Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.einer für den andern zu sterben entschlossen war. Dabei war ihm nun die Aussicht auf Prima einer fuͤr den andern zu ſterben entſchloſſen war. Dabei war ihm nun die Ausſicht auf Prima <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0110" n="100"/> einer fuͤr den andern zu ſterben entſchloſſen war.<lb/> — Nun wurde ihm die Theatergrille ſo werth,<lb/> daß die Sucht zu predigen beinahe ganz dadurch<lb/> aus ſeiner Seele verdraͤngt wurde — denn hier<lb/> fand ſeine Phantaſie einen weit groͤßern Spiel¬<lb/> raum, weit mehr wirkliches Leben, und Interreſſe,<lb/> als in dem ewigen Monolog des Predigers. —<lb/> Wenn er die Scenen eines Drama, daß er ent¬<lb/> weder geleſen, oder ſich ſelbſt in Gedanken ent¬<lb/> worfen hatte, durchging, ſo war er das alles<lb/> nacheinander wirklich, was er vorſtellte, er war<lb/> bald großmuͤthig, bald dankbar, bald gekraͤnkt<lb/> und duldend, bald heftig und jedem Angriff<lb/> muthig entgegenkaͤmpfend.</p><lb/> <p>Dabei war ihm nun die Ausſicht auf Prima<lb/> aͤußerſt glaͤnzend — denn die Primaner des Ly¬<lb/> ceums in H. . . hatten wirklich ſo viele aͤußere in<lb/> die Augen fallende Vorzuͤge wie in wenigen Schu¬<lb/> len ſtatt finden moͤgen. — Sie hielten alle Neu¬<lb/> jahr bei einer großen Menge Zuſchauer einen<lb/> oͤffentlichen Aufzug mit Muſik und Fackeln, in¬<lb/> dem ſie dem Direktor und dem Rektor ein Vivat<lb/> brachten. — Am Abend darauf uͤberreichten ſie<lb/> das eine Jahr dem Direktor, und das andere<lb/></p> </body> </text> </TEI> [100/0110]
einer fuͤr den andern zu ſterben entſchloſſen war.
— Nun wurde ihm die Theatergrille ſo werth,
daß die Sucht zu predigen beinahe ganz dadurch
aus ſeiner Seele verdraͤngt wurde — denn hier
fand ſeine Phantaſie einen weit groͤßern Spiel¬
raum, weit mehr wirkliches Leben, und Interreſſe,
als in dem ewigen Monolog des Predigers. —
Wenn er die Scenen eines Drama, daß er ent¬
weder geleſen, oder ſich ſelbſt in Gedanken ent¬
worfen hatte, durchging, ſo war er das alles
nacheinander wirklich, was er vorſtellte, er war
bald großmuͤthig, bald dankbar, bald gekraͤnkt
und duldend, bald heftig und jedem Angriff
muthig entgegenkaͤmpfend.
Dabei war ihm nun die Ausſicht auf Prima
aͤußerſt glaͤnzend — denn die Primaner des Ly¬
ceums in H. . . hatten wirklich ſo viele aͤußere in
die Augen fallende Vorzuͤge wie in wenigen Schu¬
len ſtatt finden moͤgen. — Sie hielten alle Neu¬
jahr bei einer großen Menge Zuſchauer einen
oͤffentlichen Aufzug mit Muſik und Fackeln, in¬
dem ſie dem Direktor und dem Rektor ein Vivat
brachten. — Am Abend darauf uͤberreichten ſie
das eine Jahr dem Direktor, und das andere
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