ther damals Reisers Bitte beantwortete, und ihm seinen Rath ertheilte.
Von dieser Behandlung beinahe bis zu Thränen gerührt, eilte Reiser fort, und glaubte zu träumen, da er wieder draussen vor der Thüre stand, sein Stück Geld besahe und sich auf einmal wieder im Besitz von einem halben Gulden sahe; da es ihm kurz vorher noch an einem Dreier für ein Nachtlager fehlte. -- Dieser halbe Gulden dünkte ihm jezt ein unschätz¬ barer Reichthum, und war es auch würklich für ihn, weil er ihm wieder den Muth einflößte, woran sein ganzes Schicksal hing.
Er ging nun nach einem Speisehause, und genoß zum erstenmale wieder warmes Essen. Gleich nach Tische aber erkundigte er sich nach der Kaufmannskirche, bei welcher der Doktor Froriep wohnte. Er traf ihn gerade, da er eben um zwei Uhr des Nachmittags ein Kolle¬ gium lesen wollte, und redete ihn auf eine ähn¬ liche Weise, wie den Abt Günther, lateinisch an.
Da der Doktor Froriep von Reisern hörte, daß er aus Hannover sey, nahm er ihn außer¬ ordentlich freundlich auf, und führte ihn mit
ther damals Reiſers Bitte beantwortete, und ihm ſeinen Rath ertheilte.
Von dieſer Behandlung beinahe bis zu Thraͤnen geruͤhrt, eilte Reiſer fort, und glaubte zu traͤumen, da er wieder drauſſen vor der Thuͤre ſtand, ſein Stuͤck Geld beſahe und ſich auf einmal wieder im Beſitz von einem halben Gulden ſahe; da es ihm kurz vorher noch an einem Dreier fuͤr ein Nachtlager fehlte. — Dieſer halbe Gulden duͤnkte ihm jezt ein unſchaͤtz¬ barer Reichthum, und war es auch wuͤrklich fuͤr ihn, weil er ihm wieder den Muth einfloͤßte, woran ſein ganzes Schickſal hing.
Er ging nun nach einem Speiſehauſe, und genoß zum erſtenmale wieder warmes Eſſen. Gleich nach Tiſche aber erkundigte er ſich nach der Kaufmannskirche, bei welcher der Doktor Froriep wohnte. Er traf ihn gerade, da er eben um zwei Uhr des Nachmittags ein Kolle¬ gium leſen wollte, und redete ihn auf eine aͤhn¬ liche Weiſe, wie den Abt Guͤnther, lateiniſch an.
Da der Doktor Froriep von Reiſern hoͤrte, daß er aus Hannover ſey, nahm er ihn außer¬ ordentlich freundlich auf, und fuͤhrte ihn mit
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ther damals Reiſers Bitte beantwortete, und
ihm ſeinen Rath ertheilte.
Von dieſer Behandlung beinahe bis zu
Thraͤnen geruͤhrt, eilte Reiſer fort, und glaubte
zu traͤumen, da er wieder drauſſen vor der
Thuͤre ſtand, ſein Stuͤck Geld beſahe und ſich
auf einmal wieder im Beſitz von einem halben
Gulden ſahe; da es ihm kurz vorher noch an
einem Dreier fuͤr ein Nachtlager fehlte. —
Dieſer halbe Gulden duͤnkte ihm jezt ein unſchaͤtz¬
barer Reichthum, und war es auch wuͤrklich
fuͤr ihn, weil er ihm wieder den Muth einfloͤßte,
woran ſein ganzes Schickſal hing.
Er ging nun nach einem Speiſehauſe, und
genoß zum erſtenmale wieder warmes Eſſen.
Gleich nach Tiſche aber erkundigte er ſich nach
der Kaufmannskirche, bei welcher der Doktor
Froriep wohnte. Er traf ihn gerade, da er
eben um zwei Uhr des Nachmittags ein Kolle¬
gium leſen wollte, und redete ihn auf eine aͤhn¬
liche Weiſe, wie den Abt Guͤnther, lateiniſch an.
Da der Doktor Froriep von Reiſern hoͤrte,
daß er aus Hannover ſey, nahm er ihn außer¬
ordentlich freundlich auf, und fuͤhrte ihn mit
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/114>, abgerufen am 16.02.2025.
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