Den Sontag darauf fragte ihn der Pastor M... des Nachmittags in der Kinderlehre öfter wie sonst; und Reiser hatte nun schon gewisser¬ maßen einen seiner Wünsche erreicht, in der Kir¬ che, vor dem versammelten Volke, wenigstens auf irgend eine Art öffentlich reden zu können, indem er die Katechismusfragen des Pastors mit lauter und vernehmlicher Stimme beantwortete, wobei er sich denn sehr von den übrigen unterschied, in¬ dem er richtig accentuirte, da jene ihre Antwor¬ ten in dem gewöhnlichen singenden Tone der Schul¬ knaben herbeteten.
Nach geendigter Kinderlehre winkte ihn der Pastor M... beiseite, und entbot ihn auf den an¬ dern Morgen zu sich -- welch eine freudige Unru¬ he bemächtigte sich nun auf einmal seiner Gedan¬ ken, da es schien, als ob sich irgend ein Mensch einmal näher um ihn bekümmern wollte, -- denn damit schmeichelte er sich nun freilich, daß der Pastor M... durch seine Antworten aufmerksam auf ihn geworden sey; und er nahm sich nun auch vor, Zutrauen zu diesen Manne zu fassen, und ihm alle seine Wünsche zu entdecken.
Den Sontag darauf fragte ihn der Paſtor M... des Nachmittags in der Kinderlehre oͤfter wie ſonſt; und Reiſer hatte nun ſchon gewiſſer¬ maßen einen ſeiner Wuͤnſche erreicht, in der Kir¬ che, vor dem verſammelten Volke, wenigſtens auf irgend eine Art oͤffentlich reden zu koͤnnen, indem er die Katechismusfragen des Paſtors mit lauter und vernehmlicher Stimme beantwortete, wobei er ſich denn ſehr von den uͤbrigen unterſchied, in¬ dem er richtig accentuirte, da jene ihre Antwor¬ ten in dem gewoͤhnlichen ſingenden Tone der Schul¬ knaben herbeteten.
Nach geendigter Kinderlehre winkte ihn der Paſtor M... beiſeite, und entbot ihn auf den an¬ dern Morgen zu ſich — welch eine freudige Unru¬ he bemaͤchtigte ſich nun auf einmal ſeiner Gedan¬ ken, da es ſchien, als ob ſich irgend ein Menſch einmal naͤher um ihn bekuͤmmern wollte, — denn damit ſchmeichelte er ſich nun freilich, daß der Paſtor M... durch ſeine Antworten aufmerkſam auf ihn geworden ſey; und er nahm ſich nun auch vor, Zutrauen zu dieſen Manne zu faſſen, und ihm alle ſeine Wuͤnſche zu entdecken.
<TEI><text><body><pbfacs="#f0014"n="4"/><p>Den Sontag darauf fragte ihn der Paſtor<lb/>
M... des Nachmittags in der Kinderlehre oͤfter<lb/>
wie ſonſt; und Reiſer hatte nun ſchon gewiſſer¬<lb/>
maßen einen ſeiner Wuͤnſche erreicht, in der Kir¬<lb/>
che, vor dem verſammelten Volke, wenigſtens auf<lb/>
irgend eine Art oͤffentlich reden zu koͤnnen, indem<lb/>
er die Katechismusfragen des Paſtors mit lauter<lb/>
und vernehmlicher Stimme beantwortete, wobei<lb/>
er ſich denn ſehr von den uͤbrigen unterſchied, in¬<lb/>
dem er richtig accentuirte, da jene ihre Antwor¬<lb/>
ten in dem gewoͤhnlichen ſingenden Tone der Schul¬<lb/>
knaben herbeteten.</p><lb/><p>Nach geendigter Kinderlehre winkte ihn der<lb/>
Paſtor M... beiſeite, und entbot ihn auf den an¬<lb/>
dern Morgen zu ſich — welch eine freudige Unru¬<lb/>
he bemaͤchtigte ſich nun auf einmal ſeiner Gedan¬<lb/>
ken, da es ſchien, als ob ſich irgend ein Menſch<lb/>
einmal naͤher um ihn bekuͤmmern wollte, — denn<lb/>
damit ſchmeichelte er ſich nun freilich, daß der<lb/>
Paſtor M... durch ſeine Antworten aufmerkſam<lb/>
auf ihn geworden ſey; und er nahm ſich nun auch<lb/>
vor, Zutrauen zu dieſen Manne zu faſſen, und<lb/>
ihm alle ſeine Wuͤnſche zu entdecken.</p><lb/></body></text></TEI>
[4/0014]
Den Sontag darauf fragte ihn der Paſtor
M... des Nachmittags in der Kinderlehre oͤfter
wie ſonſt; und Reiſer hatte nun ſchon gewiſſer¬
maßen einen ſeiner Wuͤnſche erreicht, in der Kir¬
che, vor dem verſammelten Volke, wenigſtens auf
irgend eine Art oͤffentlich reden zu koͤnnen, indem
er die Katechismusfragen des Paſtors mit lauter
und vernehmlicher Stimme beantwortete, wobei
er ſich denn ſehr von den uͤbrigen unterſchied, in¬
dem er richtig accentuirte, da jene ihre Antwor¬
ten in dem gewoͤhnlichen ſingenden Tone der Schul¬
knaben herbeteten.
Nach geendigter Kinderlehre winkte ihn der
Paſtor M... beiſeite, und entbot ihn auf den an¬
dern Morgen zu ſich — welch eine freudige Unru¬
he bemaͤchtigte ſich nun auf einmal ſeiner Gedan¬
ken, da es ſchien, als ob ſich irgend ein Menſch
einmal naͤher um ihn bekuͤmmern wollte, — denn
damit ſchmeichelte er ſich nun freilich, daß der
Paſtor M... durch ſeine Antworten aufmerkſam
auf ihn geworden ſey; und er nahm ſich nun auch
vor, Zutrauen zu dieſen Manne zu faſſen, und
ihm alle ſeine Wuͤnſche zu entdecken.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/14>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.