Das große Feld der Wissenschaften lag vor ihm -- sein künftiger Fleiß, die nützlichste An¬ wendung jeder Stunde bei seinem künftigen Stu¬ dieren war den ganzen Tag über sein einziger Ge¬ danke, und die Wonne die er darin finden, und die erstaunlichen Fortschritte, die er nun thun, und sich Ruhm und Beifall dadurch erwerben würde: mit diesen süßen Vorstellungen stand er auf, und gieng damit zu Bette -- aber er wu߬ te nicht, daß ihm das Drückende und Erniedri¬ gende seiner äußern Lage dieß Vergnügen so sehr verbittern würde. Anständig genährt und geklei¬ det zu seyn, gehört schlechterdings dazu, wenn ein junger Mensch zum Fleiß im Studieren Muth behalten soll. Beides war bei Reisern der Fall nicht. Man wollte für ihn sparen, und ließ ihn während der Zeit wirklich darben.
Seine Eltern reißten nun auch weg, und er zog mit seinen wenigen Habseeligkeiten bei dem Haubolsten F. . . ein, dessen Frau insbesondre sich schon von seiner Kindheit an, seiner mit an¬ genommen hatte. -- Es herrschte bei diesen Leu¬ ten, die keine Kinder hatten, die größte Ordnung in der Einrichtung ihrer Lebensart, welche viel¬
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Das große Feld der Wiſſenſchaften lag vor ihm — ſein kuͤnftiger Fleiß, die nuͤtzlichſte An¬ wendung jeder Stunde bei ſeinem kuͤnftigen Stu¬ dieren war den ganzen Tag uͤber ſein einziger Ge¬ danke, und die Wonne die er darin finden, und die erſtaunlichen Fortſchritte, die er nun thun, und ſich Ruhm und Beifall dadurch erwerben wuͤrde: mit dieſen ſuͤßen Vorſtellungen ſtand er auf, und gieng damit zu Bette — aber er wu߬ te nicht, daß ihm das Druͤckende und Erniedri¬ gende ſeiner aͤußern Lage dieß Vergnuͤgen ſo ſehr verbittern wuͤrde. Anſtaͤndig genaͤhrt und geklei¬ det zu ſeyn, gehoͤrt ſchlechterdings dazu, wenn ein junger Menſch zum Fleiß im Studieren Muth behalten ſoll. Beides war bei Reiſern der Fall nicht. Man wollte fuͤr ihn ſparen, und ließ ihn waͤhrend der Zeit wirklich darben.
Seine Eltern reißten nun auch weg, und er zog mit ſeinen wenigen Habſeeligkeiten bei dem Haubolſten F. . . ein, deſſen Frau insbeſondre ſich ſchon von ſeiner Kindheit an, ſeiner mit an¬ genommen hatte. — Es herrſchte bei dieſen Leu¬ ten, die keine Kinder hatten, die groͤßte Ordnung in der Einrichtung ihrer Lebensart, welche viel¬
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Das große Feld der Wiſſenſchaften lag vor
ihm — ſein kuͤnftiger Fleiß, die nuͤtzlichſte An¬
wendung jeder Stunde bei ſeinem kuͤnftigen Stu¬
dieren war den ganzen Tag uͤber ſein einziger Ge¬
danke, und die Wonne die er darin finden, und
die erſtaunlichen Fortſchritte, die er nun thun,
und ſich Ruhm und Beifall dadurch erwerben
wuͤrde: mit dieſen ſuͤßen Vorſtellungen ſtand er
auf, und gieng damit zu Bette — aber er wu߬
te nicht, daß ihm das Druͤckende und Erniedri¬
gende ſeiner aͤußern Lage dieß Vergnuͤgen ſo ſehr
verbittern wuͤrde. Anſtaͤndig genaͤhrt und geklei¬
det zu ſeyn, gehoͤrt ſchlechterdings dazu, wenn
ein junger Menſch zum Fleiß im Studieren Muth
behalten ſoll. Beides war bei Reiſern der Fall
nicht. Man wollte fuͤr ihn ſparen, und ließ ihn
waͤhrend der Zeit wirklich darben.
Seine Eltern reißten nun auch weg, und er
zog mit ſeinen wenigen Habſeeligkeiten bei dem
Haubolſten F. . . ein, deſſen Frau insbeſondre
ſich ſchon von ſeiner Kindheit an, ſeiner mit an¬
genommen hatte. — Es herrſchte bei dieſen Leu¬
ten, die keine Kinder hatten, die groͤßte Ordnung
in der Einrichtung ihrer Lebensart, welche viel¬
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/31>, abgerufen am 16.07.2024.
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