Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mosen, Julius: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Dresden, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

gewendet und zählt die Puncte, auf welche es ankommt, ihnen an den Fingern her. Vor ihm auf die Banklehne hat sich ein Philister mit dem Arme gestemmt, das Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger haltend. Er wird das Räthsel gewiß - nicht errathen. Auch nicht die rothe, vorgestreckte Nase des Harfenspielers, auch nicht der Dickkopf unter der Federmütze; vielleicht der kluge Horcher im Federhute, oder dahinter der Clarinettenbläser? Doch was spreche ich von Simson und den Philistern; - sehen wir doch hier nur eine niederländische Bauerhochzeit, mährchenhaft zur Erscheinung gebracht.

Simson ist ja der reiche Brauer aus der Nähe, seine Braut die hübsche Müllerstochter. Sie hat ein allerliebstes Kuchengesicht mit süßen Rosinenaugen. Es geht hier flott her. Einige Gäste haben sich maskirt. Es ist bunte Reihe gemacht; Pärchen sitzt um Pärchen beim Mahle. Jedes hält zusammen, nur das Brautpaar hat sich von einander gewendet. Wie steif muß sich nach Landesgebrauch die Braut halten. Es ist ihr Ehrentag, wo sie zum ersten Male frisirt ist und zum ersten und letzten Male die Krone trägt; sie ist wohlbeleibt. Der Bräutigam muß sich einen Scherz anderswo suchen. Sie darf auch nicht essen und trinken, dazu ist sie zu jüngferlich; vielleicht hat sie sich vorher heimlich zu dieser Ehrenstrapaze gestärkt. Sie hält die Hände feierlich über den Magen gefaltet. Die Gäste amüsiren sich nach Herzenslust; der Schulze

gewendet und zählt die Puncte, auf welche es ankommt, ihnen an den Fingern her. Vor ihm auf die Banklehne hat sich ein Philister mit dem Arme gestemmt, das Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger haltend. Er wird das Räthsel gewiß – nicht errathen. Auch nicht die rothe, vorgestreckte Nase des Harfenspielers, auch nicht der Dickkopf unter der Federmütze; vielleicht der kluge Horcher im Federhute, oder dahinter der Clarinettenbläser? Doch was spreche ich von Simson und den Philistern; – sehen wir doch hier nur eine niederländische Bauerhochzeit, mährchenhaft zur Erscheinung gebracht.

Simson ist ja der reiche Brauer aus der Nähe, seine Braut die hübsche Müllerstochter. Sie hat ein allerliebstes Kuchengesicht mit süßen Rosinenaugen. Es geht hier flott her. Einige Gäste haben sich maskirt. Es ist bunte Reihe gemacht; Pärchen sitzt um Pärchen beim Mahle. Jedes hält zusammen, nur das Brautpaar hat sich von einander gewendet. Wie steif muß sich nach Landesgebrauch die Braut halten. Es ist ihr Ehrentag, wo sie zum ersten Male frisirt ist und zum ersten und letzten Male die Krone trägt; sie ist wohlbeleibt. Der Bräutigam muß sich einen Scherz anderswo suchen. Sie darf auch nicht essen und trinken, dazu ist sie zu jüngferlich; vielleicht hat sie sich vorher heimlich zu dieser Ehrenstrapaze gestärkt. Sie hält die Hände feierlich über den Magen gefaltet. Die Gäste amüsiren sich nach Herzenslust; der Schulze

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0157" n="147"/>
gewendet und zählt die Puncte, auf welche es ankommt, ihnen an den Fingern her. Vor ihm auf die Banklehne hat sich ein Philister mit dem Arme gestemmt, das Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger haltend. Er wird das Räthsel gewiß &#x2013; nicht errathen. Auch nicht die rothe, vorgestreckte Nase des Harfenspielers, auch nicht der Dickkopf unter der Federmütze; vielleicht der kluge Horcher im Federhute, oder dahinter der Clarinettenbläser? Doch was spreche ich von Simson und den Philistern; &#x2013; sehen wir doch hier nur eine niederländische Bauerhochzeit, mährchenhaft zur Erscheinung gebracht.</p>
        <p>Simson ist ja der reiche Brauer aus der Nähe, seine Braut die hübsche Müllerstochter. Sie hat ein allerliebstes Kuchengesicht mit süßen Rosinenaugen. Es geht hier flott her. Einige Gäste haben sich maskirt. Es ist bunte Reihe gemacht; Pärchen sitzt um Pärchen beim Mahle. Jedes hält zusammen, nur das Brautpaar hat sich von einander gewendet. Wie steif muß sich nach Landesgebrauch die Braut halten. Es ist ihr Ehrentag, wo sie zum ersten Male frisirt ist und zum ersten und letzten Male die Krone trägt; sie ist wohlbeleibt. Der Bräutigam muß sich einen Scherz anderswo suchen. Sie darf auch nicht essen und trinken, dazu ist sie zu jüngferlich; vielleicht hat sie sich vorher heimlich zu dieser Ehrenstrapaze gestärkt. Sie hält die Hände feierlich über den Magen gefaltet. Die Gäste amüsiren sich nach Herzenslust; der Schulze
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[147/0157] gewendet und zählt die Puncte, auf welche es ankommt, ihnen an den Fingern her. Vor ihm auf die Banklehne hat sich ein Philister mit dem Arme gestemmt, das Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger haltend. Er wird das Räthsel gewiß – nicht errathen. Auch nicht die rothe, vorgestreckte Nase des Harfenspielers, auch nicht der Dickkopf unter der Federmütze; vielleicht der kluge Horcher im Federhute, oder dahinter der Clarinettenbläser? Doch was spreche ich von Simson und den Philistern; – sehen wir doch hier nur eine niederländische Bauerhochzeit, mährchenhaft zur Erscheinung gebracht. Simson ist ja der reiche Brauer aus der Nähe, seine Braut die hübsche Müllerstochter. Sie hat ein allerliebstes Kuchengesicht mit süßen Rosinenaugen. Es geht hier flott her. Einige Gäste haben sich maskirt. Es ist bunte Reihe gemacht; Pärchen sitzt um Pärchen beim Mahle. Jedes hält zusammen, nur das Brautpaar hat sich von einander gewendet. Wie steif muß sich nach Landesgebrauch die Braut halten. Es ist ihr Ehrentag, wo sie zum ersten Male frisirt ist und zum ersten und letzten Male die Krone trägt; sie ist wohlbeleibt. Der Bräutigam muß sich einen Scherz anderswo suchen. Sie darf auch nicht essen und trinken, dazu ist sie zu jüngferlich; vielleicht hat sie sich vorher heimlich zu dieser Ehrenstrapaze gestärkt. Sie hält die Hände feierlich über den Magen gefaltet. Die Gäste amüsiren sich nach Herzenslust; der Schulze

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-03-04T10:41:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-03-04T10:41:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-03-04T10:41:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mosen_galerie_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mosen_galerie_1844/157
Zitationshilfe: Mosen, Julius: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Dresden, 1844, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mosen_galerie_1844/157>, abgerufen am 06.05.2024.