#g">wahren</hi></hi> Besten belügen und betrü-<lb/>
gen <hirendition="#i"><hirendition="#g">muſs</hi>;</hi> das Vorurtheil ist aber in der Re-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[219/0225]
einmal nicht anders, und das einige Mittel, daſs
man so lange ändert, biſs mans entweder bes-
ser trift, oder zulezt die späte Ueberzeugung
erhält, daſs gerade einer des andern werth
seye. — So wars, ich wiederhole es nochmals,
sonst nicht. So lange die Fürsten noch selbst
in den geheimen Rath giengen, so machte nicht
nur, nach dem Sprüchwort, der Ton oft die
Musik, sondern auch das bloſse Schweigen ei-
nes biedern Mannes, Ein Kopfschütteln, Ein
traurender, Ein bedenklicher und wehmüthiger
Blick, würkte oft mehr als alles Reden, und
war wenigstens fähig, den gegenwärtigen Re-
genten aufmerksam und nachdenkend zu ma-
chen. Heut zu Tage heiſst es bey fast allen,
wie Göthe im Egmont sagt: Der König fragt
nicht; er schickt (er befiehlt).
Es ist zwar im Grunde zulezt einerley: Ob
ein Fürst von seinen Ministern oder von sei-
nen Cabinets-Secretarien und Referendarien be-
trogen werde? Und es sind Fälle, wo auch
der gewissenhafteste, redlichtse Mann seines
Fürsten (wie nun einmal die mehreste sind)
zu seinem wahren Besten belügen und betrü-
gen muſs; das Vorurtheil ist aber in der Re-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/225>, abgerufen am 24.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.