sen, in seinem Diener sich nicht auch einen Freund und Vertrauten, den er ohne Gefahr des Missbrauchs wohl sonst an seinem ganzen Hof nicht fände, zuziehen dürfen? Die Fälle sind rar, aber doch möglich, und ich habe selbst ei- nen nun verstorbenen Fürsten und seinen gleich- falls verstorbenen Cammerdiener, einen Mann von seltener Klugheit und güldener Rechtschaf- fenheit, gekannt, der bey seinem Herrn Beicht- vater-Stelle vertrate, und durch ein mit be- dächtlich abgemessener Klugheit in Reden und Schweigen und immer gleicher Ruhe und Hei- terkeit des Gemüths begleitetes Betragen in vier- zigjährigem Dienst ein solches Vertrauen bey seinem Herrn erworben hatte, das Freunde und Feinde an ihm respectirten, das er nie zu eige- nem Vortheil oder zum Schaden einer guten Sache oder guter Menschen missbrauchte, wohl aber in hundert Fällen durch wenige in präten- sionslosester Einfalt und Unschuld gesprochene Worte mehr Gutes würkte, mehr Uebereilun- gen und schädliche Dinge verhütete, als Ge- mahlin, Kinder und alle Collegien nicht ver- mocht hätten.
sen, in seinem Diener sich nicht auch einen Freund und Vertrauten, den er ohne Gefahr des Miſsbrauchs wohl sonst an seinem ganzen Hof nicht fände, zuziehen dürfen? Die Fälle sind rar, aber doch möglich, und ich habe selbst ei- nen nun verstorbenen Fürsten und seinen gleich- falls verstorbenen Cammerdiener, einen Mann von seltener Klugheit und güldener Rechtschaf- fenheit, gekannt, der bey seinem Herrn Beicht- vater-Stelle vertrate, und durch ein mit be- dächtlich abgemessener Klugheit in Reden und Schweigen und immer gleicher Ruhe und Hei- terkeit des Gemüths begleitetes Betragen in vier- zigjährigem Dienst ein solches Vertrauen bey seinem Herrn erworben hatte, das Freunde und Feinde an ihm respectirten, das er nie zu eige- nem Vortheil oder zum Schaden einer guten Sache oder guter Menschen miſsbrauchte, wohl aber in hundert Fällen durch wenige in präten- sionslosester Einfalt und Unschuld gesprochene Worte mehr Gutes würkte, mehr Uebereilun- gen und schädliche Dinge verhütete, als Ge- mahlin, Kinder und alle Collegien nicht ver- mocht hätten.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0154"n="148"/>
sen, in seinem Diener sich nicht auch einen<lb/>
Freund und Vertrauten, den er ohne Gefahr des<lb/>
Miſsbrauchs wohl sonst an seinem ganzen Hof<lb/>
nicht fände, zuziehen dürfen? Die Fälle sind<lb/>
rar, aber doch möglich, und ich habe selbst ei-<lb/>
nen nun verstorbenen Fürsten und seinen gleich-<lb/>
falls verstorbenen Cammerdiener, einen Mann<lb/>
von seltener Klugheit und güldener Rechtschaf-<lb/>
fenheit, gekannt, der bey seinem Herrn Beicht-<lb/>
vater-Stelle vertrate, und durch ein mit be-<lb/>
dächtlich abgemessener Klugheit in Reden und<lb/>
Schweigen und immer gleicher Ruhe und Hei-<lb/>
terkeit des Gemüths begleitetes Betragen in vier-<lb/>
zigjährigem Dienst ein solches Vertrauen bey<lb/>
seinem Herrn erworben hatte, das Freunde und<lb/>
Feinde an ihm respectirten, das er nie zu eige-<lb/>
nem Vortheil oder zum Schaden einer guten<lb/>
Sache oder guter Menschen miſsbrauchte, wohl<lb/>
aber in hundert Fällen durch wenige in präten-<lb/>
sionslosester Einfalt und Unschuld gesprochene<lb/>
Worte mehr Gutes würkte, mehr Uebereilun-<lb/>
gen und schädliche Dinge verhütete, als Ge-<lb/>
mahlin, Kinder und alle Collegien nicht ver-<lb/>
mocht hätten.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[148/0154]
sen, in seinem Diener sich nicht auch einen
Freund und Vertrauten, den er ohne Gefahr des
Miſsbrauchs wohl sonst an seinem ganzen Hof
nicht fände, zuziehen dürfen? Die Fälle sind
rar, aber doch möglich, und ich habe selbst ei-
nen nun verstorbenen Fürsten und seinen gleich-
falls verstorbenen Cammerdiener, einen Mann
von seltener Klugheit und güldener Rechtschaf-
fenheit, gekannt, der bey seinem Herrn Beicht-
vater-Stelle vertrate, und durch ein mit be-
dächtlich abgemessener Klugheit in Reden und
Schweigen und immer gleicher Ruhe und Hei-
terkeit des Gemüths begleitetes Betragen in vier-
zigjährigem Dienst ein solches Vertrauen bey
seinem Herrn erworben hatte, das Freunde und
Feinde an ihm respectirten, das er nie zu eige-
nem Vortheil oder zum Schaden einer guten
Sache oder guter Menschen miſsbrauchte, wohl
aber in hundert Fällen durch wenige in präten-
sionslosester Einfalt und Unschuld gesprochene
Worte mehr Gutes würkte, mehr Uebereilun-
gen und schädliche Dinge verhütete, als Ge-
mahlin, Kinder und alle Collegien nicht ver-
mocht hätten.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/154>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.