Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mosen, Julius: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Dresden, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

Hier knieet
der heilige Hieronymus,
bereuet die Sünden seiner Jugend und entdeckt dabei die bequeme Lehre von der Erbsünde, gegen welche der schwache Mensch nun einmal aus sich selbst nichts vermag. Der Heilige, noch halb verhüllt von weltlichrothem Tuchfaltenwurf, ist vor dem Bilde des Mittlers am Kreuze auf das Knie gesunken, vor ihm und dem Crucifixe liegen ein Todtenkopf und das Beichtbuch, hinter ihm der eingeschlafene Löwe der Leidenschaft. Hieronymus befreundet sich mit dem Jenseits, denn die Lüste des Diesseits haben das sündenmürbe Fleisch verlassen; er hat Ursache, sich nach den himmlischen Freuden zu sehnen.

Das jüngste Gericht.

Es ist die ausgezeichnete Skizze von dem großen, gewaltig wirksamen Gemälde in München. Diese Skizze hat aber den Reiz des ersten Gedankens voraus, welcher fast unmittelbar genial, nur wie hingehaucht in farbigem Schimmer auf uns einwirkt.

Der Meister ist hier, wie immer, gewaltig in der Auffassung des leidenschaftlichen Moments. Wie früher Michel Angelo, so stellte sich Rubens den Untergang der altchristlichen Zeit in dem jüngsten Gerichte dar.

Hier knieet
der heilige Hieronymus,
bereuet die Sünden seiner Jugend und entdeckt dabei die bequeme Lehre von der Erbsünde, gegen welche der schwache Mensch nun einmal aus sich selbst nichts vermag. Der Heilige, noch halb verhüllt von weltlichrothem Tuchfaltenwurf, ist vor dem Bilde des Mittlers am Kreuze auf das Knie gesunken, vor ihm und dem Crucifixe liegen ein Todtenkopf und das Beichtbuch, hinter ihm der eingeschlafene Löwe der Leidenschaft. Hieronymus befreundet sich mit dem Jenseits, denn die Lüste des Diesseits haben das sündenmürbe Fleisch verlassen; er hat Ursache, sich nach den himmlischen Freuden zu sehnen.

Das jüngste Gericht.

Es ist die ausgezeichnete Skizze von dem großen, gewaltig wirksamen Gemälde in München. Diese Skizze hat aber den Reiz des ersten Gedankens voraus, welcher fast unmittelbar genial, nur wie hingehaucht in farbigem Schimmer auf uns einwirkt.

Der Meister ist hier, wie immer, gewaltig in der Auffassung des leidenschaftlichen Moments. Wie früher Michel Angelo, so stellte sich Rubens den Untergang der altchristlichen Zeit in dem jüngsten Gerichte dar.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0105" n="95"/>
        <p>Hier knieet<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">der heilige Hieronymus,</hi></hi><lb/>
bereuet die Sünden seiner Jugend und entdeckt dabei die bequeme Lehre von der Erbsünde, gegen welche der schwache Mensch nun einmal aus sich selbst nichts vermag. Der Heilige, noch halb verhüllt von weltlichrothem Tuchfaltenwurf, ist vor dem Bilde des Mittlers am Kreuze auf das Knie gesunken, vor ihm und dem Crucifixe liegen ein Todtenkopf und das Beichtbuch, hinter ihm der eingeschlafene Löwe der Leidenschaft. Hieronymus befreundet sich mit dem Jenseits, denn die Lüste des Diesseits haben das sündenmürbe Fleisch verlassen; er hat Ursache, sich nach den himmlischen Freuden zu sehnen.</p>
        <p rendition="#c"> <hi rendition="#g">Das jüngste Gericht.</hi> </p>
        <p>Es ist die ausgezeichnete Skizze von dem großen, gewaltig wirksamen Gemälde in München. Diese Skizze hat aber den Reiz des ersten Gedankens voraus, welcher fast unmittelbar genial, nur wie hingehaucht in farbigem Schimmer auf uns einwirkt.</p>
        <p>Der Meister ist hier, wie immer, gewaltig in der Auffassung des leidenschaftlichen Moments. Wie früher Michel Angelo, so stellte sich Rubens den Untergang der altchristlichen Zeit in dem jüngsten Gerichte dar.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[95/0105] Hier knieet der heilige Hieronymus, bereuet die Sünden seiner Jugend und entdeckt dabei die bequeme Lehre von der Erbsünde, gegen welche der schwache Mensch nun einmal aus sich selbst nichts vermag. Der Heilige, noch halb verhüllt von weltlichrothem Tuchfaltenwurf, ist vor dem Bilde des Mittlers am Kreuze auf das Knie gesunken, vor ihm und dem Crucifixe liegen ein Todtenkopf und das Beichtbuch, hinter ihm der eingeschlafene Löwe der Leidenschaft. Hieronymus befreundet sich mit dem Jenseits, denn die Lüste des Diesseits haben das sündenmürbe Fleisch verlassen; er hat Ursache, sich nach den himmlischen Freuden zu sehnen. Das jüngste Gericht. Es ist die ausgezeichnete Skizze von dem großen, gewaltig wirksamen Gemälde in München. Diese Skizze hat aber den Reiz des ersten Gedankens voraus, welcher fast unmittelbar genial, nur wie hingehaucht in farbigem Schimmer auf uns einwirkt. Der Meister ist hier, wie immer, gewaltig in der Auffassung des leidenschaftlichen Moments. Wie früher Michel Angelo, so stellte sich Rubens den Untergang der altchristlichen Zeit in dem jüngsten Gerichte dar.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-03-04T10:41:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-03-04T10:41:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-03-04T10:41:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mosen_galerie_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mosen_galerie_1844/105
Zitationshilfe: Mosen, Julius: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Dresden, 1844, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mosen_galerie_1844/105>, abgerufen am 05.05.2024.