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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.

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lings sollte angenommen werden, wenn er seine
Wohlthäter nicht erzürnen wollte. Nun war
Reiser gerade von so viel Leuten, von ganz ver¬
schiedener Denkungsart, abhängig, als ihm Frei¬
tische gaben, wo jeder drohte, seine Hand von
ihm abzuziehen, sobald er seinem Rath nicht folg¬
te, der oft dem Rath eines andern Wohlthäters
geradezu widersprach. Dem einen trug er sein
Haar zu gut, dem andern zu schlecht frisirt, dem
einen gieng er zu schlecht, dem andern, für ei¬
nen Knaben der von Wohlthaten leben müsse,
noch zu geputzt einher, --- und dergleichen unzäh¬
lige Demüthigungen und Herabwürdigungen gab
es mehr, denen Reiser durch den Genuß der Frei¬
tische ausgesetzt war, und denen gewiß ein jeder jun¬
ger Mensch mehr oder weniger ausgesetzt ist, der
das Unglück hat, auf Schulen durch Freitische
seinen Unterhalt zu suchen, und die Woche hin¬
durch von einen zum andern herumessen zu müssen.

Dieß alles ahndete Reisern dunkel, als die
Freitische insgesammt für ihn angenommen, und
keine Wohlthat verschmäht wurde, die ihm nur
irgend jemand erweisen wollte. --- An dem guten
Willen aber pflegt es nie zu fehlen, wenn Leute

B 2

lings ſollte angenommen werden, wenn er ſeine
Wohlthaͤter nicht erzuͤrnen wollte. Nun war
Reiſer gerade von ſo viel Leuten, von ganz ver¬
ſchiedener Denkungsart, abhaͤngig, als ihm Frei¬
tiſche gaben, wo jeder drohte, ſeine Hand von
ihm abzuziehen, ſobald er ſeinem Rath nicht folg¬
te, der oft dem Rath eines andern Wohlthaͤters
geradezu widerſprach. Dem einen trug er ſein
Haar zu gut, dem andern zu ſchlecht friſirt, dem
einen gieng er zu ſchlecht, dem andern, fuͤr ei¬
nen Knaben der von Wohlthaten leben muͤſſe,
noch zu geputzt einher, --- und dergleichen unzaͤh¬
lige Demuͤthigungen und Herabwuͤrdigungen gab
es mehr, denen Reiſer durch den Genuß der Frei¬
tiſche ausgeſetzt war, und denen gewiß ein jeder jun¬
ger Menſch mehr oder weniger ausgeſetzt iſt, der
das Ungluͤck hat, auf Schulen durch Freitiſche
ſeinen Unterhalt zu ſuchen, und die Woche hin¬
durch von einen zum andern herumeſſen zu muͤſſen.

Dieß alles ahndete Reiſern dunkel, als die
Freitiſche insgeſammt fuͤr ihn angenommen, und
keine Wohlthat verſchmaͤht wurde, die ihm nur
irgend jemand erweiſen wollte. --- An dem guten
Willen aber pflegt es nie zu fehlen, wenn Leute

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[19/0029] lings ſollte angenommen werden, wenn er ſeine Wohlthaͤter nicht erzuͤrnen wollte. Nun war Reiſer gerade von ſo viel Leuten, von ganz ver¬ ſchiedener Denkungsart, abhaͤngig, als ihm Frei¬ tiſche gaben, wo jeder drohte, ſeine Hand von ihm abzuziehen, ſobald er ſeinem Rath nicht folg¬ te, der oft dem Rath eines andern Wohlthaͤters geradezu widerſprach. Dem einen trug er ſein Haar zu gut, dem andern zu ſchlecht friſirt, dem einen gieng er zu ſchlecht, dem andern, fuͤr ei¬ nen Knaben der von Wohlthaten leben muͤſſe, noch zu geputzt einher, --- und dergleichen unzaͤh¬ lige Demuͤthigungen und Herabwuͤrdigungen gab es mehr, denen Reiſer durch den Genuß der Frei¬ tiſche ausgeſetzt war, und denen gewiß ein jeder jun¬ ger Menſch mehr oder weniger ausgeſetzt iſt, der das Ungluͤck hat, auf Schulen durch Freitiſche ſeinen Unterhalt zu ſuchen, und die Woche hin¬ durch von einen zum andern herumeſſen zu muͤſſen. Dieß alles ahndete Reiſern dunkel, als die Freitiſche insgeſammt fuͤr ihn angenommen, und keine Wohlthat verſchmaͤht wurde, die ihm nur irgend jemand erweiſen wollte. --- An dem guten Willen aber pflegt es nie zu fehlen, wenn Leute B 2

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/29>, abgerufen am 27.11.2024.