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Mosen, Julius: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Dresden, 1844.

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hilflos und doch so reich an Liebe und in ihr an Hilfe! Das junge Leben empfindet die Nähe der mütterlichen Brust, die zarte linke Schulter, das Händchen zwischen den Wickelbändern und die rosigen Füßchen haben sich herausgebohrt wie Blumen aus den aufbrechenden Knospen. Das Bild heißt mit mehr Recht, als man gewöhnlich meint, "die Nacht." Die gebärende Nacht ist hier zur Mutter Maria geworden und hat den jungen Gott des Tages geboren, welcher von nun an die Welt mit einem neuen Lichte erleuchten wird. Noch blendet es die Hirten, welchen sich draußen auf den Feldern die Natur zuerst offenbart, zumeist das blinzelnde Mädchen, welches im Körbchen die der Liebe geheiligten Tauben zum Geschenke gebracht hat. Ein junger Hirte ist daneben bei der Krippe auf die Knie niedergesunken und hat sein Gesicht herüber zu seinem Vater gewendet, welcher im Begriffe ist, sich das Umwurffell gegen die Blendung über den Kopf zu ziehen; er gehört der alten Zeit an, welche nicht sehen will.

Oben über dieser Gruppe wälzen sich entzückt die schönsten Engelgliedmaßen durcheinander und feiern die Auferstehung des Fleisches.

Im Durchblicke in das Freie und auf die Gebirge, über welchen der erste Morgen graut, hält hinter der Krippe Joseph den Esel zurück, welcher die Geburt des Kindes im jungen Morgen austrompeten will; denn was kann ein Esel verschweigen? -

hilflos und doch so reich an Liebe und in ihr an Hilfe! Das junge Leben empfindet die Nähe der mütterlichen Brust, die zarte linke Schulter, das Händchen zwischen den Wickelbändern und die rosigen Füßchen haben sich herausgebohrt wie Blumen aus den aufbrechenden Knospen. Das Bild heißt mit mehr Recht, als man gewöhnlich meint, „die Nacht.“ Die gebärende Nacht ist hier zur Mutter Maria geworden und hat den jungen Gott des Tages geboren, welcher von nun an die Welt mit einem neuen Lichte erleuchten wird. Noch blendet es die Hirten, welchen sich draußen auf den Feldern die Natur zuerst offenbart, zumeist das blinzelnde Mädchen, welches im Körbchen die der Liebe geheiligten Tauben zum Geschenke gebracht hat. Ein junger Hirte ist daneben bei der Krippe auf die Knie niedergesunken und hat sein Gesicht herüber zu seinem Vater gewendet, welcher im Begriffe ist, sich das Umwurffell gegen die Blendung über den Kopf zu ziehen; er gehört der alten Zeit an, welche nicht sehen will.

Oben über dieser Gruppe wälzen sich entzückt die schönsten Engelgliedmaßen durcheinander und feiern die Auferstehung des Fleisches.

Im Durchblicke in das Freie und auf die Gebirge, über welchen der erste Morgen graut, hält hinter der Krippe Joseph den Esel zurück, welcher die Geburt des Kindes im jungen Morgen austrompeten will; denn was kann ein Esel verschweigen? –

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[19/0029] hilflos und doch so reich an Liebe und in ihr an Hilfe! Das junge Leben empfindet die Nähe der mütterlichen Brust, die zarte linke Schulter, das Händchen zwischen den Wickelbändern und die rosigen Füßchen haben sich herausgebohrt wie Blumen aus den aufbrechenden Knospen. Das Bild heißt mit mehr Recht, als man gewöhnlich meint, „die Nacht.“ Die gebärende Nacht ist hier zur Mutter Maria geworden und hat den jungen Gott des Tages geboren, welcher von nun an die Welt mit einem neuen Lichte erleuchten wird. Noch blendet es die Hirten, welchen sich draußen auf den Feldern die Natur zuerst offenbart, zumeist das blinzelnde Mädchen, welches im Körbchen die der Liebe geheiligten Tauben zum Geschenke gebracht hat. Ein junger Hirte ist daneben bei der Krippe auf die Knie niedergesunken und hat sein Gesicht herüber zu seinem Vater gewendet, welcher im Begriffe ist, sich das Umwurffell gegen die Blendung über den Kopf zu ziehen; er gehört der alten Zeit an, welche nicht sehen will. Oben über dieser Gruppe wälzen sich entzückt die schönsten Engelgliedmaßen durcheinander und feiern die Auferstehung des Fleisches. Im Durchblicke in das Freie und auf die Gebirge, über welchen der erste Morgen graut, hält hinter der Krippe Joseph den Esel zurück, welcher die Geburt des Kindes im jungen Morgen austrompeten will; denn was kann ein Esel verschweigen? –

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Zitationshilfe: Mosen, Julius: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Dresden, 1844, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mosen_galerie_1844/29>, abgerufen am 20.04.2024.