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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796.

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sung. Es kann ein Fürst König, kann Monarch
seyn, ohne desswegen Despot zu seyn. Hin-
gegen je kleiner zuweilen ein Fürst ist, je ein
ärgerer und abgefeimterer Despot ist er.


Der Despotismus hat, wie alle Künste, sei-
ne Grundsätze, Systeme, Regeln und Ausnah-
men, Bestandtheile, Wachsthum und Abnahme,
Leben und Tod.


Die Geburts-Stätte des Despotismus ist: Wann
die Regenten, durch eigenen Betrug und durch
Verführung geistlicher und weltlicher Heuch-
ler, Schmeichler und Irrlehrer, beginnen, ihren
ursprünglichen hohen Beruf und Bestimmung
zu misskennen; wann sie vergessen, dass ihre
Dignität ein ihnen übertragenes oder auf sie
vererbtes Amt seye, von dem sie Gott und
ihrem Volk
Verantwortung schuldig sind;
wenn sie anfangen, das Land vor ihr Eigen-
thum und ihre Unterthanen als Geschöpfe an-
zusehen, mit denen sie nach eigenem Belieben
schalten und walten können.


Sie schäzen ihre eigene Würde und göttliche
Abhängigkeit selbst gering. Sie wollen nicht

sung. Es kann ein Fürst König, kann Monarch
seyn, ohne deſswegen Despot zu seyn. Hin-
gegen je kleiner zuweilen ein Fürst ist, je ein
ärgerer und abgefeimterer Despot ist er.


Der Despotismus hat, wie alle Künste, sei-
ne Grundsätze, Systeme, Regeln und Ausnah-
men, Bestandtheile, Wachsthum und Abnahme,
Leben und Tod.


Die Geburts-Stätte des Despotismus ist: Wann
die Regenten, durch eigenen Betrug und durch
Verführung geistlicher und weltlicher Heuch-
ler, Schmeichler und Irrlehrer, beginnen, ihren
ursprünglichen hohen Beruf und Bestimmung
zu miſskennen; wann sie vergessen, daſs ihre
Dignität ein ihnen übertragenes oder auf sie
vererbtes Amt seye, von dem sie Gott und
ihrem Volk
Verantwortung schuldig sind;
wenn sie anfangen, das Land vor ihr Eigen-
thum und ihre Unterthanen als Geschöpfe an-
zusehen, mit denen sie nach eigenem Belieben
schalten und walten können.


Sie schäzen ihre eigene Würde und göttliche
Abhängigkeit selbst gering. Sie wollen nicht

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[189/0195] sung. Es kann ein Fürst König, kann Monarch seyn, ohne deſswegen Despot zu seyn. Hin- gegen je kleiner zuweilen ein Fürst ist, je ein ärgerer und abgefeimterer Despot ist er. Der Despotismus hat, wie alle Künste, sei- ne Grundsätze, Systeme, Regeln und Ausnah- men, Bestandtheile, Wachsthum und Abnahme, Leben und Tod. Die Geburts-Stätte des Despotismus ist: Wann die Regenten, durch eigenen Betrug und durch Verführung geistlicher und weltlicher Heuch- ler, Schmeichler und Irrlehrer, beginnen, ihren ursprünglichen hohen Beruf und Bestimmung zu miſskennen; wann sie vergessen, daſs ihre Dignität ein ihnen übertragenes oder auf sie vererbtes Amt seye, von dem sie Gott und ihrem Volk Verantwortung schuldig sind; wenn sie anfangen, das Land vor ihr Eigen- thum und ihre Unterthanen als Geschöpfe an- zusehen, mit denen sie nach eigenem Belieben schalten und walten können. Sie schäzen ihre eigene Würde und göttliche Abhängigkeit selbst gering. Sie wollen nicht

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Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/195>, abgerufen am 22.11.2024.