Bedürfnissen des Lebens wieder an, Mangel zu leiden, weil er nicht die Kunst gelernt hatte, auf Kredit zu leben. --
Seine Garderobe als Fürst im Edelknaben, die er sich, so wie jeder die seinige, selbst anschaf¬ fen mußte, kostete ihm allein so viel, als wovon er einen Monath lang alle seine Ausgaben hätte bestreiten können -- und für dieß alles erreichte er doch nicht einmal seinen Zweck, sich in einer auffallenden tragischen Rolle zeigen zu können, welches doch eigentlich von jeher sein Wunsch ge¬ wesen war. --
Von den drei Stücken, die an einem Abend nacheinander aufgeführt wurden, war Klavigo das erste, der Mann nach der Uhr das zweite, und der Edelknabe blieb bis zuletzt. --
Während daß nun der Klavigo aufgeführt wurde, suchte Reiser in der Anziehstube dicht bei dem Theater, so viel wie möglich seine Sinne zu betäuben, und sich die Ohren zu verstopfen -- jeder Laut, den er vom Theater hörte, war ihm ein Stich durch die Seele -- denn hier war es, wo nun eben das schönste Gebäude seiner Phan¬ tasie, woran Jahrelang gebaut worden war,
Beduͤrfniſſen des Lebens wieder an, Mangel zu leiden, weil er nicht die Kunſt gelernt hatte, auf Kredit zu leben. —
Seine Garderobe als Fuͤrſt im Edelknaben, die er ſich, ſo wie jeder die ſeinige, ſelbſt anſchaf¬ fen mußte, koſtete ihm allein ſo viel, als wovon er einen Monath lang alle ſeine Ausgaben haͤtte beſtreiten koͤnnen — und fuͤr dieß alles erreichte er doch nicht einmal ſeinen Zweck, ſich in einer auffallenden tragiſchen Rolle zeigen zu koͤnnen, welches doch eigentlich von jeher ſein Wunſch ge¬ weſen war. —
Von den drei Stuͤcken, die an einem Abend nacheinander aufgefuͤhrt wurden, war Klavigo das erſte, der Mann nach der Uhr das zweite, und der Edelknabe blieb bis zuletzt. —
Waͤhrend daß nun der Klavigo aufgefuͤhrt wurde, ſuchte Reiſer in der Anziehſtube dicht bei dem Theater, ſo viel wie moͤglich ſeine Sinne zu betaͤuben, und ſich die Ohren zu verſtopfen — jeder Laut, den er vom Theater hoͤrte, war ihm ein Stich durch die Seele — denn hier war es, wo nun eben das ſchoͤnſte Gebaͤude ſeiner Phan¬ taſie, woran Jahrelang gebaut worden war,
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0224"n="214"/>
Beduͤrfniſſen des Lebens wieder an, Mangel zu<lb/>
leiden, weil er nicht die Kunſt gelernt hatte, auf<lb/>
Kredit zu leben. —</p><lb/><p>Seine Garderobe als Fuͤrſt im Edelknaben,<lb/>
die er ſich, ſo wie jeder die ſeinige, ſelbſt anſchaf¬<lb/>
fen mußte, koſtete ihm allein ſo viel, als wovon<lb/>
er einen Monath lang alle ſeine Ausgaben haͤtte<lb/>
beſtreiten koͤnnen — und fuͤr dieß alles erreichte<lb/>
er doch nicht einmal ſeinen Zweck, ſich in einer<lb/>
auffallenden tragiſchen Rolle zeigen zu koͤnnen,<lb/>
welches doch eigentlich von jeher ſein Wunſch ge¬<lb/>
weſen war. —</p><lb/><p>Von den drei Stuͤcken, die an einem<lb/>
Abend nacheinander aufgefuͤhrt wurden, war<lb/>
Klavigo das erſte, der Mann nach der Uhr das<lb/>
zweite, und der Edelknabe blieb bis zuletzt. —</p><lb/><p>Waͤhrend daß nun der Klavigo aufgefuͤhrt<lb/>
wurde, ſuchte Reiſer in der Anziehſtube dicht bei<lb/>
dem Theater, ſo viel wie moͤglich ſeine Sinne zu<lb/>
betaͤuben, und ſich die Ohren zu verſtopfen —<lb/>
jeder Laut, den er vom Theater hoͤrte, war ihm<lb/>
ein Stich durch die Seele — denn hier war es,<lb/>
wo nun eben das ſchoͤnſte Gebaͤude ſeiner Phan¬<lb/>
taſie, woran Jahrelang gebaut worden war,<lb/></p></body></text></TEI>
[214/0224]
Beduͤrfniſſen des Lebens wieder an, Mangel zu
leiden, weil er nicht die Kunſt gelernt hatte, auf
Kredit zu leben. —
Seine Garderobe als Fuͤrſt im Edelknaben,
die er ſich, ſo wie jeder die ſeinige, ſelbſt anſchaf¬
fen mußte, koſtete ihm allein ſo viel, als wovon
er einen Monath lang alle ſeine Ausgaben haͤtte
beſtreiten koͤnnen — und fuͤr dieß alles erreichte
er doch nicht einmal ſeinen Zweck, ſich in einer
auffallenden tragiſchen Rolle zeigen zu koͤnnen,
welches doch eigentlich von jeher ſein Wunſch ge¬
weſen war. —
Von den drei Stuͤcken, die an einem
Abend nacheinander aufgefuͤhrt wurden, war
Klavigo das erſte, der Mann nach der Uhr das
zweite, und der Edelknabe blieb bis zuletzt. —
Waͤhrend daß nun der Klavigo aufgefuͤhrt
wurde, ſuchte Reiſer in der Anziehſtube dicht bei
dem Theater, ſo viel wie moͤglich ſeine Sinne zu
betaͤuben, und ſich die Ohren zu verſtopfen —
jeder Laut, den er vom Theater hoͤrte, war ihm
ein Stich durch die Seele — denn hier war es,
wo nun eben das ſchoͤnſte Gebaͤude ſeiner Phan¬
taſie, woran Jahrelang gebaut worden war,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/224>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.