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Mosen, Julius: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Dresden, 1844.

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Kanaan, der Einladung Gehör gegeben und mit seiner Mutter bei dem Hochzeitfeste einer venetianischen Familie erschienen ist und die Tafel mit der Fülle des herzerfreuenden Weines gesegnet hat. Haben wir bereits die Gestalten und Gesichter der Gönner und Freunde unseres Malers in seinen anderen Bildern gesehen, so befinden wir uns auch hier nur unter guten, alten Bekannten. Es thut unseren Augen und Herzen wohl, einmal kerngesunde, thatkräftige Menschen, frei von der Sorge einer kleinen Zeit, in festlicher Stimmung bei dem Nachtische, erhöht durch den Genuß vortrefflicher Weine, ruhig zu betrachten.

Wir dürfen uns vorstellen, daß ein Attache des byzantinischen Gesandten, welchen wir im Aufzuge der Könige aus dem Morgenlande im vorigen Bilde gesehen, sein Absteigequartier "alla mezza luna" unfern des Marcusplatzes genommen habe. Gastwirthe sind von jeher mit schönen Töchtern gesegnet gewesen, und das Töchterlein des Signore Pancrazio hat das Herz und nun auch die Hand des feurigen Phanarioten gewonnen. Das Hochzeitsfest wird in einem offenen Saale gefeiert, welcher den blau und grau gewölkten Siroccohimmel zum Hintergrunde hat. Braut und Bräutigam sitzen oben quervor an der Tafel, ihre Gesichter in den Profilen uns zugekehrt. Sie ist eine klare Blondine, er levantisch dunkelbraun. Eine ernste, staatspolizeilich erlaubte Heiterkeit belebt die Gesellschaft. Es ist der Augenblick, wo der Wein seine Wunder, wenn auch in

Kanaan, der Einladung Gehör gegeben und mit seiner Mutter bei dem Hochzeitfeste einer venetianischen Familie erschienen ist und die Tafel mit der Fülle des herzerfreuenden Weines gesegnet hat. Haben wir bereits die Gestalten und Gesichter der Gönner und Freunde unseres Malers in seinen anderen Bildern gesehen, so befinden wir uns auch hier nur unter guten, alten Bekannten. Es thut unseren Augen und Herzen wohl, einmal kerngesunde, thatkräftige Menschen, frei von der Sorge einer kleinen Zeit, in festlicher Stimmung bei dem Nachtische, erhöht durch den Genuß vortrefflicher Weine, ruhig zu betrachten.

Wir dürfen uns vorstellen, daß ein Attaché des byzantinischen Gesandten, welchen wir im Aufzuge der Könige aus dem Morgenlande im vorigen Bilde gesehen, sein Absteigequartier „alla mezza luna“ unfern des Marcusplatzes genommen habe. Gastwirthe sind von jeher mit schönen Töchtern gesegnet gewesen, und das Töchterlein des Signore Pancrazio hat das Herz und nun auch die Hand des feurigen Phanarioten gewonnen. Das Hochzeitsfest wird in einem offenen Saale gefeiert, welcher den blau und grau gewölkten Siroccohimmel zum Hintergrunde hat. Braut und Bräutigam sitzen oben quervor an der Tafel, ihre Gesichter in den Profilen uns zugekehrt. Sie ist eine klare Blondine, er levantisch dunkelbraun. Eine ernste, staatspolizeilich erlaubte Heiterkeit belebt die Gesellschaft. Es ist der Augenblick, wo der Wein seine Wunder, wenn auch in

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Kanaan, der Einladung Gehör gegeben und mit seiner Mutter bei dem Hochzeitfeste einer venetianischen Familie erschienen ist und die Tafel mit der Fülle des herzerfreuenden Weines gesegnet hat. Haben wir bereits die Gestalten und Gesichter der Gönner und Freunde unseres Malers in seinen anderen Bildern gesehen, so befinden wir uns auch hier nur unter guten, alten Bekannten. Es thut unseren Augen und Herzen wohl, einmal kerngesunde, thatkräftige Menschen, frei von der Sorge einer kleinen Zeit, in festlicher Stimmung bei dem Nachtische, erhöht durch den Genuß vortrefflicher Weine, ruhig zu betrachten.</p>
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[55/0065] Kanaan, der Einladung Gehör gegeben und mit seiner Mutter bei dem Hochzeitfeste einer venetianischen Familie erschienen ist und die Tafel mit der Fülle des herzerfreuenden Weines gesegnet hat. Haben wir bereits die Gestalten und Gesichter der Gönner und Freunde unseres Malers in seinen anderen Bildern gesehen, so befinden wir uns auch hier nur unter guten, alten Bekannten. Es thut unseren Augen und Herzen wohl, einmal kerngesunde, thatkräftige Menschen, frei von der Sorge einer kleinen Zeit, in festlicher Stimmung bei dem Nachtische, erhöht durch den Genuß vortrefflicher Weine, ruhig zu betrachten. Wir dürfen uns vorstellen, daß ein Attaché des byzantinischen Gesandten, welchen wir im Aufzuge der Könige aus dem Morgenlande im vorigen Bilde gesehen, sein Absteigequartier „alla mezza luna“ unfern des Marcusplatzes genommen habe. Gastwirthe sind von jeher mit schönen Töchtern gesegnet gewesen, und das Töchterlein des Signore Pancrazio hat das Herz und nun auch die Hand des feurigen Phanarioten gewonnen. Das Hochzeitsfest wird in einem offenen Saale gefeiert, welcher den blau und grau gewölkten Siroccohimmel zum Hintergrunde hat. Braut und Bräutigam sitzen oben quervor an der Tafel, ihre Gesichter in den Profilen uns zugekehrt. Sie ist eine klare Blondine, er levantisch dunkelbraun. Eine ernste, staatspolizeilich erlaubte Heiterkeit belebt die Gesellschaft. Es ist der Augenblick, wo der Wein seine Wunder, wenn auch in

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Zitationshilfe: Mosen, Julius: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Dresden, 1844, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mosen_galerie_1844/65>, abgerufen am 27.04.2024.