Wie weit ists noch von dem, wonach der Se¬ raph ringt? --
Zuletzt endigte sich denn das Gedicht auf eine sehr orthodoxe Weise, daß man also doch zu dem Licht der Offenbarung am Ende seine Zuflucht nehmen müsse:
Ein Licht, das vor uns her durch dunkle Schatten geht, Und unsern Pfad erhellt -- weh dem, der es verschmäht! --
Den Schluß billigte der Direktor sehr; das Ganze des Gedichts aber hielt er, wie auch sehr natürlich war, für unverständlich. --
Ein andermal arbeitete Reiser wieder ein Ge¬ dicht über die Zufriedenheit -- gleichsam zu seiner eignen Belehrung, oder zur eignen Richtschnur seines Lebens, aus -- nachdem er nun aber alle Beruhigungsgründe bei den Widerwärtigkeiten des Lebens durchgegangen war, und sich gleichsam in eine sanfte Stille eingewiegt hatte, so erwachte doch am Ende wieder seine schwarze Melancho¬ lie -- und er beschloß die Reihe der sanften Em¬ pfindungen, welche in diesem Gedicht ausgedrückt
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Wie weit iſts noch von dem, wonach der Se¬ raph ringt? —
Zuletzt endigte ſich denn das Gedicht auf eine ſehr orthodoxe Weiſe, daß man alſo doch zu dem Licht der Offenbarung am Ende ſeine Zuflucht nehmen muͤſſe:
Ein Licht, das vor uns her durch dunkle Schatten geht, Und unſern Pfad erhellt — weh dem, der es verſchmaͤht! —
Den Schluß billigte der Direktor ſehr; das Ganze des Gedichts aber hielt er, wie auch ſehr natuͤrlich war, fuͤr unverſtaͤndlich. —
Ein andermal arbeitete Reiſer wieder ein Ge¬ dicht uͤber die Zufriedenheit — gleichſam zu ſeiner eignen Belehrung, oder zur eignen Richtſchnur ſeines Lebens, aus — nachdem er nun aber alle Beruhigungsgruͤnde bei den Widerwaͤrtigkeiten des Lebens durchgegangen war, und ſich gleichſam in eine ſanfte Stille eingewiegt hatte, ſo erwachte doch am Ende wieder ſeine ſchwarze Melancho¬ lie — und er beſchloß die Reihe der ſanften Em¬ pfindungen, welche in dieſem Gedicht ausgedruͤckt
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Wie weit iſts noch von dem, wonach der Se¬
raph ringt? —
Zuletzt endigte ſich denn das Gedicht auf eine
ſehr orthodoxe Weiſe, daß man alſo doch zu dem
Licht der Offenbarung am Ende ſeine Zuflucht
nehmen muͤſſe:
Ein Licht, das vor uns her durch dunkle
Schatten geht,
Und unſern Pfad erhellt — weh dem, der
es verſchmaͤht! —
Den Schluß billigte der Direktor ſehr; das
Ganze des Gedichts aber hielt er, wie auch ſehr
natuͤrlich war, fuͤr unverſtaͤndlich. —
Ein andermal arbeitete Reiſer wieder ein Ge¬
dicht uͤber die Zufriedenheit — gleichſam zu ſeiner
eignen Belehrung, oder zur eignen Richtſchnur
ſeines Lebens, aus — nachdem er nun aber alle
Beruhigungsgruͤnde bei den Widerwaͤrtigkeiten
des Lebens durchgegangen war, und ſich gleichſam
in eine ſanfte Stille eingewiegt hatte, ſo erwachte
doch am Ende wieder ſeine ſchwarze Melancho¬
lie — und er beſchloß die Reihe der ſanften Em¬
pfindungen, welche in dieſem Gedicht ausgedruͤckt
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/163>, abgerufen am 16.02.2025.
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