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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

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schwebte, die die Spitze des Thürmchens in
Gotha umgaukelten, und Reisern einen schönen
Traum in die Zukunft aufs neue vorspiegelten.

Da sie nicht mehr weit von der Stadt wa¬
ren, ließ Reiser seinen Gefährten voran gehen,
und setzte sich gemächlich unter einen Baum, um
so gut wie nur irgend möglich, seine Kleidung
in Ordnung zu bringen, und auf eine stattliche
Weise in Gotha seinen Einzug zu halten.

Dieß gelang ihm so gut, daß einige Hand¬
werksleute, die eben vor dem Thore vor Gotha
spatzieren giengen, wie vor einem vornehmen
Manne den Hut vor ihm abzogen, welches Rei¬
sern nicht wenig in Verwunderung setzte, der
auf seiner ganzen Reise mit den Fuhrleuten auf
der Streu geschlafen, und eine gar nicht glän¬
zende Figur gespielt hatte.

Er kam nun durch das alte Thor von Gotha
in eine etwas dunkle Straße, die er hinauf¬
gieng, und bald zur rechten Seite den Gasthof
zum goldnen Kreuze ansichtig wurde, wo er
denn einkehrte, weil dieser Gasthof ihm keiner
der glänzendsten zu seyn schien.

4ter Theil. D

ſchwebte, die die Spitze des Thuͤrmchens in
Gotha umgaukelten, und Reiſern einen ſchoͤnen
Traum in die Zukunft aufs neue vorſpiegelten.

Da ſie nicht mehr weit von der Stadt wa¬
ren, ließ Reiſer ſeinen Gefaͤhrten voran gehen,
und ſetzte ſich gemaͤchlich unter einen Baum, um
ſo gut wie nur irgend moͤglich, ſeine Kleidung
in Ordnung zu bringen, und auf eine ſtattliche
Weiſe in Gotha ſeinen Einzug zu halten.

Dieß gelang ihm ſo gut, daß einige Hand¬
werksleute, die eben vor dem Thore vor Gotha
ſpatzieren giengen, wie vor einem vornehmen
Manne den Hut vor ihm abzogen, welches Rei¬
ſern nicht wenig in Verwunderung ſetzte, der
auf ſeiner ganzen Reiſe mit den Fuhrleuten auf
der Streu geſchlafen, und eine gar nicht glaͤn¬
zende Figur geſpielt hatte.

Er kam nun durch das alte Thor von Gotha
in eine etwas dunkle Straße, die er hinauf¬
gieng, und bald zur rechten Seite den Gaſthof
zum goldnen Kreuze anſichtig wurde, wo er
denn einkehrte, weil dieſer Gaſthof ihm keiner
der glaͤnzendſten zu ſeyn ſchien.

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[49/0063] ſchwebte, die die Spitze des Thuͤrmchens in Gotha umgaukelten, und Reiſern einen ſchoͤnen Traum in die Zukunft aufs neue vorſpiegelten. Da ſie nicht mehr weit von der Stadt wa¬ ren, ließ Reiſer ſeinen Gefaͤhrten voran gehen, und ſetzte ſich gemaͤchlich unter einen Baum, um ſo gut wie nur irgend moͤglich, ſeine Kleidung in Ordnung zu bringen, und auf eine ſtattliche Weiſe in Gotha ſeinen Einzug zu halten. Dieß gelang ihm ſo gut, daß einige Hand¬ werksleute, die eben vor dem Thore vor Gotha ſpatzieren giengen, wie vor einem vornehmen Manne den Hut vor ihm abzogen, welches Rei¬ ſern nicht wenig in Verwunderung ſetzte, der auf ſeiner ganzen Reiſe mit den Fuhrleuten auf der Streu geſchlafen, und eine gar nicht glaͤn¬ zende Figur geſpielt hatte. Er kam nun durch das alte Thor von Gotha in eine etwas dunkle Straße, die er hinauf¬ gieng, und bald zur rechten Seite den Gaſthof zum goldnen Kreuze anſichtig wurde, wo er denn einkehrte, weil dieſer Gaſthof ihm keiner der glaͤnzendſten zu ſeyn ſchien. 4ter Theil. D

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/63>, abgerufen am 07.05.2024.