Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

der weiser Mann *): "Es gehört Kühnheit dazu,
man mag sie bejahen oder verneinen. Soll
(sagt er ferner) jeder Unterthan das Recht
haben, der Richter seines Richters, der Beur-
theiler seiner Gesetze zu seyn; jedem Befehle,
der ihm nicht gefällt, sich zu widersetzen; je-
der Auflage, die er nicht billiget, sich mit List
oder Gewalt zu entziehen; jede Verordnung
seiner Obrigkeit vor den Richterstuhl seines
Wohlgefallens zu fordern, was sollte daraus
werden? Der beste Fürst, die kleinste Justiz-
Obrigkeit kann das nicht zugeben". Es giebt
gewisse Lehren, über die man denken und for-
schen, das gedachte und geglaubte aber nicht
sagen, viel weniger offentlich ausbreiten und
am allerwenigsten selbst ausüben darf; man
müsste dann ein Milton, oder ein Jünger aus
Pater Busenbaums Schule seyn.

So behutsam dachte und sprache man noch
biss auf unsere neueste Zeiten; hie und da war
ein König, der, wie Gustav in Schweden, aus
Politik oder Ueberzeugung, laut das Bekennt-
niss ablegte: Dass er seine höchste Gewalt "von

*) Der Verfasser des Schreibens über das Recht des
Stärkern
im deutschen Museum 1781 I. B. S. 78.

der weiser Mann *): „Es gehört Kühnheit dazu,
man mag sie bejahen oder verneinen. Soll
(sagt er ferner) jeder Unterthan das Recht
haben, der Richter seines Richters, der Beur-
theiler seiner Gesetze zu seyn; jedem Befehle,
der ihm nicht gefällt, sich zu widersetzen; je-
der Auflage, die er nicht billiget, sich mit List
oder Gewalt zu entziehen; jede Verordnung
seiner Obrigkeit vor den Richterstuhl seines
Wohlgefallens zu fordern, was sollte daraus
werden? Der beste Fürst, die kleinste Justiz-
Obrigkeit kann das nicht zugeben„. Es giebt
gewisse Lehren, über die man denken und for-
schen, das gedachte und geglaubte aber nicht
sagen, viel weniger offentlich ausbreiten und
am allerwenigsten selbst ausüben darf; man
müſste dann ein Milton, oder ein Jünger aus
Pater Busenbaums Schule seyn.

So behutsam dachte und sprache man noch
biſs auf unsere neueste Zeiten; hie und da war
ein König, der, wie Gustav in Schweden, aus
Politik oder Ueberzeugung, laut das Bekennt-
niſs ablegte: Daſs er seine höchste Gewalt „von

*) Der Verfasser des Schreibens über das Recht des
Stärkern
im deutschen Museum 1781 I. B. S. 78.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0184" n="178"/>
der weiser Mann <note place="foot" n="*)">Der Verfasser des Schreibens <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">über das Recht des<lb/>
Stärkern</hi></hi> im <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">deutschen Museum</hi></hi> 1781 I. B. S. 78.</note>: &#x201E;Es gehört Kühnheit dazu,<lb/>
man mag sie bejahen oder verneinen. Soll<lb/>
(sagt er ferner) jeder Unterthan das Recht<lb/>
haben, der Richter seines Richters, der Beur-<lb/>
theiler seiner Gesetze zu seyn; jedem Befehle,<lb/>
der ihm nicht gefällt, sich zu widersetzen; je-<lb/>
der Auflage, die er nicht billiget, sich mit List<lb/>
oder Gewalt zu entziehen; jede Verordnung<lb/>
seiner Obrigkeit vor den Richterstuhl seines<lb/>
Wohlgefallens zu fordern, was sollte daraus<lb/>
werden? Der beste Fürst, die kleinste Justiz-<lb/>
Obrigkeit kann das nicht zugeben&#x201E;. Es giebt<lb/>
gewisse Lehren, über die man denken und for-<lb/>
schen, das gedachte und geglaubte aber nicht<lb/>
sagen, viel weniger offentlich ausbreiten und<lb/>
am allerwenigsten selbst ausüben darf; man<lb/>&#x017F;ste dann ein <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Milton</hi>,</hi> oder ein Jünger aus<lb/>
Pater <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Busenbaums</hi></hi> Schule seyn.</p><lb/>
        <p>So behutsam dachte und sprache man noch<lb/>
bi&#x017F;s auf unsere neueste Zeiten; hie und da war<lb/>
ein König, der, wie Gustav in Schweden, aus<lb/>
Politik oder Ueberzeugung, laut das Bekennt-<lb/>
ni&#x017F;s ablegte: Da&#x017F;s er seine höchste Gewalt &#x201E;von<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[178/0184] der weiser Mann *): „Es gehört Kühnheit dazu, man mag sie bejahen oder verneinen. Soll (sagt er ferner) jeder Unterthan das Recht haben, der Richter seines Richters, der Beur- theiler seiner Gesetze zu seyn; jedem Befehle, der ihm nicht gefällt, sich zu widersetzen; je- der Auflage, die er nicht billiget, sich mit List oder Gewalt zu entziehen; jede Verordnung seiner Obrigkeit vor den Richterstuhl seines Wohlgefallens zu fordern, was sollte daraus werden? Der beste Fürst, die kleinste Justiz- Obrigkeit kann das nicht zugeben„. Es giebt gewisse Lehren, über die man denken und for- schen, das gedachte und geglaubte aber nicht sagen, viel weniger offentlich ausbreiten und am allerwenigsten selbst ausüben darf; man müſste dann ein Milton, oder ein Jünger aus Pater Busenbaums Schule seyn. So behutsam dachte und sprache man noch biſs auf unsere neueste Zeiten; hie und da war ein König, der, wie Gustav in Schweden, aus Politik oder Ueberzeugung, laut das Bekennt- niſs ablegte: Daſs er seine höchste Gewalt „von *) Der Verfasser des Schreibens über das Recht des Stärkern im deutschen Museum 1781 I. B. S. 78.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/184
Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/184>, abgerufen am 23.11.2024.