fing zu regnen -- und da er zu Hause wieder an¬ langte, war es schon völlig dunkel -- er setzte sich bei seiner Lampe nieder, und schrieb an Phi¬ lipp Reisern:
"Vom Regen durchnetzt und von Kälte er¬ "starrt kehr' ich nun zu dir zurück, und wo "nicht zu dir -- zum Tode -- denn seit diesem "Nachmittage ist mir die Last des Lebens, wovon "ich keinen Zweck sehe, unerträglich. -- Deine "Freundschaft ist die Stütze, an der ich mich "noch festhalte, wenn ich nicht unaufhaltsam "in dem überwiegenden Wunsche der Vernich¬ "tung meines Wesens versinken will." --
Und nun erwachte auf einmal wieder der Gedanke, sich den Beifall seines Freundes durch den Ausdruck seiner Empfindungen zu erwerben. -- Diß war gleichsam die neue Stütze, woran sich seine Lebenslust wieder fest¬ hielt -- und da den Nachmittag alle seine Em¬ pfindungen so äußerst stark und lebhaft gewesen waren, so wurde es ihm nicht schwer, sie wie¬ der zurückzurufen -- Er hub also an:
E 3
fing zu regnen — und da er zu Hauſe wieder an¬ langte, war es ſchon voͤllig dunkel — er ſetzte ſich bei ſeiner Lampe nieder, und ſchrieb an Phi¬ lipp Reiſern:
„Vom Regen durchnetzt und von Kaͤlte er¬ „ſtarrt kehr' ich nun zu dir zuruͤck, und wo „nicht zu dir — zum Tode — denn ſeit dieſem „Nachmittage iſt mir die Laſt des Lebens, wovon „ich keinen Zweck ſehe, unertraͤglich. — Deine „Freundſchaft iſt die Stuͤtze, an der ich mich „noch feſthalte, wenn ich nicht unaufhaltſam „in dem uͤberwiegenden Wunſche der Vernich¬ „tung meines Weſens verſinken will.“ —
Und nun erwachte auf einmal wieder der Gedanke, ſich den Beifall ſeines Freundes durch den Ausdruck ſeiner Empfindungen zu erwerben. — Diß war gleichſam die neue Stuͤtze, woran ſich ſeine Lebensluſt wieder feſt¬ hielt — und da den Nachmittag alle ſeine Em¬ pfindungen ſo aͤußerſt ſtark und lebhaft geweſen waren, ſo wurde es ihm nicht ſchwer, ſie wie¬ der zuruͤckzurufen — Er hub alſo an:
E 3
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0079"n="69"/>
fing zu regnen — und da er zu Hauſe wieder an¬<lb/>
langte, war es ſchon voͤllig dunkel — er ſetzte<lb/>ſich bei ſeiner Lampe nieder, und ſchrieb an Phi¬<lb/>
lipp Reiſern:</p><lb/><p>„Vom Regen durchnetzt und von Kaͤlte er¬<lb/>„ſtarrt kehr' ich nun zu dir zuruͤck, und wo<lb/>„nicht zu dir — zum Tode — denn ſeit dieſem<lb/>„Nachmittage iſt mir die Laſt des Lebens, wovon<lb/>„ich keinen Zweck ſehe, unertraͤglich. — Deine<lb/>„Freundſchaft iſt die Stuͤtze, an der ich mich<lb/>„noch feſthalte, wenn ich nicht unaufhaltſam<lb/>„in dem uͤberwiegenden Wunſche der Vernich¬<lb/>„tung meines Weſens verſinken will.“—</p><lb/><p>Und nun erwachte auf einmal wieder der<lb/>
Gedanke, <hirendition="#fr">ſich den Beifall ſeines Freundes<lb/>
durch den Ausdruck ſeiner Empfindungen</hi><lb/>
zu erwerben. — Diß war gleichſam die neue<lb/>
Stuͤtze, woran ſich ſeine Lebensluſt wieder feſt¬<lb/>
hielt — und da den Nachmittag alle ſeine Em¬<lb/>
pfindungen ſo aͤußerſt ſtark und lebhaft geweſen<lb/>
waren, ſo wurde es ihm nicht ſchwer, ſie wie¬<lb/>
der zuruͤckzurufen — Er hub alſo an:</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">E 3<lb/></fw></body></text></TEI>
[69/0079]
fing zu regnen — und da er zu Hauſe wieder an¬
langte, war es ſchon voͤllig dunkel — er ſetzte
ſich bei ſeiner Lampe nieder, und ſchrieb an Phi¬
lipp Reiſern:
„Vom Regen durchnetzt und von Kaͤlte er¬
„ſtarrt kehr' ich nun zu dir zuruͤck, und wo
„nicht zu dir — zum Tode — denn ſeit dieſem
„Nachmittage iſt mir die Laſt des Lebens, wovon
„ich keinen Zweck ſehe, unertraͤglich. — Deine
„Freundſchaft iſt die Stuͤtze, an der ich mich
„noch feſthalte, wenn ich nicht unaufhaltſam
„in dem uͤberwiegenden Wunſche der Vernich¬
„tung meines Weſens verſinken will.“ —
Und nun erwachte auf einmal wieder der
Gedanke, ſich den Beifall ſeines Freundes
durch den Ausdruck ſeiner Empfindungen
zu erwerben. — Diß war gleichſam die neue
Stuͤtze, woran ſich ſeine Lebensluſt wieder feſt¬
hielt — und da den Nachmittag alle ſeine Em¬
pfindungen ſo aͤußerſt ſtark und lebhaft geweſen
waren, ſo wurde es ihm nicht ſchwer, ſie wie¬
der zuruͤckzurufen — Er hub alſo an:
E 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/79>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.