"So kalt, so starr an der ehernen Pforte "des Todes anzuklopfen."
Diese Worte aus Werthers Leiden hatten Anton Reisern diesen ganzen Morgen im Sinne gelegen, und da ihm Philipp Reiser den großen Thorweg öfnen wollte, durch den nun doch der eigentliche Trennungspunkt bewirkt wurde, weil Philipp Reiser, um nicht Verdacht zu erwecken, als ob derselbe um seine Abreise wüßte, ihn mit Fleiß nicht begleiten sollte; so blieb er noch eine Weile inwendig stehen, sahe Philipp Reisern starr an, und in dem Augenblick war es ihm, als klopfte er so kalt und starr an der ehernen Pforte des Todes an. -- Er gab Philipp Reisern, der ihm kein Wort sagen konnte, die Hand, zog darauf den Thorweg hinter sich zu, und eilte, um die nächste Ecke zu kommen, damit sein nun von ihm geschiedener Freund ihm nicht etwa nachsehen mögte. --
Darauf ging er schnell über den Wall nach dem Aegidien Thore zu und sahe noch einmal seitwärts nach seiner ehmaligen Wohnung im Hause des Rektors, die er vom Walle aus be¬ merken konnte. -- Es war des Nachmittags um
„So kalt, ſo ſtarr an der ehernen Pforte „des Todes anzuklopfen.“
Dieſe Worte aus Werthers Leiden hatten Anton Reiſern dieſen ganzen Morgen im Sinne gelegen, und da ihm Philipp Reiſer den großen Thorweg oͤfnen wollte, durch den nun doch der eigentliche Trennungspunkt bewirkt wurde, weil Philipp Reiſer, um nicht Verdacht zu erwecken, als ob derſelbe um ſeine Abreiſe wuͤßte, ihn mit Fleiß nicht begleiten ſollte; ſo blieb er noch eine Weile inwendig ſtehen, ſahe Philipp Reiſern ſtarr an, und in dem Augenblick war es ihm, als klopfte er ſo kalt und ſtarr an der ehernen Pforte des Todes an. — Er gab Philipp Reiſern, der ihm kein Wort ſagen konnte, die Hand, zog darauf den Thorweg hinter ſich zu, und eilte, um die naͤchſte Ecke zu kommen, damit ſein nun von ihm geſchiedener Freund ihm nicht etwa nachſehen moͤgte. —
Darauf ging er ſchnell uͤber den Wall nach dem Aegidien Thore zu und ſahe noch einmal ſeitwaͤrts nach ſeiner ehmaligen Wohnung im Hauſe des Rektors, die er vom Walle aus be¬ merken konnte. — Es war des Nachmittags um
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„So kalt, ſo ſtarr an der ehernen Pforte
„des Todes anzuklopfen.“
Dieſe Worte aus Werthers Leiden hatten
Anton Reiſern dieſen ganzen Morgen im Sinne
gelegen, und da ihm Philipp Reiſer den großen
Thorweg oͤfnen wollte, durch den nun doch der
eigentliche Trennungspunkt bewirkt wurde, weil
Philipp Reiſer, um nicht Verdacht zu erwecken,
als ob derſelbe um ſeine Abreiſe wuͤßte, ihn mit
Fleiß nicht begleiten ſollte; ſo blieb er noch eine
Weile inwendig ſtehen, ſahe Philipp Reiſern
ſtarr an, und in dem Augenblick war es ihm, als
klopfte er ſo kalt und ſtarr an der ehernen
Pforte des Todes an. — Er gab Philipp
Reiſern, der ihm kein Wort ſagen konnte, die
Hand, zog darauf den Thorweg hinter ſich zu,
und eilte, um die naͤchſte Ecke zu kommen, damit
ſein nun von ihm geſchiedener Freund ihm nicht
etwa nachſehen moͤgte. —
Darauf ging er ſchnell uͤber den Wall nach
dem Aegidien Thore zu und ſahe noch einmal
ſeitwaͤrts nach ſeiner ehmaligen Wohnung im
Hauſe des Rektors, die er vom Walle aus be¬
merken konnte. — Es war des Nachmittags um
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/253>, abgerufen am 22.07.2024.
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