Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.Phantasie des Predigens allmälig aus seinem Das war es ohngefähr, was ihm die Idee Nun kamen die Sommerferien heran, und Phantaſie des Predigens allmaͤlig aus ſeinem Das war es ohngefaͤhr, was ihm die Idee Nun kamen die Sommerferien heran, und <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0133" n="123"/> Phantaſie des Predigens allmaͤlig aus ſeinem<lb/> Kopf verdraͤngt — der <hi rendition="#fr">Dialog</hi> auf dem Thea¬<lb/> ter bekam mehr Reitze fuͤr ihn, als der immer¬<lb/> waͤhrende <hi rendition="#fr">Monolog</hi> auf der Kanzel — Und<lb/> dann konnte er auf dem Theater alles ſeyn, wo¬<lb/> zu er in der wirklichen Welt nie Gelegenheit<lb/> hatte — und was er doch ſo oft zu ſeyn wuͤnſch¬<lb/> te — großmuͤthig, wohlthaͤtig, edel, ſtandhaft,<lb/> uͤber alles Demuͤthigende und Erniedrigende er¬<lb/> haben — wie ſchmachtete er, dieſe Empfindun¬<lb/> gen, die ihm ſo natuͤrlich zu ſeyn ſchienen, <choice><sic>uud</sic><corr>und</corr></choice><lb/> die er doch ſtets entbehren mußte, nun einmal<lb/> durch ein kurzes taͤuſchendes Spiel der Phantaſie<lb/> in ſich wirklich zu machen —</p><lb/> <p>Das war es ohngefaͤhr, was ihm die Idee<lb/> vom Theater ſchon damals ſo reizend machte —<lb/> Er fand ſich hier gleichſam mit allen ſeinen Em¬<lb/> pfindungen und Geſinnungen wider, welche in<lb/> die wirkliche Welt nicht paßten — Das Thea¬<lb/> ter deuchte ihm eine natuͤrlichere und angeme߬<lb/> nere Welt, als die wirkliche Welt, die ihn umgab.</p><lb/> <p>Nun kamen die Sommerferien heran, und<lb/> die Primaner fuͤhrten, wie ſie alle Jahr zu thun<lb/> pflegten, oͤffentlich verſchiedene Komoͤdien auf —<lb/></p> </body> </text> </TEI> [123/0133]
Phantaſie des Predigens allmaͤlig aus ſeinem
Kopf verdraͤngt — der Dialog auf dem Thea¬
ter bekam mehr Reitze fuͤr ihn, als der immer¬
waͤhrende Monolog auf der Kanzel — Und
dann konnte er auf dem Theater alles ſeyn, wo¬
zu er in der wirklichen Welt nie Gelegenheit
hatte — und was er doch ſo oft zu ſeyn wuͤnſch¬
te — großmuͤthig, wohlthaͤtig, edel, ſtandhaft,
uͤber alles Demuͤthigende und Erniedrigende er¬
haben — wie ſchmachtete er, dieſe Empfindun¬
gen, die ihm ſo natuͤrlich zu ſeyn ſchienen, und
die er doch ſtets entbehren mußte, nun einmal
durch ein kurzes taͤuſchendes Spiel der Phantaſie
in ſich wirklich zu machen —
Das war es ohngefaͤhr, was ihm die Idee
vom Theater ſchon damals ſo reizend machte —
Er fand ſich hier gleichſam mit allen ſeinen Em¬
pfindungen und Geſinnungen wider, welche in
die wirkliche Welt nicht paßten — Das Thea¬
ter deuchte ihm eine natuͤrlichere und angeme߬
nere Welt, als die wirkliche Welt, die ihn umgab.
Nun kamen die Sommerferien heran, und
die Primaner fuͤhrten, wie ſie alle Jahr zu thun
pflegten, oͤffentlich verſchiedene Komoͤdien auf —
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