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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.

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ler, die geistliche Lieder absangen, dem Wagen
entgegen kamen, schraubte man den Kantor mit
diesem Auftritt, indem man ihn wegen dieser
schreckichen Disharmonien, wodurch sein Gehör
ganz erschüttert wurde, herzlich bedauerte. --
Es war zum erstenmale, daß Reiser sahe, wie
sich solche ehrwürdige Männer auch, eben so
wie andre Leute, untereinander schrauben könn¬
ten. Und diese Erfahrung, die er mach¬
te, war ihm sehr nützlich, indem er nun jeden
Priester, den er sonst noch immer gewissermaßen
als eine Art von übermenschlichem Wesen be¬
trachtete, sich etwa in den Cirkel einer solchen
Reisegesellschaft dachte, und ihn denn in seiner
Vorstellung, von dem Nimbus, der ihn vorher
umgab, mit leichter Mühe entblößte.

Allein er fühlte es demohngeachtet wieder
lebhaft, welch ein unbedeutendes Wesen er in
dieser Gesellschaft war; und da man alle Merk¬
würdigkeiten der Klöster, und andre Sachen in
der katholischen Stadt besahe, wozu noch eine
Anzahl zum Theil auch fremder Personen sich
gesellte, so fühlte er, wie es sich immer von
selbst verstand, daß er bei allem der letzte war,

ler, die geiſtliche Lieder abſangen, dem Wagen
entgegen kamen, ſchraubte man den Kantor mit
dieſem Auftritt, indem man ihn wegen dieſer
ſchreckichen Disharmonien, wodurch ſein Gehoͤr
ganz erſchuͤttert wurde, herzlich bedauerte. —
Es war zum erſtenmale, daß Reiſer ſahe, wie
ſich ſolche ehrwuͤrdige Maͤnner auch, eben ſo
wie andre Leute, untereinander ſchrauben koͤnn¬
ten. Und dieſe Erfahrung, die er mach¬
te, war ihm ſehr nuͤtzlich, indem er nun jeden
Prieſter, den er ſonſt noch immer gewiſſermaßen
als eine Art von uͤbermenſchlichem Weſen be¬
trachtete, ſich etwa in den Cirkel einer ſolchen
Reiſegeſellſchaft dachte, und ihn denn in ſeiner
Vorſtellung, von dem Nimbus, der ihn vorher
umgab, mit leichter Muͤhe entbloͤßte.

Allein er fuͤhlte es demohngeachtet wieder
lebhaft, welch ein unbedeutendes Weſen er in
dieſer Geſellſchaft war; und da man alle Merk¬
wuͤrdigkeiten der Kloͤſter, und andre Sachen in
der katholiſchen Stadt beſahe, wozu noch eine
Anzahl zum Theil auch fremder Perſonen ſich
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[114/0124] ler, die geiſtliche Lieder abſangen, dem Wagen entgegen kamen, ſchraubte man den Kantor mit dieſem Auftritt, indem man ihn wegen dieſer ſchreckichen Disharmonien, wodurch ſein Gehoͤr ganz erſchuͤttert wurde, herzlich bedauerte. — Es war zum erſtenmale, daß Reiſer ſahe, wie ſich ſolche ehrwuͤrdige Maͤnner auch, eben ſo wie andre Leute, untereinander ſchrauben koͤnn¬ ten. Und dieſe Erfahrung, die er mach¬ te, war ihm ſehr nuͤtzlich, indem er nun jeden Prieſter, den er ſonſt noch immer gewiſſermaßen als eine Art von uͤbermenſchlichem Weſen be¬ trachtete, ſich etwa in den Cirkel einer ſolchen Reiſegeſellſchaft dachte, und ihn denn in ſeiner Vorſtellung, von dem Nimbus, der ihn vorher umgab, mit leichter Muͤhe entbloͤßte. Allein er fuͤhlte es demohngeachtet wieder lebhaft, welch ein unbedeutendes Weſen er in dieſer Geſellſchaft war; und da man alle Merk¬ wuͤrdigkeiten der Kloͤſter, und andre Sachen in der katholiſchen Stadt beſahe, wozu noch eine Anzahl zum Theil auch fremder Perſonen ſich geſellte, ſo fuͤhlte er, wie es ſich immer von ſelbſt verſtand, daß er bei allem der letzte war,

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/124>, abgerufen am 28.11.2024.