cher Zweifel ihm bei der Logik, die er vom Di¬ rektor hörte, aufgefallen war -- und der Rek¬ tor lößte ihm sehr herablassend seinen Zweifel auf, und lobte ihn dabei wegen seines Nachdenkens über dergleichen Gegenstände; ja er scherzte zu¬ weilen gar mit ihm, und wenn er ihn dem Auf¬ trag gab, irgend ein Buch oder sonst etwas zu hohlen, so that er dieß nie in einem befehlenden Tone, sondern bittweise. -- So war nun alles so weit recht gut -- aber das Blattumschlagen schien nun einmal für Reisern eine unglückliche Sache zu seyn -- er mußte einmal für den Rektor geheftete Bücher aufschneiden, und mach¬ te das so ungeschickt, daß er mit dem Feder¬ messer tiefe Einschnitte in die Blätter machte, wodurch ein paar Bücher fast ganz verdorben wurden. -- Der Rektor wurde darüber sehr böse, und machte ihm den bittern Vorwurf, als ob er aus Bosheit die Einschnitte in die Blät¬ ter gemacht habe, um von der Arbeit frei zu seyn. -- Das war nun freilich nicht der Fall -- der Vorwurf schmerzte Reisern und trug viel dazu bei, seinen allmälig wachsenden Muth wie¬ der niederzuschlagen.
cher Zweifel ihm bei der Logik, die er vom Di¬ rektor hoͤrte, aufgefallen war — und der Rek¬ tor loͤßte ihm ſehr herablaſſend ſeinen Zweifel auf, und lobte ihn dabei wegen ſeines Nachdenkens uͤber dergleichen Gegenſtaͤnde; ja er ſcherzte zu¬ weilen gar mit ihm, und wenn er ihn dem Auf¬ trag gab, irgend ein Buch oder ſonſt etwas zu hohlen, ſo that er dieß nie in einem befehlenden Tone, ſondern bittweiſe. — So war nun alles ſo weit recht gut — aber das Blattumſchlagen ſchien nun einmal fuͤr Reiſern eine ungluͤckliche Sache zu ſeyn — er mußte einmal fuͤr den Rektor geheftete Buͤcher aufſchneiden, und mach¬ te das ſo ungeſchickt, daß er mit dem Feder¬ meſſer tiefe Einſchnitte in die Blaͤtter machte, wodurch ein paar Buͤcher faſt ganz verdorben wurden. — Der Rektor wurde daruͤber ſehr boͤſe, und machte ihm den bittern Vorwurf, als ob er aus Bosheit die Einſchnitte in die Blaͤt¬ ter gemacht habe, um von der Arbeit frei zu ſeyn. — Das war nun freilich nicht der Fall — der Vorwurf ſchmerzte Reiſern und trug viel dazu bei, ſeinen allmaͤlig wachſenden Muth wie¬ der niederzuſchlagen.
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cher Zweifel ihm bei der Logik, die er vom Di¬
rektor hoͤrte, aufgefallen war — und der Rek¬
tor loͤßte ihm ſehr herablaſſend ſeinen Zweifel auf,
und lobte ihn dabei wegen ſeines Nachdenkens
uͤber dergleichen Gegenſtaͤnde; ja er ſcherzte zu¬
weilen gar mit ihm, und wenn er ihn dem Auf¬
trag gab, irgend ein Buch oder ſonſt etwas zu
hohlen, ſo that er dieß nie in einem befehlenden
Tone, ſondern bittweiſe. — So war nun alles
ſo weit recht gut — aber das Blattumſchlagen
ſchien nun einmal fuͤr Reiſern eine ungluͤckliche
Sache zu ſeyn — er mußte einmal fuͤr den
Rektor geheftete Buͤcher aufſchneiden, und mach¬
te das ſo ungeſchickt, daß er mit dem Feder¬
meſſer tiefe Einſchnitte in die Blaͤtter machte,
wodurch ein paar Buͤcher faſt ganz verdorben
wurden. — Der Rektor wurde daruͤber ſehr
boͤſe, und machte ihm den bittern Vorwurf, als
ob er aus Bosheit die Einſchnitte in die Blaͤt¬
ter gemacht habe, um von der Arbeit frei zu
ſeyn. — Das war nun freilich nicht der Fall —
der Vorwurf ſchmerzte Reiſern und trug viel
dazu bei, ſeinen allmaͤlig wachſenden Muth wie¬
der niederzuſchlagen.
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/122>, abgerufen am 17.07.2024.
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