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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

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So wie nun Reiser die Thürme von H. . .
aus dem Gesicht verlohren hatte, und mit
schnellen Schritten vorwärts ging, athmete er
freier, seine Brust erweiterte sich -- die ganze
Welt lag vor ihm -- und tausend Aussichten er¬
öfneten sich vor seiner Seele.

Er dachte sich den Faden seines bisherigen
Lebens gleichsam wie abgeschnitten -- er war
nun aus allen Verwickelungen auf einmal be¬
freiet -- denn hätte er auch die Universität in
G. . . bezogen, so hätte ihn auch dort sein
Schicksal hin verfolgt; die ganze Zeitgenossen¬
schaft seiner Jugend hätte auch dort wieder auf
ihn gedrückt, und sein Muth hätte ganz erlie¬
gen müssen.

Denn so lange wie er in jenen Kreis hinge¬
bannt war, konnte er kein Zutrauen zu sich selber
fassen -- und wenn sein Muth sich erholen
sollte, so mußte er sobald die Menschen nicht

4ter Theil. A

So wie nun Reiſer die Thuͤrme von H. . .
aus dem Geſicht verlohren hatte, und mit
ſchnellen Schritten vorwaͤrts ging, athmete er
freier, ſeine Bruſt erweiterte ſich — die ganze
Welt lag vor ihm — und tauſend Ausſichten er¬
oͤfneten ſich vor ſeiner Seele.

Er dachte ſich den Faden ſeines bisherigen
Lebens gleichſam wie abgeſchnitten — er war
nun aus allen Verwickelungen auf einmal be¬
freiet — denn haͤtte er auch die Univerſitaͤt in
G. . . bezogen, ſo haͤtte ihn auch dort ſein
Schickſal hin verfolgt; die ganze Zeitgenoſſen¬
ſchaft ſeiner Jugend haͤtte auch dort wieder auf
ihn gedruͤckt, und ſein Muth haͤtte ganz erlie¬
gen muͤſſen.

Denn ſo lange wie er in jenen Kreis hinge¬
bannt war, konnte er kein Zutrauen zu ſich ſelber
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[[1]/0015] So wie nun Reiſer die Thuͤrme von H. . . aus dem Geſicht verlohren hatte, und mit ſchnellen Schritten vorwaͤrts ging, athmete er freier, ſeine Bruſt erweiterte ſich — die ganze Welt lag vor ihm — und tauſend Ausſichten er¬ oͤfneten ſich vor ſeiner Seele. Er dachte ſich den Faden ſeines bisherigen Lebens gleichſam wie abgeſchnitten — er war nun aus allen Verwickelungen auf einmal be¬ freiet — denn haͤtte er auch die Univerſitaͤt in G. . . bezogen, ſo haͤtte ihn auch dort ſein Schickſal hin verfolgt; die ganze Zeitgenoſſen¬ ſchaft ſeiner Jugend haͤtte auch dort wieder auf ihn gedruͤckt, und ſein Muth haͤtte ganz erlie¬ gen muͤſſen. Denn ſo lange wie er in jenen Kreis hinge¬ bannt war, konnte er kein Zutrauen zu ſich ſelber faſſen — und wenn ſein Muth ſich erholen ſollte, ſo mußte er ſobald die Menſchen nicht 4ter Theil. A

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/15>, abgerufen am 28.03.2024.