Er fühlte die Wahrheit: man ist unter so vielen Tausenden, die sind und gewesen sind, nur einer.
Sich in das ganze Seyn und Wesen eines andern hineindenken zu können, war oft sein Wunsch -- wenn er so auf der Straße zuweilen dicht neben einem ganz fremden Menschen her¬ ging -- so wurde ihm der Gedanke der Fremd¬ heit dieses Menschen, der gänzlichen Unbe¬ wußtheit des einen von dem Nahmen und Schicksalen des andern, so lebhaft, daß er sich, so dicht es der Wohlstand erlaubte, an eineu solchen Menschen andrängte, um auf einen Au¬ genblick in seine Atmosphäre zu kommen, und zu versuchen, ob er die Scheidewand nicht durch¬ dringen könnte, welche die Erinnerungen und Gedanken dieses fremden Menschen von den sei¬ nigen trennte. --
Noch eine Empfindung aus den Jahren sei¬ ner Kindheit ist vielleicht nicht unschicklich hier heran gezogen zu werden -- er dachte sich damals zuweilen, wenn er andere Eltern, als die seinigen hätte, und die seinigen ihn nun nichts angingen, sondern ihm ganz gleichgültig wären. -- -- Ueber
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Er fuͤhlte die Wahrheit: man iſt unter ſo vielen Tauſenden, die ſind und geweſen ſind, nur einer.
Sich in das ganze Seyn und Weſen eines andern hineindenken zu koͤnnen, war oft ſein Wunſch — wenn er ſo auf der Straße zuweilen dicht neben einem ganz fremden Menſchen her¬ ging — ſo wurde ihm der Gedanke der Fremd¬ heit dieſes Menſchen, der gaͤnzlichen Unbe¬ wußtheit des einen von dem Nahmen und Schickſalen des andern, ſo lebhaft, daß er ſich, ſo dicht es der Wohlſtand erlaubte, an eineu ſolchen Menſchen andraͤngte, um auf einen Au¬ genblick in ſeine Atmoſphaͤre zu kommen, und zu verſuchen, ob er die Scheidewand nicht durch¬ dringen koͤnnte, welche die Erinnerungen und Gedanken dieſes fremden Menſchen von den ſei¬ nigen trennte. —
Noch eine Empfindung aus den Jahren ſei¬ ner Kindheit iſt vielleicht nicht unſchicklich hier heran gezogen zu werden — er dachte ſich damals zuweilen, wenn er andere Eltern, als die ſeinigen haͤtte, und die ſeinigen ihn nun nichts angingen, ſondern ihm ganz gleichguͤltig waͤren. — — Ueber
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Er fuͤhlte die Wahrheit: man iſt unter ſo
vielen Tauſenden, die ſind und geweſen ſind,
nur einer.
Sich in das ganze Seyn und Weſen eines
andern hineindenken zu koͤnnen, war oft ſein
Wunſch — wenn er ſo auf der Straße zuweilen
dicht neben einem ganz fremden Menſchen her¬
ging — ſo wurde ihm der Gedanke der Fremd¬
heit dieſes Menſchen, der gaͤnzlichen Unbe¬
wußtheit des einen von dem Nahmen und
Schickſalen des andern, ſo lebhaft, daß er ſich,
ſo dicht es der Wohlſtand erlaubte, an eineu
ſolchen Menſchen andraͤngte, um auf einen Au¬
genblick in ſeine Atmoſphaͤre zu kommen, und
zu verſuchen, ob er die Scheidewand nicht durch¬
dringen koͤnnte, welche die Erinnerungen und
Gedanken dieſes fremden Menſchen von den ſei¬
nigen trennte. —
Noch eine Empfindung aus den Jahren ſei¬
ner Kindheit iſt vielleicht nicht unſchicklich hier
heran gezogen zu werden — er dachte ſich damals
zuweilen, wenn er andere Eltern, als die ſeinigen
haͤtte, und die ſeinigen ihn nun nichts angingen,
ſondern ihm ganz gleichguͤltig waͤren. — — Ueber
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/49>, abgerufen am 22.07.2024.
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