fern zubrachte, wo er sich völlig reisefertig mach¬ te, um den Nachmittag seine Wanderschaft an¬ zutreten, und, weil die Tage schon lang waren, noch drei Meilen bis zu der nächsten Stadt, auf seiner Tour, zurückzulegen. --
Es war heitrer Sonnenschein -- die Leute gingen in ihrem Sonntagsschmuck auf der Straße, und zum Theil vor das Thor spatzieren, um am Abend in ihre Häuser wieder zurückzukehren, und Reiser sollte nun an diesem Tage auf immer aus H. . . scheiden -- dieß machte ihm eine son¬ derbare Empfindung, die weder Schmerz noch Wehmuth, sondern mehr eine Art von Betäu¬ bung war. -- Der Abschied aus H. . . preßte ihm keine Thräne aus, sondern er war dabei fast so kalt und unbewegt, als ob er durch eine fremde Stadt gereißt wäre, der er nun wieder den Rük¬ ken zukehren mußte, um weiter zu gehen. -- Selbst der Abschied von Philipp Reisern war mehr kalt als zärtlich. -- Philipp Reiser machte sich viel mit einer neuen Kokarde an seinem Hute zu schaffen, und unterhielt dabei seinen scheidenden Freund, noch in der letzten Stunde, die sie zusammen zubrachten,
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fern zubrachte, wo er ſich voͤllig reiſefertig mach¬ te, um den Nachmittag ſeine Wanderſchaft an¬ zutreten, und, weil die Tage ſchon lang waren, noch drei Meilen bis zu der naͤchſten Stadt, auf ſeiner Tour, zuruͤckzulegen. —
Es war heitrer Sonnenſchein — die Leute gingen in ihrem Sonntagsſchmuck auf der Straße, und zum Theil vor das Thor ſpatzieren, um am Abend in ihre Haͤuſer wieder zuruͤckzukehren, und Reiſer ſollte nun an dieſem Tage auf immer aus H. . . ſcheiden — dieß machte ihm eine ſon¬ derbare Empfindung, die weder Schmerz noch Wehmuth, ſondern mehr eine Art von Betaͤu¬ bung war. — Der Abſchied aus H. . . preßte ihm keine Thraͤne aus, ſondern er war dabei faſt ſo kalt und unbewegt, als ob er durch eine fremde Stadt gereißt waͤre, der er nun wieder den Ruͤk¬ ken zukehren mußte, um weiter zu gehen. — Selbſt der Abſchied von Philipp Reiſern war mehr kalt als zaͤrtlich. — Philipp Reiſer machte ſich viel mit einer neuen Kokarde an ſeinem Hute zu ſchaffen, und unterhielt dabei ſeinen ſcheidenden Freund, noch in der letzten Stunde, die ſie zuſammen zubrachten,
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fern zubrachte, wo er ſich voͤllig reiſefertig mach¬
te, um den Nachmittag ſeine Wanderſchaft an¬
zutreten, und, weil die Tage ſchon lang waren,
noch drei Meilen bis zu der naͤchſten Stadt, auf
ſeiner Tour, zuruͤckzulegen. —
Es war heitrer Sonnenſchein — die Leute
gingen in ihrem Sonntagsſchmuck auf der Straße,
und zum Theil vor das Thor ſpatzieren, um am
Abend in ihre Haͤuſer wieder zuruͤckzukehren,
und Reiſer ſollte nun an dieſem Tage auf immer
aus H. . . ſcheiden — dieß machte ihm eine ſon¬
derbare Empfindung, die weder Schmerz noch
Wehmuth, ſondern mehr eine Art von Betaͤu¬
bung war. — Der Abſchied aus H. . . preßte ihm
keine Thraͤne aus, ſondern er war dabei faſt ſo
kalt und unbewegt, als ob er durch eine fremde
Stadt gereißt waͤre, der er nun wieder den Ruͤk¬
ken zukehren mußte, um weiter zu gehen. —
Selbſt der Abſchied von Philipp Reiſern war
mehr kalt als zaͤrtlich. — Philipp Reiſer
machte ſich viel mit einer neuen Kokarde
an ſeinem Hute zu ſchaffen, und unterhielt
dabei ſeinen ſcheidenden Freund, noch in der
letzten Stunde, die ſie zuſammen zubrachten,
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/251>, abgerufen am 22.07.2024.
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