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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.

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die Stube trat, war sein erstes Wort die
Komödie, welches sie ihm lange nachher vor¬
warf -- und eben so war es, da er zu seinem
Vetter dem Peruquenmacher kam, wo er nun
einige Nächte auf dem Boden schlafen mußte,
während das seine Stube in dem Hause des Rek¬
tors erst wieder bewohnbar gemacht wurde. --

Folgende Rollenbesetzung mag ohngefähr
einen Begriff davon geben, was Emilia Galotti,
als das erste Schauspiel, das er in dieser Stim¬
mung der Seele sahe, für eine Wirkung auf ihn
müsse gehabt haben.

Die verstorbne Charlotte Ackermann spiel¬
te die Emilia; ihre[ ]Schwester die Orsina, und
die Reiniken spielte die Klaudia; Borchers
den Odoardo; Brockmann den Prinzen; Rei¬
nike
den Apptani, und Dauer den Conti --
Wo mag Emilia Galotti wohl je wieder so auf¬
geführt worden seyn?

Wie mächtig mußte Reisers Seele hier ein¬
greiffen; da sie nun die Welt ihrer Phantasie
gewissermaßen wirklich gemacht fand! -- Er
dachte von nun an keinen andern Gedanken mehr,
als das Theater, und schien nun für alle seine

die Stube trat, war ſein erſtes Wort die
Komoͤdie, welches ſie ihm lange nachher vor¬
warf — und eben ſo war es, da er zu ſeinem
Vetter dem Peruquenmacher kam, wo er nun
einige Naͤchte auf dem Boden ſchlafen mußte,
waͤhrend das ſeine Stube in dem Hauſe des Rek¬
tors erſt wieder bewohnbar gemacht wurde. —

Folgende Rollenbeſetzung mag ohngefaͤhr
einen Begriff davon geben, was Emilia Galotti,
als das erſte Schauſpiel, das er in dieſer Stim¬
mung der Seele ſahe, fuͤr eine Wirkung auf ihn
muͤſſe gehabt haben.

Die verſtorbne Charlotte Ackermann ſpiel¬
te die Emilia; ihre[ ]Schweſter die Orſina, und
die Reiniken ſpielte die Klaudia; Borchers
den Odoardo; Brockmann den Prinzen; Rei¬
nike
den Apptani, und Dauer den Conti —
Wo mag Emilia Galotti wohl je wieder ſo auf¬
gefuͤhrt worden ſeyn?

Wie maͤchtig mußte Reiſers Seele hier ein¬
greiffen; da ſie nun die Welt ihrer Phantaſie
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dachte von nun an keinen andern Gedanken mehr,
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[160/0170] die Stube trat, war ſein erſtes Wort die Komoͤdie, welches ſie ihm lange nachher vor¬ warf — und eben ſo war es, da er zu ſeinem Vetter dem Peruquenmacher kam, wo er nun einige Naͤchte auf dem Boden ſchlafen mußte, waͤhrend das ſeine Stube in dem Hauſe des Rek¬ tors erſt wieder bewohnbar gemacht wurde. — Folgende Rollenbeſetzung mag ohngefaͤhr einen Begriff davon geben, was Emilia Galotti, als das erſte Schauſpiel, das er in dieſer Stim¬ mung der Seele ſahe, fuͤr eine Wirkung auf ihn muͤſſe gehabt haben. Die verſtorbne Charlotte Ackermann ſpiel¬ te die Emilia; ihre Schweſter die Orſina, und die Reiniken ſpielte die Klaudia; Borchers den Odoardo; Brockmann den Prinzen; Rei¬ nike den Apptani, und Dauer den Conti — Wo mag Emilia Galotti wohl je wieder ſo auf¬ gefuͤhrt worden ſeyn? Wie maͤchtig mußte Reiſers Seele hier ein¬ greiffen; da ſie nun die Welt ihrer Phantaſie gewiſſermaßen wirklich gemacht fand! — Er dachte von nun an keinen andern Gedanken mehr, als das Theater, und ſchien nun fuͤr alle ſeine

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/170>, abgerufen am 23.11.2024.