rings umher die Aussicht auf eine grüne Wiese, wo in der Ferne hinter den einzelnen hohen Bäumen, unter denen Reiser so gern zu wandern pflegte, und hinter dem kleinen Gebüsch, wo er sich so oft gelagert hatte, der Fluß hervorschim¬ merte, mit dessen Ufern er ebenfalls, durch seine öftern Spatziergänge an demselben, unter so manchen verschiednen Situationen seines Lebens, vertraut geworden war. -- Oft wenn er am Ende dieses Wäldchens auf einer Bank saß, und in die weite Gegend hinaus schaute, stiegen alle die vergangnen Scenen seines Lebens, der Kum¬ mer und die Sorgen, die er dort an so manchem schwülen Sommertage mit sich herumgetragen hatte, wieder vor ihm auf, und das Andenken daran versetzte ihn in eine stille Wehmuth, der er mit Vergnügen nachhing. -- Er konnte auch in der Ferne die Brücke sehn, die über den Bach ging, an dem er so manche Stunde gesessen, und so manches gelesen, und gedichtet hatte. -- Weil nun das Wäldchen so nahe vor der Stadt war, so pflegte er oft des Abends im Mondschein hin¬ auszugehn, und auch wohl mit unter ein wenig zu siegwartisiren, ohne doch den Siegwart
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rings umher die Ausſicht auf eine gruͤne Wieſe, wo in der Ferne hinter den einzelnen hohen Baͤumen, unter denen Reiſer ſo gern zu wandern pflegte, und hinter dem kleinen Gebuͤſch, wo er ſich ſo oft gelagert hatte, der Fluß hervorſchim¬ merte, mit deſſen Ufern er ebenfalls, durch ſeine oͤftern Spatziergaͤnge an demſelben, unter ſo manchen verſchiednen Situationen ſeines Lebens, vertraut geworden war. — Oft wenn er am Ende dieſes Waͤldchens auf einer Bank ſaß, und in die weite Gegend hinaus ſchaute, ſtiegen alle die vergangnen Scenen ſeines Lebens, der Kum¬ mer und die Sorgen, die er dort an ſo manchem ſchwuͤlen Sommertage mit ſich herumgetragen hatte, wieder vor ihm auf, und das Andenken daran verſetzte ihn in eine ſtille Wehmuth, der er mit Vergnuͤgen nachhing. — Er konnte auch in der Ferne die Bruͤcke ſehn, die uͤber den Bach ging, an dem er ſo manche Stunde geſeſſen, und ſo manches geleſen, und gedichtet hatte. — Weil nun das Waͤldchen ſo nahe vor der Stadt war, ſo pflegte er oft des Abends im Mondſchein hin¬ auszugehn, und auch wohl mit unter ein wenig zu ſiegwartiſiren, ohne doch den Siegwart
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[197/0207]
rings umher die Ausſicht auf eine gruͤne Wieſe,
wo in der Ferne hinter den einzelnen hohen
Baͤumen, unter denen Reiſer ſo gern zu wandern
pflegte, und hinter dem kleinen Gebuͤſch, wo er
ſich ſo oft gelagert hatte, der Fluß hervorſchim¬
merte, mit deſſen Ufern er ebenfalls, durch ſeine
oͤftern Spatziergaͤnge an demſelben, unter ſo
manchen verſchiednen Situationen ſeines Lebens,
vertraut geworden war. — Oft wenn er am
Ende dieſes Waͤldchens auf einer Bank ſaß, und
in die weite Gegend hinaus ſchaute, ſtiegen alle
die vergangnen Scenen ſeines Lebens, der Kum¬
mer und die Sorgen, die er dort an ſo manchem
ſchwuͤlen Sommertage mit ſich herumgetragen
hatte, wieder vor ihm auf, und das Andenken daran
verſetzte ihn in eine ſtille Wehmuth, der er mit
Vergnuͤgen nachhing. — Er konnte auch in der
Ferne die Bruͤcke ſehn, die uͤber den Bach ging,
an dem er ſo manche Stunde geſeſſen, und ſo
manches geleſen, und gedichtet hatte. — Weil
nun das Waͤldchen ſo nahe vor der Stadt war,
ſo pflegte er oft des Abends im Mondſchein hin¬
auszugehn, und auch wohl mit unter ein wenig
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/207>, abgerufen am 22.07.2024.
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